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Johann Sebastian Bach

"Bach: great organ works"


10 Punkte

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Kurzinfo

Johann Sebastian Bach
"Bach - great organ works : Toccata & fugue (Ton Koopman)
1997, Teldec Classics

Ton Koopman - organ

Toccata (ital.) ist eine auf die Orgel oder Clavicymbel gesetzte lange Piéce, in welcher beyde Hände mit Veränderung abwechseln, so daß bald die rechte, bald aber die lincke ihr Laufwerk machet.
Die Fuge ist ein künstlich Stücke, da eine Stimme der andern gleichsam fliehend, mit einerlei temate, in verschiedenen Tone nacheilet.
Johann Gottfried Walther, "Musikalisches Lexikon", 1732

Vorab...

Verständnislos schüttele ich immer den Kopf wenn ich mir sagen lassen muß : "Ich hab mir ne Klassik-CD gekauft ... nur 3,99 DM". "So klingt sie wahrscheinlich auch", entgegne ich dann meistens. Aus diesem Grund lies ich mich auch nicht lumpen, als mich das wundervolle Cover (eine majestätisch bedrohlich wirkende Kathedrale) der vorliegenden CD anlächelte ... knappe 30 DM sind schon für so manche Rock/Metal-CD eine Verschwendung ... aber was ich im Vorfeld über diese Aufnahme gelesen habe, rechtfertigte den Kauf allemal ...

Die Songs
  1. Toccata and fugue in D minor BWV 565 (8:17)
  2. Toccata and fugue in F major BWV 540 (13:08)
  3. Toccata and fugue in D minor (dorian) BWV 538 (12:35)
  4. Prelude and Fugue in A minor BWV 543 (8:44)
  5. Trio Sonata in G major BWV 530 (13:52)
  6. Passacaglia in C minor BWV 582 (12:27)
Gesamtspielzeit: 69:32
Das Album

Es gibt wohl kaum einen Komponisten, der seinen Zeitgenossen (und seinen "Kollegen" bis heute) so meilenweit überlegen war/ist wie Johann Sebastian Bach. Ein noch exzellenterer Tastenvirtuose als Komponist ! Kein anderer beherrscht(e) die Kunst der Fuge (Variation und stetige Weiterentwicklung eines Motivs) so wie er ... und exakt diese musikalische Virtuosität läßt sich auf vorliegender CD erahnen wie wohl kaum auf einer anderen. Und dazu: Kirchenorgel pur ... auf den gesamten 69 Minuten !

Einen ersten Anhaltspunkt für die klangliche, druckvolle und natürliche Perfektion dieser Aufnahme bietet die allseits bekannte Tokkata&Fuge in D-Moll BWV 565. Kein Rauschen, kein Luftzug, brilliant dezenter Hall, Tieftöner zum Beben bringende Pedale, Hochtöner zu frohem Jauchzen veranlassende Sphären. Nicht unbedingt Bachs genialstes Werk, aber trotz allem eine phänomenales und sicherlich seine griffigste Komposition. Schwere, Leichtigkeit, Anmut ... alles vereint in immer wieder fesselnden zeitlosen 8 Minuten.

Majestätisch bis wirbelstürmend begegnet uns die "Toccata und Fuge in F-Dur BWV 540" .... alleine der druckvolle Schlußakkord läßt Wände erbeben und wohlige Schauer über den Nacken laufen. Virtuos fingerflink und komplex ausgefallen ist die "Prelude and Fugue in A minor BWV 543", die zu Beginn (und auch immer wieder im Verlauf) mit ihrem Basspedal die Tieftöner-Spreu vom Tieftöner-Weizen trennen dürfte ... es brummt, dröhnt und vibriert (so solls sein), während Oktaven höher die Finger Kapriolen schlagen ...

Die wieder etwas bekanntere "Trio Sonata in G major BWV 530" (13:52 min !) zeigt am einfachchsten nachvollziehbar die Kunst der Fuge auf. Das Kopfmotiv taucht immer irgendwie wieder, fortwährend mit anderen Schlenkern, Erweiterungen, Anwüchsen und durchsetzt von den bachtypischen Fingerläufen sowie nachdenklichen, dezent leisen und tiefen Passagen.

Dem steht die anmutend bedrohliche "Passacaglia in C minor BWV 582" in nichts nach ... nichts auf dieser CD entäuscht auch nur im Ansatz.

Ton Koopman nutzt die definitionsgemäße formale Ungebundenheit der Tokkaten in vollstem Maße aus und schafft es wirklich, seinem Leitmotto bei der Einspielung sämtlicher Orgelwerke Bachs in überzeugenster Art und Weise Rechnung zu tragen: "Wer ein Genie zu imitieren versucht, gelangt nur zu tristen Interpretationen. Wenn es uns aber gelingt, Bachs Orgelwerke so zu spielen wie ein guter Zeitgenosse oder wie ein geschätzter Schüler Bachs, dann sind wir meiner Meinung nach dicht an dem, was bestenfalls machbar ist."

Bezeichnend für die Professionalität dieser Produktion ist auch, das man für die Aufnahme eine der renommiertesten Kirchenorgeln dieses Planeten verwendete, die Arp Schnittger Orgel in der Hamburger St.Jacobi Kirche. Herausgekommen ist eine CD, die man bei jedem Boxenkauf und Boxentest dabei haben sollte ... besitzen sollte man sie als Freund anspruchsvoller Musik sowieso. Eine Scheibe, die es schon nach einigen so richtig lautgehörten Klängen schafft, daß sich der Zuhörer in einem monumentalen Sakralbau wähnt, in dem ihm die Königin der Instrumente Magen und Ohren so richtig durchwühlt ...

Fazit

10 Punkte : Ein Muß für Progger. Nicht unbedingt, weil man Bach kennen und lieben muß. Nein, vor allem, weil sich gerade im Progrock/Metal immer wieder Melodieläufe (insbesonder Keyboard) finden, die aus Bach's Feder hätten stammen können (oder stammen). Vielleicht ist es gerade das, was mich am Progrock so fesselt ... die Keyboardeinlagen, die der Athmosphäre einer Bach-Tokkata so sehr nahe kommen.

Hut ab vor dieser Produktion, doch vor allem ... tiefste Verneigung vor dem wohl progressivsten Musiker aller Zeiten ... einem Musiker, der auch heute noch allen Musikern weit voraus ist, was Spielkunst und Kompositionsvermögen anbelangt.

Johann Sebastian Bach ...ein Mensch, der wahrscheinlich schon alle Melodien dieser Welt in seinem Kopf hatte !

english summary

10 points Proggers must own this CD. Not only because proggers have to love Bach but especially because you often encounter Bach-alike melodies in progressive music. By the way: This production is brilliant. But even more brilliant are the compositions of J.S. Bach. This man is still better than all musicians of our time together in means of compositon and technical skills. We all bow down before J.S. Bach ... a man who had all melodies (I really mean ALL possible ones on earth !) in his head.

© 05/1998 Markus Weis / Die Ultimative Review Page - https://durp.cf2.de