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Haggard

"And thou shalt trust ... the seer"


9 Punkte

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Kurzinfo

Haggard
"And thou shalt trust ... the seer"
1997

Asis Nasseri - vocals, grunts, guitars
Danny Kulp - guitars, accoustic guitars
Andi Nad - bass guitar
Luz Marsen - drums + kettledrums
Karin Bodenmüller - soprano
Sasema - soprano
Florian Schnellinger - bass-vocals
Hans Wolf - piano, cembalo, keyboards
Kathrin Pechlof - harp
Kerstin Krainer - violin
Steffi Hertz - viola
Kathrin Hertz - violoncello
Christoph V. Zastrow - flute
Florian Bartl - oboe
Robert Müller - clarinet
Fiffi Fuhrmann - crumhorn
Kammerchor "Schalleluja" - alt, sopran, tenor, bass

Vorab...

Au mann tut das weh....es ist Sonntag nachmittag und das einzige verkraftbare im Fernsehen war Peter Lustigs Reise in die Musik. Es macht einfach mehr Spaß, von Peter eine Kirchenorgel von innen vorgestellt zu bekommen als sich das "Hach sind wir offen und rational und deswegen reden wir jetzt über Dein erstes Mal"-Bravo-TV-Dr.Sommer-Team-Interview mit einem pubertierendem Kinderstar (aber lange Haare hat er, der Verräter) ;-) anzutun. Wenn ich mir die Programmzeitschrift so ansehe ist es schon irgendwie niederschmetternd, wenn das beste in Sachen Musik an einem Sonntag wohl der Soundtrack von Waynes World gewesen sein muß ... Zeit also die Einschaltquote zu senken und sich der musikalisch frischesten Neuerwerbung zu widmen.

Es tut sich derzeit viel in Sachen Grenzgängen. Und glücklicherweise macht sich nun eine 16-köpfige Formation (ohne den Kammerchor !) aus deutschen Landen daran, einen Vorstoß in für mich noch nie dagewesener Intensivität anzustrengen. Ein kurzer Blick auf die Instrumentierung in obiger Bandbesetzung dürfte schon einiges erahnen lassen.

Ok, ich lasse den Einwand gelten, daß in diese Richtung schon einige Versuche unternommen wurden, aber die verpufften eigentlich immer im guten Ansatz oder wurden durch metallische Zusätze mehr zerstört als getragen (abgesehen von den "Merlons"). Das Album unter "Heavy" einzuordnen ist schon fast eine Fehlentscheidung, aber insofern wieder genau richtig, weil durch diese Scheibe wieder mal deutlich wird, zu was das von Otto-Normalverbraucher so verkannte "Genre der Krachmacher" fähig ist, wie kein anderes ... Für diese Niemandslandkonsumenten nur folgender Gedankengang: Würde man einer der vielen ehrlichen Bands (,die immer wieder versichern: "Wir sind keine Handpuppen der geldgeilen Mainstreamproduzenten .. wir haben uns alle zufällig auf dem Monsters Of Rock in der Damentoilette kennengelernt !") eine Klarinette schenken, so ist es wohl nicht verwunderlich, wenn am nächsten Morgen ein mit Waschbrettoberkörper ausgestatteter Teenieschwarm auf seinem Massageölfilm in einen Musikladen schlittert und das Instrument mit den Worten "der verzierte Drumstick war angesägt" zurückgibt.

Die Songs im Einzelnen
  1. The day as heaven wept (5:46)

  2. Origin of a crystal soul (5:56)

  3. Requiem in d-minor (2:03)

  4. In a pale moon's shadow (9:36)

  5. Cantus firmus in a-minor (2:32)

  6. De la morte noire (8:03)

  7. Lost (Robin's Song) (4:25)

  8. A midnight gathering (3:06)

    Gesamtspielzeit: 41:31 min

    Das Album

    Was will man über dieses Ausnahmealbum groß sagen ? Nun zuerst einmal handelt es sich weniger um eine Band als um ein Projekt .. zumindest macht es auf mich diesen Eindruck. In punkto Musik begegnen wir einer bislang nie dagewesenen (ich lasse mich gerne belehren) Symbiose aus mittelalterlicher Musik, klassischen, folkloristischen und metallischen Elementen - sowohl im Hinblick auf die Instrumentierung als auch auf die Melodien.

    Diese Mischung schlägt sich auch gesanglich nieder: Anmutende Sopranstimmen (nein, kein opernhaftes Vibrato !) treffen auf tiefe bis (zum Glück sehr selten) gurgelnde Männerstimmen. Die wenigen Gurgelpassagen sind jedoch äußerst passend und effektvoll eingesetzt, dienen also mehr der nachdenklichen Athmosphäre, als ihr zu zu schaden.

    Im gesamten Verlauf des Albums trifft man auf wunderschöne mittelalterlichen Melodien sowie Instrumentierungen und wovor ich insbesondere den Hut ziehe, sind folgende zwei Aspekte:

    textlich beschäftigt sich das Album mit Gedanken, Beschreibungen und Prophezeiungen des Michael de Notre Dame (Nostradamus) und seines damaligen Umfeldes, was die tragiromantisch-mystische Tiefe der Musik nochmals um ein Erhebliches intensiviert.

    Fazit

    Es tat sich viel in punkto Mittelalter in der letzten Zeit und mit dem Wort "Progressiv" wurde in der letzten Zeit wahrlich einiger Etikettenschwindel betrieben. Doch hier gibts endlich mal wieder beides in Reinkultur ... Mittelalter mit Progressivität !

    Haggard haben mit "and thou shalt trust ... the seer" ein rundum bezauberndes und packendes Meisterwerk geschaffen, das sowohl für open-minded Metalheads als auch für open-minded Klassik- und Mittelalterfreax (und alle Progger !) ein Muß darstellen dürfte und den Zuhörer (vor allem dank des stimmungsvollen Outros) nachdenklich und mystisch berührt in seiner mittelalterlichen Umgebung zurückläßt. Dicke 9 Punkte sind absolut angebracht, also nichts wie nach dem Knappen gerufen, sich auf das apokalyptische Ross geschwungen und die nächstgelegene Niederlassung der Zunft der Tonscheibenhändler aufgesucht !

    In the woods we met you stranger
    now it's time to say goodbye.


    english summary

    9 points. Just have a look at the musicians and their instruments above. Medieval classical music meets medieval folk and of course metal. Some grunting death metal vocals create the dark und threating atmosphere of the prophecies of Nostradamus (but all these vocals are done very very good ... and you even can understand every single word !!), the soprano vocals are charming beautiful. There have been lots of releases that were labeled "progressive", there have been lots of releases that were labeled "medieval". If one album of this decade deserves both of these attributes, then it is this german milestone ! So saddle you apocalyptic horse and ride to your next merchant who is member in the guild of vinyl. ;-)

    © 02/1998 Markus Weis / Die Ultimative Review Page - https://durp.cf2.de