CD review / album review / CD Rezension / Album Kritik / Plattenkritik

Spocks Beard

"The kindness of strangers"


6 Punkte

goto english summary

Kurzinfo

Spocks Beard
"The kindness of strangers"
1997

Neal Morse - lead vocals, piano, all synths, acoustic and an occasional electric guitar
Alan Morse - main electric guitar, cello, mellotron and vocals
Dave Meros - bass and vocals
Ryo Okumoto - hammond organ and mellotron
Nick D'Virgilio - drums, percussion and vocals

Vorab...

"Auweia ... schon wieder ein neues Album ! Wenn das mal gutgeht ..." denke ich und stehe in der Merchandising-Ecke im Karlsruher "Tempel" am denkwürdigen Abend des 16.1.1998 .. jenem Abend, der als einer der genialsten, ideenreichsten, spielfreudigsten, exzellentesten, improvisationsgeladensten, vollblutmusikalischsten Abende in meine Concert-History eingehen sollte ... Spock's Beard wahrhaftig live ... nicht mal zwei Meter vor mir und meiner bezaubernden Begleitung. Spocks Beard zeigten, daß sie allesamt Meister ihrer Instrumente sind ... frenetische Begeisterungsstürme und selbst Mitglieder einiger anwesender Progbands lagen dieser Spielkultur (zumindest mental) zu Füßen. Grund genug also, den neuen Longplayer abzugreifen, zumal das Teil ja noch nicht (Backenaufbläh) in diesem unseren Lande releast war.

Gespielt wurde über die Hälfte aus "Beware of darkness" sowie die erste Hälfte des Debutalbums "The light" sowie 4 (glaub ich) Songs aus "The kindness of strangers". Highlight des Abends waren sicherlich das mit einem Drumsolo der Extraklasse versehene "The light" sowie das mit einer Akkustikgitarren-Improvisation (Neal und Alan Morse im Duett) verzierte Überteil "The doorway". Extraklasse auch das Keyboardsolo von Ryo Okumoto, der mit seinem umgehängten Keyboard eine Show (und ein Solo) abzog, von der/dem so mancher Gitarrist nur träumen kann ...

Ich war und bin immer äußerst skeptisch, wenn Alben innerhalb so kurzer Intervalle erscheinen. Das geht zumeist ganz schön kräftig auf die Qualität und nimmt den Alben ihre Originalität ... Schon während des Konzerts wirkten die Tracks aus "The kindness of strangers" auf mich phasenweise "notorisch nachgeschoben und dem famosen Ruhm der beiden Vorgängeralben hinterhergepflanzt". Aber das heißt noch nichts ... schließlich hörte ich die Songs an jenem Abend das erste Mal ... vielleicht braucht die Scheibe ja mehrere Anläufe ... wir wissen ja, wie das so ist ...


Die Songs im Einzelnen
  1. The good don't last (10:05):

  2. In the mouth of madness (4:45):

  3. Cakewalk on easy street (5:02):

  4. June (5:29):

  5. Strange World (4:21):

  6. Harm's Way (11:06):

  7. Flow (15:51):

Gesamtspielzeit: 56:33

Das Album

Der Opener "The good don't last" beginnt mit Cello- und Kirchenorgel-Klängen, bevor die Hammond-Orgel zusammen mit den Drums ein wenig Jazzfeeling verbreiten und bevor wiederum die restlichen Instrumente einsetzen, um typisch komplexe Spock's Beard-Melodien zu poltern. Der Gesang stellt sich zuerst nur mit akustischer Gitarre ein ... im Mittelteil brausen schon fast grungemäßige Elemente (vor allem durch die Drums ;-) ;-( !?) auf, ehe es dann wieder mitreißende Akkorde und hymnische Refrains zu hören gibt. Es folgt ein kurzes Flöten + Cello-Intermezzo, dessen Melodieführung noch ein paar Mal aufgegriffen wird (jedoch immer anders instrumentiert) ... durchsetzt von den Spocks-Beard-typisch preschend harmonischen rockigen Passagen. Dieser Track zeigt vor allem dank des warmen und melancholischen Cello-Einsatzes wieder eine neue angenehme Facette dieser Ausnahmecombo.

Eine "weird passage" leitet "In the mouth of madness" ein, das sich insgesamt als recht gute Abgehnummer - mit verhältnismäßig ruhigen Passagen - und suptertrampmäßiger Stampfer entpuppt (Supertramp nur in punkto gewisser Ryhtmuspassagen). Vor allem das abgedrehte Keyboard- und Guitarsolo-Duell zur Songmitte weiß absolut freakig und kultig zu gefallen.

Würde man das Intro von "Cakewalk on easy street" mit etwas metalorientierteren E-Guitars ausstatten, so hätte man eine potentielle Fates Warning Passage der neueren Sorte vor sich. Das Intro mündet in einen kurzen Rockausbruch und der Rest des Tracks gestaltet sich schon fast beängstigend Alternative-wischi-waschi-mäßig. Irgendwie stört mich an diesem Track so mancher Drumdoppelschlag ... doch bevor ich meine leichte Verärgerung richtig in Worte fassen kann, brazzelt mir eine brachiale Passage um die Lauschlappen, die sich dann sanft in Wohlgefallen auflöst und hierbei wieder das Intromotiv aufgreift. Der Refrain ist griffig und schon fast zu ohrwurmverdächtig (aber saugut !) ;-)... Ende gut, alles gut !

Spock's Beard goes ballads ? Jepp ... es ist soweit. Hier kommt der erste so richtig als Ballade zu bezeichnende Song aus der Feder von Neal Morse. Wer jetzt an Scorpions- oder Pur-Schnulzkacke denkt, wird wahlweise zu 2 Jahren Gesangsunterricht bei Klaus Meine oder einem Jahresabo beim Friseur von Pur verurteilt ... (wer will, darf sich natürlich auch von einer Boygroup seiner Wahl den Oberkörper mit Glitzer-Öl der Duftserie "Blendung der ausgerastenen Jungfrauen" einreiben lassen) ... Ok, genug Toleranzübungen. Zurück zum Song: "June" ist wirklich schön anzuhören und vor allem: der Song kitscht einem nicht die Ohren zu - ... schön, melodisch, kraftvoll, ehrlich. Schon faszinierend, was Neal Morse alles zustande bringt. Ob's daran liegt, daß ich diesen Song live erleben durfte, wo er noch (!!) viel kraftvoller und imposanter wirkte oder obs mit mir ein Weichei-Ende nimmt, weiß ich nicht ... ist mir auch ehrlich gesagt wurstig, denn essis einfach jut dat Dingen.

"Strange world" besitzt wieder einige Facetten mehr. Freakige Melodien und Arrangements, unverschämt schöne Klavier-Gesang-Passagen, einen aufbrausenden Refrain, Ruhepole und quiekend wabernde Guitars.

Konnte man sich bisher noch nicht so richtig von diesem Album überzeugt fühlen (aber auch nur, weil die beiden Vorgänger die Erwartungen so extrem hochgeschraubt haben), so schafft es spätestens das 11-minütige "Harms way", die Investition in dieses Album als absolut gerechtfertigt ansehen zu lassen. Ein Track, den man gehört haben muß, ruhig bis mitreißend, durchdacht, charmant und sich bis zum Finale steigernd. Was "The light" für "The light" und "The doorway" für "Beware of darkness" ist, das ist "Harms way" für "The kindness of strangers": erlesenste Progrock-Kunst !

Der mit knapp 16 Minuten längste Song des Albums,"Flow", eröffnet freakig rockig, bettet einen sodann in ruhige 70er-like Klänge ein und legt ganz langsam während seiner ersten 5 Minuten zu, wo er dann in den zweiten Songpart übergeht. Dieser greift wieder die Anfangsmelodie auf - witzig von Klatsch- und Drumeinlagen durchsetzt -, es folgt ein überraschendes Guitarbreak und man findet sich ich bluesrockig-angehauchten Sphären wieder (verläßt aber dabei nie das Spocks Beard Feeling) und nach weiteren guten 7 Minuten ist das Album durch ... und ich durchsetzt mit diffusen Empfindungen.

Fazit

Hmm ... das ist ne harte Nuß. Mal sehen ... *grummel* Ich sehe mich wehmütig gezwungen, nach der 6-Punkte-Tafel (gute Scheibe) zu greifen. Das bedarf der folgenden kurzen Richtigstellung: Verglichen mit "The light" und "Beware of darkness" ist "The kindness of strangers" für mich das unspektakulärste Album von Spocks Beard ... es ist einfach nicht "aufdringlich" genug. Da ich den beiden erwähnten Vorgänger-Alben 7 bzw. 8 Punkte (in der Reihenfolge) gegeben habe (mittlerweile würde ich jedes um einen Punkt aufwerten) bleibt mir hier ja wohl nur die "6" übrig. Für Spocks Beard-Neulinge sicher ein starkes Album ... aber die sollten sowieso lieber in der chronologischen Reihenfolge einsteigen.

Bleibt jedenfalls anzumerken, daß auch der dritte Gang des Spock's Beard-Menüs wieder einen total eigenständigen Charakter hat. Für mich, der sich den Luxus der beiden ersten Scheiben schon so richtig angefressen hat, bleibt nach dem Verzehr von "The kindness of strangers" ein undefinierbares Gefühl zwischen angenehm satt und lau übersättigt. Egal, was solls ... gegen ein sich anbahnendes genußvolles Bäuerchen helfen ja die beiden ersten Alben.

english summary

#NUMBER# points the missing english summaries will be inserted until end the middle of october 1998 !

© 01/1998 Markus Weis / Die Ultimative Review Page - https://durp.cf2.de