progressive Interview , progressive band talk

Thieves Kitchen: Die Sprache der Diebe

DURP - eZine from the progressive ocean

Interview

"Argot" heistt das zweite Album der englischen Progband "Thieves Kitchen". Argot, das ist die geheime Sprache der Diebe, in der musste ich mich glücklicherweise nicht mit Keyboarder Wolfgang Kindl unterhalten. Wie sein Name schon vermuten lässt, musste ich dazu lediglich meine Muttersprache bemühen-

Zunächst musst Du etwas zur Geschichte der Band sagen. Ihr seit ja noch nicht so bekannt in der Szene. Und überhaupt, wie kommt ein deutscher in eine englische Progband?

Der zweite Teil ist relativ einfach zu beantworten: Ich bin leidenschaftlicher Musiker und hab in Deutschland schon in vielen Bands verschiedenster Musikrichtungen gespielt. Da war es nur natuerlich, dass ich mich nach einer Band umgeschaut habe als ich vor gut 2 Jahren nach England kam um dort zu leben und arbeiten. Und ich wuerde sagen ich hatte wirklich Glueck, denn ich hab nicht nur Leute gefunden die allesamt extrem gute Musiker sind, sondern auch Leute mit denen ich persoenlich gut zurecht komme. Auch in unseren Zielen sind wir uns recht einig, wir wollen unsere eigene Musik komponieren, spielen und unter's Volk bringen, dabei aber nicht vergessen dass wir alle einen Vollzeit-Job haben und die Musik "nur" unser Hobby ist. Zu dem Zeitpunkt wo ich in die Band eingestiegen bin waren die meisten Songs von "Head" bereits mehr oder weniger fertig komponiert und ich konnte nicht mehr allzuviele Ideen einbringen, anders als bei "Argot", wo ich voll am Kompositionsprozess beteiligt war und wo auch viele meiner Ideen mit eingeflossen sind. Die Intention der Band ist es prinzipiell, die Ideen aller Bandmitglieder aufzunehmen und in den Songs zu verarbeiten. Das hat, soweit ich weiss, damit angefangen dass Phil (Gitarre) und Paul (Bass) sich auf dem Whitchurch Festival for 3 Jahren kennengelernt haben und beschlossen ihre Ideen auszutauschen. Die beiden haben dann relativ schnell einen geeigneten und gleichgesinnten Saenger (Simon) und einen Schlagzeuger (Mark) gefunden, und schliesslich (nach laengerer Suche, wie man mir berichtet hat) auch mich als Keyboarder.

Wart ihr mit den Reaktionen zu "Head" zufrieden?

Na klar, die meisten Kritiken in diversen Magazinen und im Internet waren ja sehr positiv. Ich persoenlich haette ehrlich gesagt gar nicht gewusst wie man ein solches Projekt durchzieht, aber Mark und Phil hatten bereits Erfahrung mit der Produktion und dem Vertrieb von CDs (Phil mit einem Soloalbum, Mark mit GLD) und ich finde sie haben ihren Job wirklich sehr gut gemacht. Insbesondere Phil verdient ein extra Lob, denn einer der wesentlichen Punkte bei "Head" war die gute Qualitaet vom Mix, und da hat Phil wirklich viel Arbeit reingesteckt.

War klar, dass "Argot" wieder in Eigenregie vertrieben werden sollte?

Ja, schon. Es gab eine kurze Diskussion ob man sich ein Label suchen soll, aber nachdem mit "Head" alles so gut geklappt hat waren wir uns einig dass wir es mit "Argot" genauso handhaben wollen.

Was passierte nach "Head"?

Wir wollten natuerlich das Album mit ein paar Live Auftritten offiziell vorstellen. Aber da gab es ein paar Probleme. Erstens konnten wir keinen geeigneten Auftrittspartner finden, und alleine ein Konzert auf die Beine zu stellen erschien uns etwas illusorisch. Zweitens hatten wir mit "Head" nur etwa eine gute Stunde Spielzeit, und das ist etwas knapp fuer einen Gig. Die Frage war also, ob wir ein paar Cover-Nummern ins Programm aufnehmen oder noch einige der Ideen, die wir in der Hinterhand hatten, zu weiteren Songs ausbauen sollten. Zu der Zeit schien es uns eine gute Uebung zu sein, ein paar Songs, die uns allen gefielen, nachzuspielen. Aber so richtig ueberzeugt waren wir nicht. Daher hat es nicht lange gedauert bis wir uns entschlossen, die Proben einzuschraenken und statt dessen an neuen Songs zu arbeiten. Und nach relativ kurzer Zeit hatten wir wieder 5 Songs beisammen, die wir jetzt auf "Argot" aufgenommen haben (zwei der Songs wurden zu "Call To Whoever" vereinigt).

"Argot" war ja in der Vergangenheit so etwas wie die Geheimsprache der Diebe. Warum gabt ihr dem Album diesen Titel?

Ich denke der Titel ist sehr passend, nach dem der Name der Band "Diebeskueche" ist. Argot ist also die Sprache der Diebe in ihrer "Kueche", ihrem Schlupfwinkel.

Nur vier Songs auf dem Album, aber alles Longtrax. Kalkül? Schließlich gilt, nur ein langer Progsong ist ein wirklich guter Progsong?

Nein, das war sicherlich nicht die Intention. Es ergibt sich einfach: Jemand hat eine Idee, ein anderer findet zu dem Thema eine Variation, und noch eine, und eine Ueberleitung zu einem anderen Thema, und am Schluss hat man dann einen Song der 30 Minuten lang ist und man ueberlegt sich was man weglassen soll. Die Laenge der Songs ist nicht beabsichtigt (wir komponieren so lange bis wir 20 Minuten haben), sondern durch den Kompositionsstil bedingt. Es ergibt sich einfach so.

Die Texte im Artwork gibt es in diversen Übersetzungen. Wer hatte die Idee?

Die Übersetzer kommen ja wohl auch aus der Szene? Man kann diese Idee natürich in Bezug zur Geheimsprache sehen, aber auf der anderen Seite besteht doch die Gefahr des Informationsverlustes? Die Idee mit den Uebersetzungen in fremde Sprachen hatte Mark, der soweit ich weiss auch den Kontakt zu den Uebersetzern hergestellt hat. Natuerlich ist das Ganze als Gag gedacht, den man dadurch rechtfertigen kann, dass Argot die spezielle Sprache ist, wie Du ganz richtig sagst. Die Gefahr des Informationsverlusts sehe ich allerdings nicht. Es ist zwar so, dass ich - vor allem aus Sicht des nicht Englisch Native Speakers - dafuer bin, die Texte der Songs im Album abzudrucken, aber man muss Simon zu gute halten, dass er eine sehr klare Aussprache hat, und dass daher zumindest die English Native Speakers keine Probleme haben werden, die Lyrics zu verstehen. Falls jemand trotzdem die Texte in gedruckter Form haben moechte, so kann man die von unserer Homepage runterladen. (www.thieveskitchen.co.uk)

Gib doch mal einige Erläuterungen zu den einzelnen Songs, bei "nur" vier sollte das kein Problem sein.

Ich habe Simon gebeten, mir ein paar Zeilen zu den Songs zu schreiben, und hier kommt die Uebersetzung:

John Doe ? Text ist von Mark. Was treibt Menschen in den Wahnsinn und warum werden manche zu gewalttaetigen Aktionen hingerissen, z.B. der Bomben-Attentaeter von Oklahoma, John McVie.

Escape ? Was wuerde ich tun wenn ich eine Affaere haben koennte? Wuerde ich meinen Partner verlassen oder einfach nur den Augenblick geniessen? Simon reflektiert den Zustand seiner Beziehung!

Proximity ? Guter Rat fuer meine Kinder. Ich hoffe sie machen nicht die gleichen Fehler wie ich!

Call To Whoever ? Hat zwei Ebenen: Der Alptraum heutzutage mit dem Auto unterwegs zu sein und der Alptraum meiner Beziehung in diesen Tagen.

Euer Drummer stammt ja von GLD. Wie kam er zu euch? Wie steht er zu der Tatsache, dass GLD wieder aktiv ist?

Nachdem der Nukleus der Band mit Paul und Phil geformt war, ging man auf die Suche nach einem Schlagzeuger und fand Mark, der gerade verfuegbar geworden war, nachdem GLD sich aufgeloest hatte. Ich denke er ist GLD gegenueber sehr positiv eingestellt und wir freuen uns schon alle darauf, GLD im August in Whitchurch live zu sehen.

Würdet ihr euch den Vorwurf "Retro-Progger" gefallen lassen?

Nun, solange die Leute unsere CDs kaufen (und in Zukunft zu Auftritten kommen) ist es uns relativ egal was sie uns "vorwerfen". Soweit ich weiss kann der Vorwurf auch so verstanden werden, dass die Band in der Vergangenheit lebt und das Hauptziel ist, den Sound der 70er Jahre wieder aufleben zu lassen. Ich wuerde sagen, dass unsere Musik durchaus Wurzeln im Prog Rock der 70er Jahre hat, aber es gibt auch andere Einfluesse...

Wie sieht es mit euren Live-Aktivitäten aus? Spielt ihr nur eigenes Material? Weichen die Liverversionen deutlich von den Studiofassungen ab, oder bemüht ihr euch, am Original zu bleiben?

Die Live-Aktivitaeten sind zur Zeit sehr bescheiden, sprich, wir haben bisher keine Gigs gespielt und werden vielleicht auch in diesem Jahr keine spielen. Das Problem ist einfach, einen geeigneten Auftrittsort zu finden. Wir haben versucht, in die einschlaegigen Festivals reinzukommen, aber das hat fuer dieses Jahr leider nicht geklappt. Fuer naechstes Jahr haben wir allerdings sehr gute Karten, sowohl fuer europaeische Festivals als auch fuer Auftritte in den USA. Die Liveversionen der Stuecke werden von der Komposition her ziemlich genau so klingen wie auf der CD. Hin und wieder werden wir andere Sounds verwenden oder Details aendern. Auch Soli werden natuerlich ein Improvisationselement haben und nicht exakt so klingen wie auf dem Album. Prinzipiell bemuehen wir uns aber, am Original zu bleiben - schon allein deshalb, weil uns die Kompositionen so gefallen wie sie sind.

Wo siehst Du Unterschiede zwischen "Head" und "Argot". In wie weit ist die Musik auf "Argot" schon genau das, was ihr musikalisch erreichen wolltet? Oder ist es für euch mehr eine Art "nächster Schritt" gewesen?

Die Songs auf "Head" sind entstanden bevor ich in die Band gekommen bin, teilweise basierend auf Material das Phil und Simon in Vorgaengerbands komponiert und gespielt haben. Die Songs auf "Argot" dagegen sind von der Band in der Besetzung von "Head" komponiert worden, daher hat sich der Stil geringfuegig geaendert. Ich wuerde sagen, das Material auf "Argot" ist teilweise noch komplexer, generell orchestraler und besser instrumentiert. Ich denke dass "Argot" unser musikalisches Ziel schon sehr genau reflektiert. Aber man kann nie wissen, vielleicht wird beim dritten Album alles ganz anders...

Wie geht ihr in der Band mit unterschiedlichen Meinungen um? Du bist von einer eigenen Idee begeistert, und der Rest der Band findet sie eher bescheiden - was passiert?

Ich denke das ist ganz normal, dass man irgendwann mal mit einer Idee daherkommt, die den anderen Bandmitgliedern ueberhaupt nicht gefaellt. Das ist glaub ich jedem Einzelenen das letzte Jahr ueber mindestens einmal passiert. Ist aber weiter kein Problem, denn wir sind uns klar darueber, dass wir nur Musik spielen mit der jeder zufrieden ist. Und da wir einen aehnlichen Musikgeschmack haben findet sich dann schon ein Kompromiss, frueher oder spaeter. Prinzipiell entscheidet im "Streitfall" die Mehrheit.

Was habt ihr als nächstes vor?

Unser primaeres Ziel ist es jetzt natuerlich, die Songs beider Alben in einen gigfaehigen Zustand zu bringen und live zu spielen. Wie bereits gesagt ist das nicht ganz einfach, aber Mark, der mehr oder weniger die Rolle des Managers uebernommen hat, macht seine Sache recht gut und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir spaetestens im naechsten Jahr einige gute Auftritte spielen werden.


© 10/2001 Renald Mienert
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