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Jethro Tull: Nur das Beste

DURP - eZine from the progressive ocean

Interview

Über Jethro Tull muss man nun wirklich nicht mehr viele Worte verlieren. Vor über dreißig Jahren gegründet, hat die Band um Ian Anderson einen unverwechselbaren, vor allem durch das virtuose Flötenspiel des Meisters geprägten, Sound kreiert. Besonders in den Siebzigern gingen eine Reihe von Welthits wie "Locomotive Breath" oder "Aqualung" auf das Konto Jethro Tulls. Diese und etliche mehr sind auf der dieser Tage erscheinende neuen "Very Best Of" zu finden.

Nun steht außer Zweifel, dass eine Band wie Jethro Tull mehr als genügend Hits für ein "Best Of" – Album vorweisen kann – aber von diesen gab es ja schon genügend. Warum also jetzt eine weitere Veröffentlichung dieser Art?

Wir haben einfach gewartet, bis eine neue Technologie zur Verfügung steht. Seit einiger Zeit gibt es diese nun, darum jetzt dieses Album. Nicht nur dieses Compilation wird remasterte Tracks enthalten, alle Jethro Tull – Alben werden in dieser Form in den nächsten zwei Jahren mit deutlich besserem Sound erneut veröffentlicht. Ich habe alle analogen Mastertapes in meinem Studio sehr sorgfältig archiviert und in den Abbey Road Studios wird nun dieses Remastern stattfinden. Nun war es uns natürlich bewusst, dass es schon eine Vielzahl von solchen Zusammenstellungen gab, daher haben wir uns entschlossen, uns beim Remastern auf zwei zu beschränken. Die erste ist diese "Very Best Of" mit zwanzig Songs, das andere wird ein Album sein, das es vor einigen Jahren als "Original Masters" auf den Markt kam, es wird zwölf Songs enthalten und deutlich preisgünstiger sein. Später in diesem Jahr wird es ein "Best Of Jethro Tull – Live" geben, ein Album, das wohl auch einige bislang unveröffentlichte Aufnahmen enthalten wird. Und es gibt Überlegungen für eine reine Akustik-Compilation im nächsten Jahr. Das sind die drei Projekte mit EMI; aber natürlich arbeite ich auch an neuem Material. Ich denke, das wird so im April 2002 erscheinen, es ist noch nicht klar, ob es ein Solo-Album oder ein Tull – Album werden wird, das hängt einfach davon ab, ob die anderen Bandmitglieder verfügbar sind oder gerade Urlaub machen. Ich schreibe sehr viel, so steht für beide Varianten genügend Material zur Verfügung.

Solche Best Of – Alben werden ja häufig um neue Versionen, unveröffentlichte Songs oder völlig neue Titel erweitert. Ihr beschränkt euch auf zwanzig eurer Hits....

Der Grund für solche Dinge liegt ja auf der Hand. Wenn Fans schon alle dieser Songs in ihrer Sammlung auf den Originalalben haben, dann besteht ja die Gefahr, dass diese die Best Of nicht kaufen. Mit ein oder zwei neuen Songs will man die Leute einfach dazu bringen, nur wegen diesen eine ganze CD zu kaufen, was ich ziemlich unfair finde. Unsere Best Of ist für Leute, die vielleicht zum ersten Mal von uns hören, oder die einfach diese Zusammenstellung im Auto hören möchten, oder mit in den Urlaub nehmen. Ich habe mir vor einigen Tagen meine eigene Plattensammlung genauer angeschaut und ich war selbst überrascht, dass mehr als die Hälfte meiner Alben Compilations sind! Wenn ich mir ein Bild über einen bestimmten amerikanischen Bluesmusiker machen möchte, dann kaufe ich mir zunächst eine Compilation, genauso würde ich es bei einem Komponisten klassischer Musik machen. Eine solche Zusammenstellung ist sehr gut dafür geeignet, sich ein erstes Bild zu machen. Wenn es mir dann gefällt, kaufe ich mir die einzelnen Alben. Ich bin der Typ, der sich ein Beethoven-Box-Set kaufen würde.

Was ja auch beliebt ist, sind CD-ROM Tracks...

Ja, aber das würde das Album einfach aufwendiger und teurer machen. Man braucht unter Umständen eine zweite CD, mehr Verpackungsmaterial usw. Wir wollten den Preis dieses Albums im normalen Rahmen halten. Ich arbeite aber auch an einer DVD; die dann sowohl Audio – als auch Videomaterial enthalten wird. Alle diese Extras neben der normalen Musik habe ich mir für diese DVD aufgehoben. An einem solchen Projekt arbeiten ja auch viel mehr Leute mit, Videoregisseure, aber auch ehemalige Bandmitglieder sollen mit zu Wort kommen.

Wir könnten eventuell Ende 2002 damit fertig sein.

Wenn ich das so höre, dann scheinst du über einen sehr langen Zeitraum hinweg schon sehr konkrete Pläne zu haben. Du scheinst nicht der Typ zu sein, der nur von heute auf morgen plant...

Ich liebe es, langfristig zu planen. Es ist so wie bei den Urlaubsplänen. Es ist tiefster Winter und du sitzt zuhause und blätterst in den Katalogen der Reiseveranstalter – es macht einfach Spaß. Ich mache genau das gleiche. Nur dass ich in meinem Büro sitze und die nächste Tour plane. Draußen ist es kalt und regnet und ich organisiere, wo ich im nächsten Sommer auf der Bühne stehe – das macht mich froh.

Wie kommt eigentlich die Auswahl der Tracks für ein solches Album zustande? Liegt es in der Hand des Labels oder entscheidest du?

Letztlich ist es wohl zu einem Großteil meine Entscheidung, aber wir sprachen über das Projekt ja schon seit über zwei Jahren. Die EMI – Büros in Köln, Los Angeles und London haben ihre Vorschläge gemacht, ich meine und wir kamen sehr schnell zu einer Entscheidung. Ich habe die Reihenfolge der Songs festgelegt, wobei allerdings drei Songs editiert werden mussten. Die drei Stücke waren sehr wichtig für das Album, aber in ihrer ursprünglichen Länge hätten sie nicht auf die CD gepasst, die ja auf ca. 80 Minuten Spielzeit beschränkt ist. Ich habe dann auch das gesamte Remastern überwacht. Es gab drei Versuche, der dritte war schließlich in Ordnung. Die Reihenfolge der Songs ist natürlich auch wichtig, die zeitliche Entstehung der Titel spielte eine Rolle, aber man muss natürlich auch darauf achten, dass eine gewisse Balance eingehalten wird.

Viele Bands gehen ja auch dazu über, eine Vielzahl von Livealben auf den Markt zu werfen. Häufig wird das dadurch begründet, so einfach Bootlegs zuvorzukommen.

Bootlegs waren für mich nie ein wirkliches Problem. Üblicherweise haben sie eine miserable Qualität und es werden ohnehin nur wenige Kopien davon abgesetzt. CD-Piraterie ist da wesentlich schlimmer. In Polen zum Beispiel passiert das in einem großen Umfang. Dort gibt es einfach ein anderes Copyright. Nach 25 Jahren kann man dort jede Platte kopieren, in großen Stückzahlen produzieren und veröffentlichen, ohne dass man irgendwem auch nur einen Pfennig dafür zahlen müssten. Das ist eine Sache, die mich wirklich zornig macht.

Was aus meiner Sicht ja mal interessant wäre, als eine übliche Best Of, wäre eine Zusammenstellung von, nennen wir es mal, den unterbewertesten Songs von Jethro Tull....

Eine solche Auswahl wäre für mich sehr schwer, weil die Entscheidung doch sehr subjektiv ist. Bei einer Best Of ist es ziemlich einfach, weil die Meinungen bezüglich der Songs doch weitestgehend identisch sind. Wenn ich nach deinem Vorschlag Leute befragen würde und meine eigene Auswahl dagegen stelle, wäre das Ergebnis wahrscheinlich ein völlig anderes. Aber schlecht ist die Idee nicht....

Na ja, einen Versuch war‘s wert!


© 05/2001 Renald Mienert
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