progressive Interview , progressive band talk Star One: Von Ayreon zu Space Metal |
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Interview |
Seit Arjen
Anthony Lucassen Mitte der Neunziger sein Projekt "Ayreon" gründete,
ist der Holländer bekannt dafür, Science Fiction und Fantasy-Motive gekonnt mit
Progressive-Rock Sounds zu kombinieren und das ganze zu ziemlich genialen
Konzeptalben zu verschmelzen. Bereits die beiden ersten Alben "The Final
Experiment" (1995) und
"Actual Fantasy" (1996) waren in der Prog-Szene ausserordentlich
erfolgreich, doch mit der Doppel-CD "Into The Electric Castle" (1998)
gelang ihm auch der genreübergreifende Durchbruch. Und auch die Namen der am
Projekt beteiligten Künstler wurden immer illustrer, übernahm doch zum Beispiel
Fish die Rolle des Highlanders und auch die Frontfrau von The Gathering -
Anneke Van Giersbergen - war mit von der Partie. Der nächste Streich folgte
wieder zwei Jahre später, zeitgleich erschienen zwei CD's - "The Dream
Sequencer" und "Flight Of The Migrator" - die genau genommen
beide zusammen ebenfalls ein Konzeptalbum bildeten, tragen sie doch auch den
Titel "Universal Migrator Pt.1 und Pt. 2". Während Arjen Lucassen
sich bei "The Dream Sequencer" eher ruhigen Klängen a la "Wish
You Were Here" widmete, bot "Flight Of The Migrator"
erstklassigen Progressive Metal. Und die Namen der Musiker wurden größer und größer
- Bruce Dickinson, Neal Morse, Erik Norlander, Lana Lane - um nur einige zu
nennen. Noch im gleichen Jahr wurde mit
"Ayreonauts Only" erfolgreich Resteverwertung betrieben - die CD enthielt bis dato unveröffentliches
Material und bereits veröffentlichte Songs in Versionen mit anderen Sängern.
Anstelle eines neuen Ayreon-Albums folgte im Jahr 2001 jedoch ein neues Projekt
von Arjen Lucassen - Ambeon, und schon der Name - eine Mischung aus ambient und
Ayreon, machte klar, wohin die Richtung dieses Mal ging. Allerdings stand nicht Arjen im Vordergrund, sondern die von
ihm entdeckte, damals gerade erst vierzehnjährige, Sängerin Astrid van der Veen, die der CD mit ihrer
unverwechselbaren Stimme den Stempel aufdrückte. Eigentlich wäre damit doch die
Zeit reif für ein neues Ayreon - Album. Aber eben nur eigentlich, denn bei
Arjen weiss man nie, was den Hörer beim nächsten Output erwartet.
Auf
den ersten Blick handelt es sich bei "Space Metal" um ein typisches
Ayreon-Album. Wieder stammen die Songs aus Arjens Feder, wieder drehen sich die
Texte um Science Fiction. Wieder hat er den Großteil der Instrumente selbst
gespielt, wieder geht der exzellente Sound auf seine Kappe und wieder hat er
sich prominente Gäste für sein Projekt geholt. Trotzdem nennt er es "Star
One" - nach einer Episode aus einer seiner Lieblingsserien - "Blakes
7", Science Fiction, versteht sich.
Zunächst einmal unterscheiden sich die
lyrischen Konzepte grundlegend. Bei Ayreon erzähle ich immer eine Geschichte,
die ich mir komplett selbst ausgedacht habe. Meist sind es Rockopern, während
bei Star One die CD aus völlig unabhängigen Songs besteht. Nach den
Ayreon-Alben kam ja bekanntlich mein Ambeon-Projekt, und das entstand komplett
am Computer. Danach dachte ich, jetzt muss aber wieder richtige Rockmusik her,
mit heavy Gitarren, etwas, dass wie eine Band klingt. Alles sollte neu klingen,
also sollte es auch keine neue Ayreon-Scheibe werden.
Und
wenn er schon mal dabei war, alles neu zu machen, dann wechselte Arjen auch
gleich das Label. Und dass Inside Out dabei das Rennen machte, ist nicht
wirklich eine Überraschung.
Inside Out hatte ja in der
Vergangenheit bereits für die beiden ersten Ayreon-Alben den Vertrieb für
Deutschland übernommen. Aber die Zusammenarbeit mit dem holländischen Label
Transmission hat nicht funktioniert. Man ging also getrennte Wege und Point
übernahm den Vertrieb. Bei einem Prog-Festival in Holland kam dann Thomas Waber
auf mich zu. Er sagte: "Ich habe gehört, dass Du ein Album mit Russel
Allen aufnimmst. Bei uns ist zwar Ayreon nicht unter Vertrag, aber dieses
Projekt, das muss ich haben!" Ich habe ihn gebeten, sich die Sachen
anzuhören und er war begeistert. Und für mich ist es natürlich eine große
Chance, denn Inside Out ist momentan einfach das renommierteste Label in der
Prog-Szene. Ich kenne die Bands, die dort einen Deal haben, und ich mag sie
alle!
Bei
allen Unterschieden bezogen auf frühere Ayreon-Alben kann man sich natürlich
trotzdem fragen, ob ein neuer Name so geschickt war. Ayreon ist ja immerhin ein
etablierter Begriff - und das sowohl in der Prog - als auch in der Metal-Szene.
Und wenn sich eine Band bei jeder stilistischen Änderung umbenennen würde,
so müßten Marillion spätestens seit
"Seasons End" nach jeder Platte nach einem neuen Namen suchen. Warum
ist also Star One wirklich mehr als eine etwas härtere Fassung von "Actual
Fantasy" oder eine straightere als "Flight Of The Migrator"?
Ich wollte eine ehrliche Scheibe
machen, auf der handgemachte Rockmusik dominiert. Auch „Flight Of The Migrator“
enthält immer noch sehr viele Elemente, die am Computer entstanden sind. Das
neue Album sollte schon gradliniger werden, nicht so vertrackt. Die Refrains
sind viel eingängiger, du hörst sie einmal, und kannst sofort mitsingen. Das
kann man von einem Song wie „Into The Black Hole“ von „Flight Of The Migrator“
wohl kaum behaupten. Für Star One wollte ich richtige Rock-Hymnen schreiben!
Das neue Album war nie als Ayreon-Album geplant! Wäre es unter dem Namen Ayreon
erschienen, dann wären vermutlich viele Fans speziell aus der Prog-Szene sehr
enttäuscht. Viele Ayreon-Fans stehen auf dieses typischen Prog-Alben von Yes
und Genesis, und viele sind auch schon etwas älter. Ich habe mit einigen von
ihnen über das neue Material gesprochen, und es war vielen schon etwas zu
heavy. Vielleicht wäre es kommerziell sogar besser gewesen, ich hätte das Album
unter Ayreon laufen lassen, aber mein Gefühl spricht einfach dagegen.
Vielleicht sieht man das aus der Sicht des Musikers besonders kritisch.
Und
wem das noch immer nicht als Begründung reicht, dem liefert Arjen noch ein ganz
besonders Bonbon:
Und es gibt auch noch einen anderen
Punkt. Eigentlich war Star One nämlich
als Bruce Dickinson-Soloalbum geplant! Bruce hatte schon zugesagt, aber ich war
von der Zustimmung so begeistert, dass ich dies einem Bekannten erzählt hatte.
Das hätte ich aber besser nicht machen sollen, denn einen Tag später machte die
Information die Runde auf sämtlichen Mailing-Listen im Internet. Das Management
von Bruce warf mir Unprofessionalität vor, und die Geschichte wurde gecancelt.
Dumm
gelaufen, kann man da wohl sagen, bleibt bloß die Frage, für wen. Denn bei
aller Liebe - ob Kollege Dickinson jemals ein so perfektes Solo-Album zustande
bringt, wie "Space Metal" definitiv geworden ist, das ist zumindest
fraglich. Aber wenden wir uns den Texten zu. Wie schon erwähnt, dieses Mal hat
Arjen sich die Geschichten nicht selbst ausgedacht. Vielmehr ließ er sich von
berühmten Science Fiction Filmen inspirieren, wobei er allerdings einen allzu
direkten Hinweis auf die Filme unterlässt. Was natürlich prompt zu einem
munteren Ratespiel führte...
Auf meiner Mailingliste hatte ich
bereits im Vorfeld die Songtitel veröffentlicht. Es hat zwar eine Weile
gedauert, aber mittlerweile hat man die Filme hinter den Songs erraten.
Allerdings musste ich einige Tipps geben. Gerade bei „High Moon“ tun sich die
Leute schwer. Der Film heisst „Outland“ und die Hauptrolle spielt Sean Connery.
Es ist eigentlich ein in den Weltraum verlagerter Western. Darum auch der
Titel, als Anspielung auf den Klassiker „High Noon“. Da der Film auf einem
Jupitermond spielt, bekam der Song den Titel „High Moon“!
Mehr
Titel wollen wir hier allerdings dann auch nicht verraten. Statt dessen werfen
wir einen Blick auf die beteiligten Künstler. Dort treffen wir zunächst einmal
alte Bekannte von früheren Ayreon-Alben, wie zum Beispiel Drummer Ed Warby oder
die Sänger Damian Wilson (Ex-Threshold) und Russell Allen (Symphony X),
Gastauftritte liefern ebenfalls Rocket Scientist Boss und Lana Lane - Gatte
Erik Norlander an den Keyboards und Shadow Gallery - Gitarrist Gary Wehrkamp.
Und auch die Niederländerin Floor Jansen (After Forever) und Robert Soeterboeck
steuern erneut ihre Vocals bei. Doch es gibt auch neue Namen, da wäre zunächst
Dan Swanö (Ex-Edge Of Sanity, Nightingales). Moment Mal, möchte man da sagen,
gehört der nicht eigentlich in Veranstaltungen der Marke „Grunz und Grummel“?
Ich habe ein Interview mit Dan Swanö
gelesen, in dem er Ayreon erwähnte. Ich kannte ihn eigentlich nur von seinen Grunts
aus der Düstermetal-Ecke und wunderte mich, dass er Ayreon erwähnte. Daraufhin
habe ich mir ein Album von Nightinggale angehört, und es hat mir absolut gut
gefallen! Wir haben dann per eMail-Kontakt aufgenommen und es hat sich
herausgestellt, dass er ein richtiger Prog-Fan war!
So
kann man sich täuschen. Jens Johannsen passt da schon eher ins Konzept!
Jens begann ja bei Yngwie Malmsteen
und Dio und ist jetzt bei Stratovarious. Ich bekomme natürlich täglich
haufenweise eMails, und eines Tages war auch wieder eine dabei, in der mir
jemand mitteilte, wie gut ihm Ayreon gefiel. Ich war allerdings ziemlich baff,
als ich den Absender las - Jens Johannsen. Nun ist der Name in Skandinavien
natürlich nicht gerade selten, aber es stellte sich dann doch sehr schnell
heraus, dass es wirklich DER Jens Johannsen war. Da lag es dann natürlich auf
der Hand, dass ich ihn bat, bei dem Projekt mitzuwirken. Schließlich gibt es
kaum einen Keyboarder, der so schnell spielen kann, wie er.
Und
für alle die Fans, die sich die bei Inside Out schon fast obligatorische
"Limited Edition" zulegen, gibt es noch einen ganz besonderen Gast.
Die "Limited Edition" enthält eine zweite CD mit sieben weiteren
Songs, darunter eine ziemlich abgefahrene Coverversion von David Bowies
Klassiker "Space Oddity" und ein knapp zehnminütiges Hawkwind Medley. Und für dieses konnte Arjen keinen geringeren als Hawkwind
- Urgestein Dave Brock gewinnen - was offensichtlich nicht so einfach war...
Das war eine wirklich schwere
Geschichte. Ich bin ein großer Fan von Hakwind. Mittlerweile haben sie wohl so
um die zweihundert Alben, ganz nach dem Motto, jeder Furz wird veröffentlicht.
Aber so um die vierzig Platten von ihnen habe ich auch. Seit den Anfängen von
Ayreon habe ich versucht, mit Dave Brock Kontakt aufzunehmen, aber es hat nie
funktioniert. Dieses Mal dachte ich - jetzt muss es aber sein. Sie haben
schließlich den Space Rock erfunden, meine Musik ist Space Metal, das muss doch
passen! Also habe ich wieder eine eMail geschickt, ohne allerdings wirklich auf
eine schnelle Antwort - wenn überhaupt - zu hoffen. Doch am nächsten Tag war
die Antwort da: Sicher mache ich mit, wann soll es losgehen? Aber selbst nach
dieser Zusage war es noch ein weiter Weg, bis die Sache im Kasten war. Der
Soundmann von Hawkwind ist ein Holländer, und der sagte mir, nichts sei
schwerer, als etwas mit Dave Brock zu machen. Der Typ ist ja immerhin auch
schon Sechzig! Nachdem er dann das geplante Medley gehört hatte und es ihm
gefiel, bin ich zu ihm geflogen. Und der Typ war richtig nett! Hat für mich
gekocht und mir noch einige obskure Hawkwind-Alben gegeben!
Na,
das scheint sich ja wirklich gelohnt zu haben. Im Gegensatz zu einigen anderen
Dingen. So ist das Projekt einer Zeichentrickversion von "Into The
Electric Castle" geplatzt und auch den halbherzigen Wiederbelebungsversuch
von Arjens alten Hard-Rock-Kapelle "Vengeance" hätte es wohl besser
nicht gegeben. Und sogar das Ambeon-Album betrachtet er heute eher kritisch...
Aus heutiger Sicht bin ich mit dem
Ambeon-Album nicht richtig zufrieden, so dass man schon noch einige Sachen bei
einem zweiten Versuch besser machen sollte. Die Frage ist nur wann. Was Astrid
angeht, so haben wir lange nicht mehr miteinander gesprochen. Sie hatte nach
dem Album eine ziemlich schwere Zeit, weil sich ihre Eltern getrennt haben. Die
Fans wollen natürlich auch ein neues Ayreon-Album, und falls Star One ein
Erfolg wird, müsste es eigentlich auch dort weitergehen. Das Problem ist nur, ich bin kein Neal Morse,
aus dem die Ideen einfach nur so hervor sprudeln. Für mich ist das Komponieren
richtig harte Arbeit!
Das
tut uns nun zwar leid, aber immerhin harte Arbeit, die durch Erfolg belohnt
wird. Wird Arjen - der ja Ayreon seinerzeit bewusst als reines Studioprojekt
ins Leben rief - seine Fans bezüglich Star One nun auch mit Live-Auftritten
belohnen?
Ein Album wie „Star One“ ist natürlich
viel mehr für ein richtiges Rock-Konzert geeignet, als zum Beispiel Ambeon oder
auch die Ayreon-Alben. Es sind ja auch nicht mehr so viele verschiedene Musiker
involviert wie bei Ayreon. Aber zunächst werde ich zwei komplette Gigs mit Lana
Lane in L.A und in Tokio spielen. Und dann werden wir weiter sehen.....
Sehen
werden wir sicher auch, wie es mit Ayreon weitergeht. Dass sich das Konzept
irgendwann abnutzen könnte, ist für Arjen jedenfalls ausgeschlossen.
Da habe ich ehrlich gesagt überhaupt
keine Bedenken. Ich habe mir mit den Ayreon-Alben mittlerweile ein richtiges
eigenes Universum geschaffen. Dadurch, dass diese Veröffentlichungen thematisch
alle miteinander verbunden sind, gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, neue
Geschichten in diesem Universum anzusiedeln. Das ist ja das Besondere an der
Science Fiction. Es gibt immer wieder die Frage „Was wäre wenn?“
Und
was wäre, wenn das nächste Ayreon-Album auch bei Inside Out erscheinen würde?
Das ist eine sehr schwere Frage, deren
Beantwortung von vielen Komponenten abhängt. Im Augenblick kann ich dazu
wirklich noch nichts sagen.
Muss
er auch nicht. Denn unterm Strich ist es die Musik die zählt, und diesbezüglich
müssen wir uns bei Arjen Lucassen wohl keine Sorgen machen - egal um welches
Projekt oder welches Label es sich handelt.