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IQ: Von wegen verflixte Sieben

DURP - eZine from the progressive ocean

Interview

Seit den frühen Achtzigern zählen IQ zu den führenden Vertreten des Neo-Prog. In der zwanzigjährigen Bandgeschichte gab es zahlreiche Höhen und Tiefen, wobei sich die Tiefen allerdings zu keinem Zeitpunkt in schwachen Alben widerspiegelten – selbst die Ausflüge in kommerziellere Gefilde fielen nie so aus dem progressiven Grundgerüst, dass die Fans sich von IQ abgewandt hätten. Nachdem man in den Achtzigern gar Major-Luft schnupperte und Alben teilweise Verkaufszahlen um die 100.000 Stück erzielten, stand man zu Beginn der Neunziger vor dem Aus. Doch man rappelte sich auf und nahm zukünftig auch das Management in eigene Hände. Höhepunkt der IQ-Historie bisher war sicher das 97er Doppelalbum "Subterranea"- drei Jahre später ist mit "The Seventh House" nun das siebente Studioalbum der Briten im Kasten. Melodic Journey sprach mit Keyboarder Martin Orford.

Euer neues Album sollte ursprünglich "Shooting Angels" heißen, ihr habt euch dann aber doch für "The Seventh House" entschieden!

Diese Entscheidung traf Peter Nicholls. Ihm gefiel der Titel "Shooting Angels" für das Album nicht so, obwohl wir schon einen Song gleichen Namens hatten. Er schlug "The Seventh House" vor, und ich glaube, dies ist auch der stärkste Song der neuen CD. Hinzu kommt natürlich noch, dass es sich beim neuen Album um das siebente handelt. Sieben ist ja auch eine recht geheimnisumwobene Zahl.

Vor "The Seventh House" habt ihr mit "Subterranea" ein ziemlich geniales Konzept-Doppelalbum veröffentlicht. Wird die Arbeit am Nachfolger durch eine solche Situation komplizierter?

Ich glaube, Subterranea ist wirklich eine außergewöhnlich gute Scheibe, was aber nicht heißen soll, dass ich die neue CD weniger mag, für mich ist "The Seventh House" ebenfalls brillant. Aber ich glaube schon, dass wir mit "Subterranea" so etwas wie einen Standard gesetzt haben, was Konzeptalben im ausklingenden zwanzigsten Jahrhundert betrifft. Natürlich ist es da schwierig einen Nachfolger zu produzieren. Aber alles was ich sagen kann, ist dass "The Seventh House" viel mehr ist, als etwa eine bloße Kopie. Es ist ein völlig anderes Album. Es gibt zwar auch in gewissem Sinne Verbindungen zwischen den Songs, aber prinzipiell kann jeder Track für sich alleine stehen. Das gilt natürlich für "Subterranea" nur sehr eingeschränkt. Also, ich kann nur wiederholen, es war schwierig, aber jede Reaktion zum neuen Album hat uns bestätigt, dass uns ein würdiger Nachfolger gelungen ist.

Wie unterscheidet sich die Arbeit an einem Konzeptalbum von der an einer "normalen" CD?

Bestimmte Dinge sind sogar einfacher, wenn du ein Konzeptalbum produzierst. Wir hatten bei "Subterranea" schon früh eine sehr genaue Vorstellung, wie das Album klingen sollte. Wir wussten anhand der Story, an diese Stelle gehört ein ruhiger Song, an diese ein etwas schnellerer. Bei einem "normalen" Album konzentriert man sich viel mehr auf jeden einzelnen Song, jeder Titel muss schließlich eine eigene Atmosphäre haben.

Auch auf dem neuen Album arbeitet ihr wieder mit einem Saxophonspieler...

Der Saxophonist kommt aus unserer Nähe. Er hat viel mit Rob Aubray zusammen gearbeitet, in den Nomansland-Studios, wo das Album aufgenommen wurde. Als wir die Idee hatten, auf "Subterranea" ein Saxophon zu verwenden, machte Rob den Vorschlag, Tony Wright zu nehmen. Er machte einen sehr guten Job, wenn ich nur an den Titelsong denke, und so haben wir ihn wieder genommen. Er hat auch einige Gigs mit uns gespielt und er passt wirklich gut zu uns. In seinem normalen Job ist er Lehrer, aber er ist ein fantastischer Musiker.

Euer neues Album enthält sechs Stücke, die teilweise sehr lang sind. Vielleicht kannst Du etwas zu den Tracks sagen.

Das neuen Songs entstanden in Sessions, in denen wir meistens mehr oder weniger alle dabei waren. Es ist also sehr schwer zusagen, wer schrieb eigentlich was. Der Opener beginnt zwar mit einem sehr dominanten Keyboardpart, aber den Großteil des Titels schrieben Mike Holmes und John Jowitt. "Erosion" ist eine typische Bandkomposition. Der Song entstand aus einer Idee von Mike Holmes, aber es hat Monate gedauert, bis er schließlich die endgültige Form hatte, und ich halte ihn für einen der stärksten Songs auf dem neuen Album. Der Titelsong schließlich begann als kleines Gitarrenstück, das aus einer immer wiederkehrenden Tonfolge bestand. Es folgte schließlich Abschnitt auf Abschnitt, der Song wuchs und wuchs, und dann gerieten wir für einige Monate mit dem Song ins stocken. Ich habe schließlich die Piano-Parts integriert, und die Sache kam wieder ins Rollen – am Ende hatten wir einen Vierzehn-Minuten-Track. "Zero Hour" ist eine Mischung aus einem kleinen Song, den ich geschrieben hatte, und einem wirklich starken Gitarrensolo von Mike. "Shooting Angels" entstand aus einem Sound heraus, den Mike mit dem Guitar Synth erzeugte – es klang wie eine Explosion gefolgt von einer Stimme. Bei den Proben sagte jemand, das klingt als schösse man auf Engel. Peter schrieb einen passenden Text dazu, und es entstand ein für unsere Verhältnisse recht kommerzieller Song. "Guiding Light" schließlich ist ein typischer IQ-Song mit einem ausgedehnten instrumentalen Mittelteil. Es gibt einige Abschnitte in diesem Song, die wir in abgeänderter Form auch in "The Seventh House" verwendet haben – das ist eine absolute IQ-Tradition. Das Zurückkkehren zu bestimmten Motiven und deren Weiterentwicklung kommt aus der Klassik, und für mich ist dieses Vorgehen völlig normal, denn ich bin ja mit klassischer Musik aufgewachsen. Mir ist diese Art zu komponieren in Fleisch und Blut übergegangen.

Was bei "The Seventh House" auffällt ist der gezielte Einsatz von kleinen "Special Effects"- das ist mir bei früheren Produktionen so zumindest nicht bewusst geworden...

Diese kleinen Effekte kommen nicht von mir, sondern von Mike Holmes. Er ist ein richtiger Fan davon. Er ist auch ein guter Keyboarder und Produzent, und er fügt unseren Songs diese kleinen Nuancen hinzu, auch wenn es nicht die Art ist, Keyboard zu spielen, wie ich es tue. Man darf auch nicht vergessen, dass wir im Jahr 2001 leben. Würden wir immer noch Alben produzieren wie in den Siebzigern, würde sich jeder über den Sound aufregen. Ich halte es für absolut notwendig, mit der Zeit zu gehen und auch neue Technologien einzusetzen. Es ist sicher nicht notwendig, sich von jedem neuen Stil und Sound beeinflussen zu lassen, aber hier und da ein wenig tut sicher gut, um das Genre Progressive Rock etwas zeitgenössischer erscheinen zu lassen.

Die Vocals von Peter Nicholls sind eines der Markenzeichen von IQ. Trotzdem habe ich manchmal den Eintruck, sie unterscheiden sich von Song zu Song nicht all zu sehr.

Die meisten Vocal-Lines bei IQ in den letzten Jahren habe ich geschrieben. Jeder Künstler entwickelt so etwas wie eine eigene Handschrift, und die erkennt man natürlich. Aber dazu stehe ich auch, das ist nichts, wofür man sich entschuldigen müsste. Ich mag es, sehr eingängige Melodien zu schreiben. Du wirst in der IQ-Musik auch viele experimentelle Einflüsse entdecken, aber die kommen nicht von mir. Ich liebe die einfachen Dinge.

Auf früheren Alben hat Peter Nicholls oft auch das Artwork beigesteuert – beim neuen Album wieder einmal nicht.

Das ist einfach eine Frage der Zeit. IQ haben schon immer so gearbeitet, dass zuerst die Musik entstand und später die Texte. Das Album sollte unbedingt zur Europa-Tour im November fertig sein, da wir aber für die Musik recht lange gebraucht hatten, blieb Peter nicht viel zeit für die Texte. Ich glaube es war nicht mehr als ein Monat. Da blieb einfach keine Zeit mehr für das Artwork, zumal er ja auch noch andere Sachen zu erledigen hat. Wir waren schon froh, dass die Texte fertig wurden, und baten Tony Lythgoe, der normalerweise das Booklet designt, auch das gesamte Artwork mit zu übernehmen.

Normalerweise wird ein Album veröffentlicht und die Band geht anschließend auf Tour, um es zu promoten. Ihr habt es dieses Mal genau anders herum gemacht. Die Tournee war schon im November letzten Jahres, und das Album kommt erst 2001 in die Läden. Verkauft, habt ihr es aber schon während der Gigs, was eurem hiesigen Label sicher nicht gefallen hat.

Wenn es um Hitparadenplatzierungen geht, dann kommt es darauf an, das Album in die Läden zu bringen und dann zu touren. Für uns ist das aber nicht relevant. Ich halte es für eine nette Geste den Fans - die oft weite Wege auf sich nehmen, um die Band bei den Gigs zu unterstützen - die Chance zu geben, das Album zu kaufen, bevor es offiziell veröffentlicht wird. Wenn du eine unabhängige Band bist, wie wir es nun mal sind, dann ist das ökonomische Hauptprinzip, so schnell es geht, das investierte Geld zurückzubekommen – und das funktioniert am besten auf Tour. Natürlich lieben das die Vertriebe nicht, aber das ist eben Pech für sie. Wenn du ein Album fertig gestellt hast, dann sitzt du zunächst einmal auf einem Berg Rechnungen. Da ist es wichtig, dass man auch einen Teil der Alben für 12 Pfund verkaufen kann, anstelle der drei, die man vom Vertrieb zurück bekommt.

Und ich bin mir sicher, bei so einem gelungenen Album, wird unterm Strich alle Beteiligten zufrieden sein.


© 02/2001 Renald Mienert
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