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Loreena McKennitt

"the book of secrets"

8 Punkte

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Kurzinfo
Loreena McKennitt
"the book of secrets"
1997, Quinlan Road

Loreena McKennitt - Vocals, piano, keyboards, harp, kanoun, accordion
Anne Bourne - Cello
Aidan Brennan - Acoustic guitar
Martin Brown - Acoustic guitar
Stuart Bruce - Assembled Drone
Paul Clarvis - Snare Drum
Manu Katché - Drums
Rick Lazar - percussions
Brian Hughes - Oud, electric guitar, acoustic guitar
Hugh Marsh - Violin
Donald Quan - Tabla
Danny Thomson - Acoustic bass
Bob White - Tin whistle
u.v.m.
Vorab...

Zurückgekehrt an alter fränkischer Wirkungsstätte, nämlich jenem Plattenladen, in dem ich meine erste so richtig ernsthaft selbstgekaufte LP erwarb (King Diamond "Abigail") und von dem der Großteil der heimischen Vinylsammlung stammt. Begleitung: Ein Zettel mit 5 eher exotischen CD-Tips aus dem Rock/Heavy-Sektor. Ergebnis der Suche: 0 (in Worten: Null). Abhilfe: Ein paar CDs rauskramen und anhören. Kauf-Resultat: Loreena McKennitt's bis dato neuester Release "The book of secrets" (53:22 min).

Liebevoll gemacht ... das Booklet. Die ganze CD ist liebevoll gestaltet. Hat man das Booklet aufgeschlagen, so liest man auf der ersten Seite folgende Weisheit: "A good traveller has no fixed plans and is not intent on arriving".
Positiv überrascht merke ich auf. Wie oft geschah es mir, daß ich während einer Autofahrt in gänzlich anderen Orten, Burgen, Kirchen, Wäldern, und Landschaften landete, als das eigentliche Reiseziel es vorgab. Doch zurück zu vorliegendem Album.

"The book of secrets" wurde von der Wanderlust des keltischen Volkes inspiriert.

"Je mehr ich über das weite Feld der keltischen Kultur und ihre unerwarteten Wege und Entwicklungen lernte, desto mehr wollte ich über andere zeitgenössische Kulturen erfahren, was mich wiederum auf ganz andere Spuren brachte, die letztendlich nur noch wenig oder nichts mit den Kelten selbst zu tun hatten."

"Wenn man als Künstlerin sein inspiratives Netz auswirft, lernt man das Gefühl von Demut kennen, das sich einstellt, wenn man die ausgefeiltesten Pläne vom Weg abkommen sieht, und Song-Aufnahmen etwas ganz anderes werden, als man vermutet hatte. Also, man plant eine Reise nach Rom ... und endet in Istanbul. Man bricht auf nach Japan ... und endet in einem Zug quer durch Sibirien. Die Reise selbst, nicht das Ziel, wird zur Quelle des Staunens."
(Zitat aus dem Vorwort des Booklets)

Das Album

"The book of secrets" stellt ein mosaikartiges Gebilde aus Reiseerinnerungen, -impressionen und Tagebucheinträgen dar. Zu jedem Song finden sich im Booklet (neben dem Songtext) mehrere tagebucheintragsähnliche Kurztexte (englisch, französisch und sogar auch auf deutsch ... vorbildlich !), die jeden Song noch etwas greifbarer und athmosphärischer machen. Bezüglich der Instrumentierung der Songs verweise ich auf obige Aufzählung der mitwirkenden Musiker.

Das erste Kapitel des "Book of secrets" "Prologue" (4:22) weckt orientalische Athmosphäre, inspiriert von Athen, Istanbul und einem Buch über das frühe Christentum im Mittleren Osten. "The mummer's dance" (6:07) enthält Auszüge aus einem traditionellen Mummenschanzlied und verbreitet angenehm warme aufblühende Stimmung. Auf den beiden ersten Tracks läßt sich schon erahnen, zu was Loreena's Stimme in der Lage ist.

"Skellig" (6:07) wird getragen von warmen Violinen, akkustischer Gitarre und (wie in allen Songs) von der exzellenten Stimme. "Marco Polo" (5:15) ist ein orientalisch fernöstlich anmutendes Instrumentalstück, in dem "am Anfang und in der Mitte eine authentische Sufi-Melodie eingearbeitet wurde [...] Sufi-Musik scheint eine vertiefende, Trance-ähnliche Wirkung zu haben...". Treffender kann dieser Song nicht beschrieben werden.

Das traurig tragisch-romantische "The highwayman" (10:19) ist eine Vertonung eines gleichnamigen Gedichts aus dem ländlichen England des 18. Jahrhunderts. Die 10 Minuten dieses Songs verfliegen förmlich, vor allem, wenn man sich die Zeit nimmt, bei flackernden Kerzenlicht und geschlossenen Augen den Text zu verfolgen (oder ihn mit logischerweise offenen Augen mitzulesen). Erzählt wird eine schöne, jedoch tragische und grausige Geschichte ... für mich der nahegehendste und schönste Song des Albums, der in jeder Sekunde die Bilder der Erzählung weichgezeichnet vor Augen führt.

Auf dem Instrumental "La serenissima" (5:09) dominieren akkustische Gitarre und Harfe ... und musikalische Bilder von Venedig im Spätherbst. Der Titel des 8:30 minütigen "Night ride across the caucasus" erfordert keine weitere Songbeschreibung - er klingt wie er heißt.

Der letzte Track "Dante's Prayer" (7:11) beginnt mit einem unheimlich elegischen russischen Kammerchor-Auszug. Zur Athmosphäre des Songs stelle man sich eine uralte monumentale romanische Kirche vor ... schlicht, ohne Prunk, nur kräftiger Stein, ein altes Taufbecken und ein Säulengang, durch den der erwähnte hauchende Chorgesang schwebt. Leichtes Licht bricht durch das weiße Glas einer schlichten Steinrosette in die leicht vernebelten Gänge des mystischen Steinbaus. Nach dem Chor setzen Klavier, Violine sowie das dezente und warme Keyboard ein, bevor der einsetzende Gesang einem spätestens jetzt einen wohligen Schauer über den Rücken laufen läßt.

Fazit

Ein Album wie geschaffen für dunkle Herbst- und Winterabende mit Kerzenlicht, gutem Wein und gepflegter Ein- oder Zweisamkeit. Ein Album, das wunderschöne Bilder hervorruft, das nach bewußtem Genuß nichts anderes mehr zuläßt, als angenehm zutiefst berührt in tiefster Stille auf dem Sofa sitzen zu bleiben und einfach sich noch etwas in Anmut und angenehmer Melancholie zu baden anstatt den Abend wie eventuell geplant in einer Kneipe oder gar in einer Rock-Disco zu gestalten. Auf diese "Hektik" hat man plötzlich überhaupt keine Lust mehr.

"The book of secrets" war für mich der erste bewußte Kontakt mit Loreena McKennit. Sie besitzt wahrlich eine einzigartige Stimme, die ..so kommt es mir vor ... auf diesem Album gar nicht so richtig gefordert ist. Während etwas dynamischerer Phasen in einigen Songs kam mir öfters der Gedanke ...ja sogar der Wunsch, diese Stimme einmal in wirklich voller Intonation zu hören, was leider nicht geschah. 8 Punkte für ein Album, daß das Wort "Book" zurecht im Albumtitel beinhaltet ... sowohl bezüglich der Gestaltung, als auch der erzeugten Stimmung und Impressionen.

Mehr über L.McKennitt gibts z.B. hier: http://www.geocities.com/~stolenchild/loreena.htm


english summary

8 points The perfect album for dark evenings in autumn and winter, with candlelight and a glass of wine. This album is painting wonderful pictures in your mind and leaves you back in romantic silence. This is my first contact with Loreena McKennit and what can I say. She has a great voice, sometimes I missed some final power in her voice in order to hear it in full intonation, but not on this album. "The Book of secrets" is a book full of journeys, a pretty book (great booklet) and the music is everything from celtic music to oriental bazar music, even an orthodox chorus is included. And the best of all: the album stays romantic all the time without a glimpse of getting too smooth.

© 10/97  Markus Weis / Die Ultimative Review Page - https://durp.cf2.de