progressive Interview , progressive band talk

Urban Tale: Vielversprechende Newcomer

DURP - eZine from the progressive ocean

Interview

Urban Tale sind ein Quintett aus Finnland und haben gerade ihr Debüt bei Frontiers veröffentlicht. Verglichen mit vielen anderen Bands der Szene, klingt der Fünfer dabei im positiven Sinne sehr zeitgemäß, ohne die Wurzeln aus den Achtzigern zu ignorieren.

Melodic Journey unterhielt sich mit dem Gitarristen Erkka Korhonen.

Am Anfang Eurer Geschichte standen ja vor allem Aktivitäten als Journey-Coverband.

Ja und Nein. Es stimmt schon, dass wir als wir begannen aufzutreten, als eine Art Journey-Tribute-Band agierten. Aber schon damals war absolut klar, dass das Ziel darin bestand, eigenes Material herauszubringen. Die Musiker, die ich jetzt in der Band habe, kann ich wirklich als mein Dreamteam bezeichnen. Aber wenn man ganz am Anfang steht, dann muss man natürlich zunächst einmal lernen, miteinander Musik zu machen. Und da zunächst natürlich noch kein eigenes Material da war, so lernt man das eben am besten, in dem man die Musik von anderen spielt. Da einige Leute uns nun aber schon durch das Journey-Material kennen, so werden wir wohl auch jetzt immer noch trotz des eigenen Materials bei unseren Shows um einige der Songs nicht drumherum kommen. Auf der anderen Seite sind aber Journey speziell in Skandinavien, wo wir ja bisher aufgetreten sind, nicht so riesig populär, dass diese Nachfrage zu groß werden dürfte. Ich habe keine Probleme, auch weiterhin ein oder zwei Journey-Songs während unserer Shows zu spielen, aber es darf nicht der Schwerpunkt unserer Gigs werden. Wir hatten einige Angebote, nur mit den Journey-Songs zu touren, aber wir haben abgelehnt. Das hat nichts damit zu tun, dass wir Journey nicht mehr mögen, wir lieben und respektieren diese Musik, wir haben immerhin 28 Songs dieser Band gelernt zu spielen.

Man kann ja nun auch nicht leugnen, dass Euer Frontmann stimmlich Steve Perry wirklich sehr ähnelt....

Wir werden oft darauf angesprochen und es wird auch in Reviews immer wieder erwähnt. Aber was sollen wir machen? Kimmo hat nun einmal diese Stimme. Er versucht nie, wie irgend jemand anderes zu klingen. Was die Arrangements und das Songwriting angeht, so kann glaube ich jeder hören, dass wir mittlerweile das Jahr 2001 schreiben. Wir sind mittlerweile zwanzig Jahre von der Zeit entfernt, als Journey ihre größten Erfolge hatten. Natürlich ist in diesen Jahren viel Musik veröffentlicht worden, mit der Leute wie wir nichts anfangen können, obwohl es immer auch gute Scheiben gab.

Ich glaube auch, dass sich Eure Musik seht stark von anderen Bands der Melodic Rock – Szene abhebt. Ihr kommt zum Beispiel ohne harte Gitarren aus.

Wir wollten ganz bewusst, dass unsere Musik nicht zu nah am Heavy Metal steht. Viele Leute streben ja einen sehr harten Sound an, bei uns ist das anders. Wenn die Gitarren zu heavy sind, dann lassen sie oft den Keyboards nicht genügend Raum, die auch eine große Rolle in unserem Sound spielen. Das ist sicher auch ein Unterschied zwischen uns und vielen anderen Szene-Bands, die die Keyboards ja oft nur als Lückenfüller einsetzen. Unser Keyboarder Timo hat auch sehr großes Interesse an Trance-Musik. Er hat für das Programmieren der Keyboardparts insgesamt vier Wochen gebraucht und Grand-Piano und Orgel hat er dann live gespielt. Aber alle diese Synthesizer-Parts waren programmiert, und als er dann fertig war, kam er ins Studio und drückte nur noch die Play-Taste. Timo hat speziell an "Circus" sehr hart gearbeitet. Speziell um diesen Mittelteil hinzukriegen, hat er sich Opern von Wagner angehört. Es gibt eben auch gelegentlich symphonische oder progressive Elemente in unserer Musik, Bands wie Kansas oder Yes zählen auch zu den Künstlern, die uns beeinflusst haben. Urban Tales wollen die Melodien und Harmonien in die heutige Musik-Szene zurückbringen. Natürlich laufen wir damit Gefahr, sofort selbst wieder in dieser Achtziger-Ecke gesteckt zu werden, denn was heute so in den Charts läuft, kommt ja mit einem Minimum an Melodien aus. Solche Bands wie Limp Bizkit sind ein extremes Beispiel für Musik ohne Melodie!

Mich hat es gewundert, auf dem Album einen Song zu finden, der "Doris Day" heisst. Die Dame wird üblicherweise nicht gerade mit Rockmusik in Verbindung gebracht....

Der Song stammt von unserm Sänger. Er ist ein sehr emotionaler Mensch und als er das Lied schrieb, ging es ihm nicht besonders gut. Zu der Zeit lief bei uns gerade eine ganze Reihe von Doris Day- Filmen im Fernsehen, und er hat wohl einen davon gesehen. Und da hat er sich die Frage gestellt, wenn sie die ganze Zeit so fröhlich ist und lacht, warum hat sie dann trotzdem so einen traurigen Ausdruck in ihren Augen? Zunächst gab es den Song in einer reinen Akustik-Version, aber er hat sich dann zu dem Track entwickelt, der schließlich auf die CD kam. Der Song ist trotzdem ziemlich einfach strukturiert geblieben, aber wenn er funktioniert und die Musik zum Text passt....

Wie siehst Du heute Euer potentielles Publikum?

Wenn es dir gelingt, die Leute, die älter als 25 sind, auf deine Seite zu ziehen, dann hast du sie für immer. Aber da sind natürlich auch noch die Fünfzehnjährigen, die ihre Idole alle zwei Wochen wechseln. Aber so funktioniert nun mal heute die Musikindustrie – es ist wie Fastfood, zu dem einen Loch rein und zum anderen wieder raus. Einige Leute in der Industrie scheinen wirklich zu glauben, die Hörer sind alles Idioten. Ich habe einmal ein Review über das Journey "Greatest Hits Live" – Album gelesen. Dieser sogenannte Kritiker aus Amerika hat geschrieben, dass es so absolut schwierig sei, diese Musik zu hören. Nach jedem Song müsse man eine Pause machen! Musik ist nun mal dazu da um gehört zu werden! Es geschieht ja auch etwas!

Und was schlägst Du vor?

Viele Leute beschweren sich heute darüber, dass es dem Melodic Rock schlecht geht – kein Airplay, keine Majordeals usw. Diese Leute sollen einmal in den Spiegel schauen! Dort finden sie die Ursachen für all diese Probleme! Wir alle wissen, dass es immer noch ein Publikum für diese Musik gibt. Journey hätten nicht eine Million Kopien von "Trial By Fire" in den USA und in Europa verkauft, wenn es kein Publikum dafür gäbe! Die Bands müssen nach Wegen suchen ihre Musik aber auch ihre Performance für die Leute wieder interessanter zu machen. Es gibt überhaupt keinen Grund, heute immer noch wie in den Achtzigern klingen zu wollen, auch wenn der Sound heute in der Regel besser ist, aber die Arrangements, die Instrumentierung und die Songs an sich sind immer noch klingen, als hätten wir es mit einem "Survivor"-Album aus dem Jahre 1983 zu tun. Viele Bands versuchen überhaupt nicht, ihre Musik nach dem Jahr 2001 klingen zu lassen. Die Leute rennen auch noch im selben Outfit rum, wie es 1987 üblich war. Aber solche Äußerlichkeiten sind heute nun mal noch wichtiger als in der Vergangenheit, auch wenn es uns nicht gefällt. Wenn du Erfolg haben willst, musst du das einfach beachten. Die Kombination aus Tradition und zeitgemäßen Aspekten, darauf kommt es an!


© 10/2001 Renald Mienert
DURP - eZine from the progressive ocean
http://durp.cf2.de/