progressive Interview , progressive band talk

John Wettoon: Zufrieden wie nie zuvor

DURP - eZine from the progressive ocean

Interview

John Wetton hat Musikgeschichte geschrieben - egal ob mit King Crimson oder Asia. Mittlerweile als Solist aktiv, liegt nun mit „Sinister“ ein neues Studio-Album vor. Renald Mienert hatte Gelegenheit mit John Wetton zu sprechen.

Ein neues Album ist im Kasten. Nach so vielen Jahren in dem Geschäft doch sicher schon eher Routine für dich?

Immer wenn ich mit einem Album fertig bin, habe ich das Gefühl, als könnte ich nie wieder ein Album machen, als wäre meine gesamte Kreativität aufgebraucht. Das neue Album ist so etwas wie der Abschluss einer Trilogie, nach „Battle Lines“ und „Arkangel“. Ich kann noch nichts darüber sagen, in welche Richtung ich mich zukünftig bewegen werden. Ich werde touren, und danach werde ich wohl mehr wissen. Das ist auch eine Frage des Alters. Ich fühle mich zwar geistig absolut fit, aber es gibt ja auch einen rein physischen Aspekt, obwohl ich auch glaube, dass meine Stimme besser ist als je zuvor.

Mir gefällt dein neues Album sehr gut, aber ich mag neben Prog aber auch die typische AOR-Mucke. Reine Progger werden mit „Sinister“ aber kaum etwas anfangen können.

Wenn ich auf der Bühne stehe, dann präsentiere ich einen Querschnitt meines gesamten Schaffens, King Crimson, UK, Asia und natürlich mein Solomaterial. Da ist dann für jeden etwas dabei, auch für die Prog-Fans. Meine eigenen musikalischen Vorlieben sehe ich aber tatsächlich mehr im Mainstream oder AOR. Asia waren ja fast lupenreiner Pop, waren aber kommerziell extrem erfolgreich. King Crimson waren purer Prog, kommerziell nicht in der gleichen Größenordnung, aber es war eben sehr anspruchsvolle Musik und wir haben hier einige Meilensteine abgeliefert, die viele Leute immer noch sehr schätzen. Ich glaube, „Red“ ist eines der besten Alben, das je produziert wurde. Wenn ich dann meine Ideen einbringe, dann reichen die für einen guten vier Minuten-Song, andere Musiker greifen diese Ideen dann auf und erweitern sie, und heraus kommt ein fünfzehn Minuten-Song. Ich habe früher Songs nicht anders geschrieben als heute, ich war nie der typische Progger. Wenn ich das, was ich ausdrücken will in vier Minuten ausdrücken kann, dann mache ich das auch. Ich habe oft das Gefühl, wenn ich eine Progband höre, das ich bei einem Song möchte, so Jungs, das war jetzt aber wirklich lange genug, hört auf. Aber ich weiss natürlich, dass die Progfans die endlosen Tracks lieben.

Wie hat sich dein Verhältnis zum Rockgeschäft über die Jahre verändert?

Mein Lieblingsalbum wenn es um Prog geht ist „Close To The Edge“ von Yes. Die Texte ergeben zwar absolut keinen Sinn, aber die Musik ist genial. Aber wenn man sich die genauer anschaut, dann ist es auch nur ein vier Minuten Stück, dass man auf zwanzig Minuten ausgedehnt hat. Das war ein typischer Vorgang für die Siebziger. In den Achtzigern hat sich alles grundlegend geändert. Die kurzen Songs waren gefragt, einfach weil es um das Airplay ging. Heute ist es wieder eine völlig andere Situation. Airplay ist mir egal, denn ich weiss, dass ich sowieso keines mehr kriege. Ich mache heute einfach nur noch die Musik, die ich selbst gerne kaufen würde. Ich arbeite mit hervorragenden Musikern zusammen, mit denen die Arbeit wesentlich besser ist, als sie es für mich zum Beispiel in den Achtzigern war. Damals hat mein Leben mich kontrolliert, heute kontrolliere ich mein Leben. Wenn du in dieser Maschinerie bist, suche das richtige Label, produziere eine Hitsingle, dann verlierst du deine Persönlichkeit. Heute arbeite ich mit den Leuten, mit denen ich Arbeiten will wann ich es will. Ich gehe nicht mehr auf monatelange Tourneen, es sind eben nur Wochen. Es ist noch Zeit für meine Familie und dieses Gleichgewicht genieße ich sehr.

Mit „Asia“ warst du ein Superstar. Heute musst du kleinere Brötchen backen. Ist das ein Problem für dich?

Ehrlich gesagt, ich spiele sogar lieber in kleineren Hallen, mal ganz davon abgesehen, dass ich heute sowieso nicht die Wahl hätte. Heute, habe ich keine Angst mehr, auch mal bei einem Gig auf Leute zuzugehen und mit ihnen zu reden. Als ich 35 war, habe ich mich wahnsinnig davor gefürchtet. Ich stand wie hinter einer Mauer und schrie von dort zu den Leuten herüber. Heute habe ich verstanden, dass die Leute - auch wenn es nur vierhundert statt viertausend sind - zu den Gigs kommen, weil sie meine Fans sind, sie lieben meine Songs und kommen nicht um von vornherein etwas mies zu machen. Ich bin heute sehr entspannt bei den Konzerten. Ich erinnere mich noch genau an den Augenblick, als ich 1991 beschloss Asia zu verlassen. Es war bei einem Konzert in Rio de Janeiro. Wir spielten einen der großen Asia - Hits und ein Fan zeigte mir diesen Heavy Metal Gruß. Und ich dachte: Mein Gott, was mache ich hier eigentlich? Das war der Tag, als ich zum Rest der Band sagte, ich kann so was nicht mehr machen. Ich habe von da an auch versucht, anders an die Musik heranzugehen, sie einfach persönlicher und emotionaler zu gestalten. Wenn ich heute Songs schreibe, dann geht es in den Texten um Dinge des wirklichen Lebens, dann sind sie komplett autobiografisch. Besonders bei Asia war das je völlig anders, dort drehte sich nichts um reale Ereignisse. Ich bin sehr zufrieden, wie es jetzt läuft, aber es war ein langer Weg dahin. Das gute an den Musikern, mit denen ich jetzt arbeite, ist, dass sie nicht soviel Musik machen wie ich. Das heisst, fast immer wenn ich sie benötige, sind sie auch verfügbar. Mit meiner Band jetzt bin ich sehr zufrieden. Es gibt eine Art Regel, wenn wir auf die Bühne gehen, dann lassen wir unsere Egos in den Umkleidekabinen. Nach dem Gig, holen wir es dort wieder ab. So haben wir ein sehr zufriedenes Klima in der Band. Ich habe gerade in der letzten Zeit einige des besten Gigs meines Lebens gespielt, einer davon war in Aschaffenburg.

Du wirst ja in erster Linie mit King Crimson, UK und Asia in Verbindung gebracht. Du hast aber auch Alben mit Uriah Heep und Roxy Music produziert.

Das war alles in den Siebzigern. In den letzten zwanzig Jahren gab es Asia und den Solokünstler John Wetton. Ich habe immer schon lieber gearbeitet als nichts gemacht. Mein Glaube ist, wenn du sitzt und wartest, bis das Telefon klingelt, dann wird es nicht klingeln. Man muss selbst auf die Leute zugehen., und wenn die Dinge die sich ergeben auch nur für ein Jahr sind. Als ich bei Uriah Heep und Roxy Music einstieg, da war das zum Beispiel um die Zeit zu überbrücken, bis wir mit UK starten konnten. Ich habe 1980 auch ein Album mit Wishbone Ash eingespielt, weil die Musiker für Asia noch nicht zur Verfügung standen. Wenn man mit den geplanten Dingen aus Termingründen ein halbes Jahr warten muss, dann suche ich mir für die Zeit irgend etwas anderes. Ich fühle mich wohler, wenn ich arbeite, ich habe wohl in jedem Jahr im Durchschnitt wenigstens zwei Alben, an denen ich irgendwie beteiligt bin.

In letzter Zeit gab es sehr viele Live-Alben von dir, eine Veröffentlichungspolitik, die oft nicht nachvollziehbar scheint.

Was ich mache, ist genau das, was auch King Crimson machen. Jedesmal wenn ich spiele, gibt es irgendwelche Leute, die die Gigs illegal mitschneiden. Bevor also irgend jemand Alben veröffentlicht, an denen er gar nicht die Rechte hat, nehme ich das Material, remaster es und veröffentliche es selbst. Wer es nicht kaufen will, der muss es nicht kaufen, aber wenn, dann schon lieber meine Version als eine illegale. Ich habe schon Bootlegs gesehen, die hatten zwar ein tolles Cover, aber der Sound war einfach eine Katastrophe. Aber wenn die Leute ein solches Album im Laden sehen, dann gibt es auch genug, die es kaufen. Ich lege Wert darauf, dass bei meinen Veröffentlichungen die Sound-Qualität besser ist, als die der Bootlegs. Aber ich weiss natürlich auch, dass es eigentlich keinen Sinn macht, alle sechs Monate ein neues Live-Album zu veröffentlichen. Aber ich habe für das Problem keine bessere Lösung.

Und solange weiter solche Alben erscheinen, soll uns das auch egal sein.


© 05/2001 Renald Mienert
DURP - eZine from the progressive ocean
http://durp.cf2.de/