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King Diamond: ... über Gott und die Welt.

DURP - eZine from the progressive ocean

Interview

King Diamond ist ohne Zweifel einer der konstantesten Musiker im Metalbusiness. Nach dem doch etwas fordernden Voodoo-Album war es mal wieder Zeit für einen richtigen Diamond-Highlight auf dem "Conspiracy"/"The Eye"-Level. Markus hat dem King kurz vor dessen US-Tour (Juli 2000) einen Phone call abgestattet.

Du befindest Dich gerade in den Vorbereitungen zur US-Tour ?

Ja. Am Freitag geht's los. Wir werden um die 32 Shows spielen, 2 in Kanada, den Rest in den USA und Südamerika.

Habt Ihr Pläne für eine Europa-Tour ?

Derzeit arbeiten zwei Booking-Agenten an Europa. Einer davon plant bereits Gigs in Skandinavien, Estland, St. Petersburg. Sobald diese Gigs stehen, übernimmt die zweite Agentur, die sich primär um Auftritte in Deutschland, Spanien und Griechenland bemühen wird.

Klasse ! Die deutschen Fans können es nach der etwas unglücklich promoteten Graveyard-Tour kaum noch erwarten, Dich wieder auf der Bühne zu sehen.

Wir freuen uns schon richtig darauf ... vor allem mit einer brandneuen Produktion für "House of God" im Rücken. Das wird ein Killer !

Na das macht ja förmlich Lust auf mehr ! Kannst Du uns ein paar Einzelheiten bzgl. der Setlist verraten ?

Diesmal haben wir eine äußerst interessante Setlist zusammengestellt. Wir werden 5 Tracks zzgl. Intro von "House of God" spielen. Die Alben "Voodoo" und "Spider's Lullaby" lassen wir erst einmal beiseite, denn wir wollen etwas mehr Raum für ältere Songs zu haben, da wir in den letzten Jahren auf den Gigs viele neue Fans begrüßen durften.

Welche älteren Tracks habt Ihr denn im Visier ?

Es sind Songs darunter, die sogar Andy und ich seit 10 Jahren nicht mehr gespielt haben, z.B. "No presents for christmas" oder "Dressed in white", welches ja nahezu ausschließlich aus hohen Vocals besteht. Dann stehen auf dem Programm "Black horsemen" und "Burn" vom Album "The Eye" ... ein Song, den wir noch nie live gespielt haben. Danach kehren wir mit "Invisible Guest", "Sleepless nights", "Abigail", "The Candle" und "Eye of the witch" wieder in gewohnteres Terrain zurück. Du siehst also, es ist eine gute Stange älteres Material vertreten.

Wie steht's mit der Bühnenshow ?

Es gibt es ein Wiedersehen mit Grandma, dem Rollstuhl und: wir werden den Sarg für die Cremation-Szene wieder dabei haben. Natürlich muß die Location groß genug sein, denn sonst ist die Sache einfach zu gefährlich ... aber wir haben den Sarg definitiv im Gepäck !

Es ist toll zu hören, daß Ihr während Eurer letzten Tour einige neue Leute auf den Konzerten hattet !

Jawohl, und es waren wirklich nicht wenig !

In Deutschland sind viele Metalheads im Jahre 1986 auf Deine Musik aufmerksam geworden ... in einer Zeit, als es noch Metalsendungen in den großen Radiostationen gab. Damals wurde auf HR3 ein "Abigail"-Special gesendet, welches u.a. auch mich auf KING DIAMOND gebracht hat. Irgendwie schade, daß die Metallandschaft bei den großen Radiostationen mittlerweile einer Wüste gleicht.

Das kann man wohl sagen ! Aber weißt Du, die Sender folgen dem Trend ... und die meisten kommen irgendwie auch nicht drum rum. Der Rundfunk ist normalerweise das effektivste Medium, um neue Leute für Deine Musik zu interessieren. Im Moment ist aber leider nur auf die Mund-Zu-Mund-Propaganda in der Szene Verlaß.

Da stimme ich Dir zu. Aber so wie es scheint, funktioniert das ja ganz gut. Ist ja auch kein Geheimnis mehr, daß der Metal in Deutschland wieder mehr Aufmerksamkeit erlangt. Also wenn ich da den TOP-10 Einstieg von IRON MAIDEN's "Brave new world" in die Album-Charts denke, stimmt mich das äußerst positiv.

In die Top 10 ? Wow !

Hier bei uns strahlt ein großer Fernsehsender Samstag nachmittags eine peinliche Kiddie-Chartsendung aus. War irgendwie komisch, als dort nach einer R'n'B-Schmacht-Girlgroup die Jungs von IRON MAIDEN auf die Bühne stürmten. Du hättest die entgeisterten Gesichter der Kids sehen sollen ... ;-)

Die sehe ich gerade förmlich vor mir ... :-)

Kommen wir nun aber zu Deinem neuen Album "House of god". Irgendwie war es für mich ein schon fast unheimlicher Zufall. Ich habe das Album bekommen, als ich von meinem Urlaub in Frankreich Mitte Juni zurückkam. Lange Rede kurzer Sinn: ich war in Rennes-le-Chateau.

Nicht im Ernst ... Du warst dort ???

Ja. Ich habe vor einigen Monaten das Buch "Das letzte Grab Christi" gelesen, in dem zwei Wissenschaftler die geometrisch verschlüsselten Inhalte des Geheimnisses um Rennes-Le-Chateau, der dortigen Kirche sowie der relvanten Pergamente, Karten und Gemälde darlegen. Also beschloß ich, mir das ganze mal anzusehen. Warst Du schon mal dort ?

Leider nicht ... Du warst wirklich dort ? Wie war es ?

Die Landschaft rund um Rennes-Le-Chateau und die Kirche ist gleichermaßen wunderschön und bedrohlich. Vom Süden her fährt man durch eine gewaltige furchterregende Schlucht und dann gehts kilometerlang durch nichts als unberührte Landschaft bis irgendwann mal ein einziges unscheinbares Schild zu dem Hügel führt, auf dem Rennes-Le-Chateau liegt. Die Landschaft ist wirklich "haunted" und total abgelegen. Irgendwie ideal, um etwas wirklich Wichtiges zu verstecken.

Natürlich ist die Story of "House of God" meine Fiktion, aber das Intro sowie der inspirierende Grundgedanke basieren auf der Theorie um Rennes-Le-Chateau. Ich bin durch ein Reisemagazin auf dieses Dorf aufmerksam geworden und mir entfuhr ein inneres "WOW !" als ich von einer Kirche las, über deren Eingangsportal der Satz "Dies ist ein schrecklicher Ort" eingemeiselt ist ...

... und in deren Eingangsbereich man von einer häßlichen Teufels-Statue begrüßt wird, die das Weihwasserbehältnis trägt ...

Genau. Das ist echt strange. Alles in Allem also ein idealer Ort, um die Konzeptstory dort spielen zu lassen, die natürlich eine andere Zielsetzung hat, wie man am Ende des Albums bei "Catacomb" und "This place is terrible" erfährt, als sich die Hauptperson einer Wesenheit gegenüber sieht, die sich als der einzig wahre Gott ausgibt. In der Story habe ich die Kirche etwas "umgebaut". Der Teufel steht nicht am Eingang sondern neben dem Altar, es gibt zwei unterschiedlich dekorierte Kanzeln und große Spiegel, in die Kreuze eingearbeitet sind.

Verglichen mit anderen Deiner Konzeptstories besitzt "House of god" nur wenige Handlungselemente. Ich behaupte jetzt einfach mal, die ersten 7 Songs sind bzgl. der Handlung für die Kernaussage und den Konflikt am Ende des Albums bedeutungslos.

Absolut. Es ist wie in einem Buch. Du willst mit der Geschichte an einem bestimmeten Punkt landen. Dazu musst Du aber erst über andere Punkte gehen. Ich habe mich z.B. durch persönliche Gefühle zur ersten Albumhälfte inspirieren lassen. Ich hatte vor einiger Zeit wirklich mal einen Wolf. Ich bekam ihn als er noch klein war ... 8 Monate um genau zu sein. Es war ein wunderschönes Tier ... exakt wie ich es in der Geschichte beschreibe. Er hatte silbergraues Fell und diese Augen. Der Name des Wolfs war "Angel". Das ist die Inspiration für das Liebesdrama, denn ich mochte diesen Wolf wirklich sehr ... nur leider war es abzusehen, daß er einen größeren Auslauf brauchte und somit musste ich ihn weggeben. Das war ein sehr bedrückender Tag, als ich von ihm Abschied nehmen musste. In der Story verwandelt sich der ich den Wolf in eine wunderschöne Frau, in die sich die Hauptperson verliebt. Unglücklicherweise gibt es diesen Fluch, der auf Angel lastet. Innerhalb von sieben Tagen muß sie den Fluch auf einen anderen Menschen übertragen und die Kirche verlassen, in die sie die Hauptperson geführt hat ... ansonsten stirbt sie. Das befremdliche ist: Sie hat keine Vorstellung, warum sie in Gestalt eines Wolfs die Kirche behütet ... sie weiß noch nicht einmal was sie hier genau beschützen soll. Der Mann nimmt also den Pakt auf sich und verbleibt in der Kirche, wo er die Statue des schwarzen Teufels nach Antworten fragt. "Was soll das Ganze ? Warum bin ich hier ?". Der schwarze Teufel zeigt blanken Haß gegenüber dem Fragenden. Er weiß, daß dieser Mensch für das zu behütende Geheimnis gefährlich werden kann, denn dieser ist hier, um Antworten zu finden und um alles zu hinterfragen. Im Mittelteil kommt es ja auch dazu, daß die Hauptperson vor lauter Einsamkeit beginnt die Spiegel in der Kirche zu zerschlagen und dabei einen Mechanismus in Gang setzt, der den Altar zur Seite bewegt, wodurch ein Geheimgang zu den Katakomben unter der Kirche freigelegt wird. Daß es soweit kommt hatte der "Black Devil" von Beginn an befürchtet.

Du hast bereits gesagt, daß die Hauptperson auf der Suche nach Antworten ist und tatsächlich: sie gibt sich noch nicht einmal mit dem zufrieden, was sie sieht. Erst recht nicht, als sie den mumifizierten Leichnam Jesu entdeckt und sich plötzlich einem Lichtwesen gegenüber sieht, welches sich als "der höchste Gott" ausgibt. Der anschließende Selbstmord ist in meinen Augen für die Hauptperson ein tragischer Ausweg.

Nun das kommt ganz genau darauf an, von welcher Seite Du es betrachtest bzw. was Du von diesem "Gott" erwartest. Die Hauptperson fordert das Wesen auf, sich der gesamte Menschheit zu offenbaren, damit alle Völker der Erde erfahren, daß es nur einen Gott gibt an den Alle glauben können, denn dann wäre Schluß mit den ganzen religiösen Konflikten und Kriegen. Genau darum geht es ! Wir schlagen uns gegenseitig die Schädel ein, nur weil wir an unterschiedliche Sachen glauben, die wir noch nicht einmal beweisen können. Fakt ist doch, daß nicht eine Person auf Erden allen anderen beweisen kann, daß er/sie an den richtigen Gott glaubt. Andererseits kann niemand beweisen, daß es gar keine Götter bzw. gar keinen Gott gibt. Ich könnte ja auch hergehen und sagen, daß in meinem Garten eine große gelbe Blume steht, die zu mir spricht. Die Leute würden mich für verrückt erklären ! Aber ich kann ihnen entgegenhalten: "Ihr behauptet doch ebenso, daß Euer Gott zu Euch spricht ! Ich kann zu Eurem Gott nicht sprechen und ihr nicht zu meinem. Jammerschade, denn mein Gott hat mir gerade befohlen, Euch umzubringen." Das ist doch purer Wahnsinn !

Das ganze ist also ein Aufruf, offener zu denken !

Stimmt ! Ich respektiere, daß all die Leute verschiedene Götter haben, an die sie glauben. Das ist ja auch gut so. Man sollte sich aber immer darüber im Klaren sein, daß man seinen Glauben anderen weder beweisen noch aufzwingen kann. Mir ist egal, wie der wahre Gott heißt ... sofern es überhaupt einen gibt. Natürlich wäre es toll, wenn sich der eine Gott uns allen zeigt, uns bei der Hand nimmt und sagt "Hier bin ich. Fühlt meine Gegenwart. Ich werde Euch in den Sinn des Lebens einweisen und Euch zeigen, was nach dem Tod auf Euch wartet" ... aber wie gesagt: vielleicht tritt dieser Fall niemals ein ! Und genau diese Fragen sind es ja, die die Hauptperson dem Wesen stellt.

Eigentlich gibt es hier ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder man beschäftigt sich das gesamte Leben mit solchen Fragen; oder man erkennt, daß evtl. niemand niemals eine Antwort darauf finden wird und konzentriert sich wieder auf das Wesentliche. Und genau das ist es ja, was die Wesenheit der Hauptperson entgegenschmettert: "Lebe Du Dein Leben so gut wie es geht und überlasse uns den Rest".

Natürlich kann ich 20 Jahre meines Lebens damit verschwenden, mir Gedanken über den Sinn des Lebens oder über die Welt nach dem Tod zu machen. Aber ich werde diese Fragen nicht beantworten ... und ich weiß jetzt schon, daß ich auf diese Fragen nie eine Antwort bekommen werde. Also verwende ich doch lieber meine Energie für die Dinge im Leben, die mir ein gutes Gefühl geben. Wenn mehr Leute so denken würden, dann gäbe es auch nicht diese kranken religiösen Zwistigkeiten. Und daher antwortet die Wesenheit auf die Fragen der Hauptperson mit "Wir werden Dir keine Antwort geben. Lebe Du Dein Leben so gut Du kannst und überlasse uns den Rest."

Kann ein Ratschlag sein ... oder ein Befehl ...

Gute Frage. Was nimmt sich denn diese Kreatur heraus, so etwas zu einem Menschen zu sagen, den sie hier mit einem Fluch gefangen hält. Dieser Mensch hat keinen Ausweg. Das Wesen läßt ihm keine Wahl. Er ist hier gefangen und soll einer Kreatur dienen, die ihn in diesem einsamen Ort eingesperrt hat ? Eine Kreatur, die ihm noch nicht einmal sagt, was sie ist ? Der Mensch ist selbstbewußt genug um der Kreatur die Stirn zu bieten: "Ich werde Dir zeigen was ich tun kann. Ich werde kein Leben leben, das mir von anderen diktiert wird. Ich entscheide mich gegen Dich und für den Tod !" Daraufhin nimmt er das Seil, läuft den Turm hinauf, springt und erhängt sich.

...unter normalen Umständen nicht die beste Lösung ...

Stimmt. Ich würde niemals so handeln ... aber ich befinde mich halt auch nicht in derselben Situation wie er. Ich kann durch die Tür nach draußen gehen und Dinge bewirken. Er kann es nicht. Er ist bis zu seinem Tod in der Kirche eingesperrt, da er die "Lüge des Kreuzes" und eine höhere Gottheit entdeckt hat, von der kein Mensch etwas erfahren darf. Und in dieser Situation muß er einer Gottheit dienen, von der er alles andere als überzeugt ist.

Wiederum wirfst Du mit Deiner Story Fragen auf anstatt etwas als Richtig bzw. etwas als Falsch zu deklarieren.

Ich kann niemandem sagen, was er denken oder tun soll. Man muß respektieren, daß jeder Mensch ein Individuum ist. Wir unterscheiden uns alle voneinander und daher können wir nicht identisch über bestimmte Angelegenheiten empfinden oder denken. Wenn Du als ein individueller Mensch mit eigenen Vorlieben und eigenem Glauben respektiert werden willst, dann musst Du auch andere Menschen auf solche Weise respektieren. In meinen Geschichten geht es eigentlich immer um Dinge, die sich Menschen gegenseitig antun. Auf "Fatal Portrait" ging es z.B. um Eifersucht, "Abigail" verdeutlicht die erschreckende Tatsache, daß Kinder, die außerhalb einer Ehe geboren/gezeugt werden, von ihren zerstrittenen Elternteilen und Familien wie niedere und bösartige Lebewesen behandelt werden. "Them" und "Conspiracy" handeln von Gier, Besitztum und Neid, und bei "House of God" geht es eben um religiöse Denkweisen und deren Hinterfragung.

Die Forscher, die das Buch "Das letzte Grab Christi" geschrieben haben, kommen am Ende ihres Buches zu der schlüssigen Vermutung, daß Jesus in der Nähe von Rennes-Le-Chateau begraben liegt. Das würde ja nun bedeuten, daß die gesamte christliche Kirche auf einer 2000 Jahre alten Lüge - der Lüge der Wiederauferstehung - aufgebaut ist. Dieser Sachverhalt lässt mich relativ kalt, denn selbst wenn jemand dort 2000 Jahre alte Knochen mit Nägeln in den Händen und einer Dornenkrone auf dem Todenschädel finden würde, würde niemand beweisen können, daß es wirklich Jesus ist. Hochgradig erschreckend ist allerdings die Einsicht, wie leichtgläubig man seine eigene Religion annimmt bzw. wie wenig man sich mit ihr kritisch auseinandersetzt, selbst wenn sie einem nicht sehr viel bedeutet.

Das ist wirklich erschreckend. Die Leute hinterfragen die Dinge nicht, an die sie glauben.

Interessanterweise betrachtet man als Schüler im sogenannten Religionsunterricht andere Weltreligionen aus kritischer, ja sogar historischer Warte. Die jeweils eigene Religion bleibt dabei auf der Strecke. Meinst Du nicht, es würde der Menschheit gut tun, wenn sich jeder ein wenig auf die geschichtlichen Hintergründe seiner Religion besinnt ?

Das hätte sicherlich enorme Wirkung. Wie gesagt. Es geht einfach darum, ein "open mind" zu entwickeln und dabei zu verstehen, daß wir jeweils an unterschiedliche Dinge glauben. Jedes Leben verläuft anders und entwickelt seine eigenen Erfahrungswerte und gerade das macht ja die Einzigartigkeit eines jeden Lebens aus. Ich kann mich doch nicht einfach hinstellen und sagen: "Alle Völker, die dem Islam angehören sind dumm weil sie an den falschen Gott glauben." In diesem Punkt sind sich ja noch nicht einmal die Christen untereinander einig.

Katholiken und Protestanten ...

Exakt. Irgendwie glauben beide Seiten im Endeffekt an den gleich Gott, nur in unterschiedlicher Weise ... aber scheinbar ist das schon Grund genug, um aufeinander loszugehen.

Wir haben die ganze Zeit nur von Göttern und Religionen gesprochen. Mit politischen System verhält es sich eigentlich genauso. Wieviele West-Deutsche maßen sich es heute noch an, den ehemaligen DDR-Bürgern vorzuwerfen "Warum seid ihr so bescheuert und blind gewesen und habt den ganzen Sozialismus-Zirkus mit Euch machen lassen ? Sozialismus kann doch nicht funktionieren. So ein scheiß System. Demokratie mit freier Marktwirtschaft ... so wird's gemacht !". Wer beweist uns denn, daß unser demokartischer Kapitalismus das gelbe vom Ei ist ? Vielleicht schlagen wir uns in 40 Jahren wegen irgendwelcher Börsenstandorte die Köpfe ein und auf einmal sagen die australischen Ureinwohner: "Das ganze konnte ja nicht gut gehen !" Die DDR-Bürger kannten nur ihr eigenes politisches System ... was anderes wurde seitens der Regierung gar nicht an sie herangelassen. Dasselbe passiert doch mit vielen Leuten auch bzgl. Ihrer Religion.

Und genau das ist für mich der Hauptgrund dafür, daß es so viele verschiedene Götter gibt. Von Anfang an haben sich gewisse Gebiete und Völker der Erde ihre eigenen Götter erdacht ... abhängig von ihrem Lebensraum und ihren Bedürfnissen. Für die einen ist es ein Baum, für die anderen die Sonne, für andere ein Tier. Wenn ein Volk in der Steppe lebt, hat ihr Gott etwas damit zu tun. Einige Gebiete haben dies halt schon vor einigen Jahrtausenden getan und es von Generation zu Generation weitergegeben. Falls nun ein Gebiet oder ein Volk völlig von anderen Einflüssen abgeschnitten ist bzw. wird, dann potentiert sich dieser Effekt, denn man kann die Dinge, an die man glaubt, nicht relativieren und kaum kritisch hinterfragen. Man wächst einfach damit auf. Nimm die amerikanischen Ureinwohner und die spanischen Eroberer. Hier prallten zwei Denk- und Lebensweisen aufeinander. Und wie so etwas endet, haben wir allzuoft gesehen. Um einen solchen Konflikt geht es z.B. auf "Voodoo". Das Ehepaar gibt sich erst gar nicht die Mühe, die nächtlichen und ungefährlichen Voodoo-Messen auf Ihrem Grundstück zu verstehen ... sie wollen diese Leute nur einfach loswerden. Aber ich sage: Diese Menschen sind harmlos ... auch wenn ihr nicht versteht, woran sie glauben .... lasst sie doch bitte einfach nur in Ruhe.

Eine solche Denkweise ist aber leider die Ausnahme. Ich habe vor nicht allzulanger Zeit ein Interview mit dem Leiter einer in Amerika ansässigen christlichen Missionierungsgesellschaft gelesen. Am Ende des Interviews sagte er auf die kritische Frage des Reporters, ob Missionierung nicht arrogant und anmaßend sei: "Ein Unternehmen wie Coca Cola steht seit vielen Jahren im Wettkampf mit anderen Soft-Drink-Marken. Das Unternehmen hat massiv Geld und Energie investiert, sein Produkt zu vermarkten und letztendlich haben sie erfolgreich fast alle anderen Marken übernommen bzw. ausgemerzt. Und nun ist Cocal Cola der weltweite Soft-Drink Nummer eins. Warum sollte uns jemand verbieten, dasselbe mit der christlichen Religion zu tun ?"

Tja ... damit sind wir beim Thema Sturheit, Geld, Macht und Gier. Gier ist wohl einer der elementarsten und problematischsten Instinkte der Menschheit und ich habe nicht das Gefühl, daß wir ihn jemals ablegen können. Im Prinzip ist es doch ganz simpel: Das eine Volk nimmt dem anderen Volk das Land weg und beruft sich dabei auf ein altes Buch, in dem steht, daß dieses Land ursprünglich ihnen gehört hat. Man rechtfertigt seine schlechten Taten mit Etwas, von dem niemand weiß, wie es entstanden ist.

Themawechsel. Das Artwork von "House of God" ist schlichtweg brilliant !

Das freut uns natürlich. Viele Dinge, über die wir gesprochen haben, finden sich im Artwork wieder. Man sieht einen Gott, der zugleich auch ein Teufel ist. Dieser Gott ersteht in einer anderen Form auf ... aber die Menschen haben ihm die Augen zugenäht. Die Menschen wollen nicht, daß er sie sieht. Sie wollen keinen einzig wahren Gott, denn das würde bedeuten, wir hätten keine religiösen Unterschiede mehr, mit denen man schlechte Taten entschuldigen kann.

Gab es einen speziellen Grund, Thomas Holm mit dem Cover-Artwork zu beauftragen ? "The Eye" war ja bislang das letzte KING DIAMOND-Cover von ihm.

Eigentlich war es umgekehrt. Thomas hatte das Cover für das Mercyful Fate-Album "Nine" erstellt und kam während der Aufnahmen ins Studio und meinte zu Hank: "Ich habe hier noch einen anderen Entwurf ... vielleicht könnt Ihr ihn für ein weiteres Mercy-Album gebrauchen". Wir haben uns daraufhin alle über den Entwurf unterhalten und festgestellt, daß die Idee viel besser zum aktuellen King Diamond-Album passen würde ... also haben wir es für "House of god" verwendet. Wir hatten ursprünglich ein anderes Cover geplant, das ein schwarzes, altes Buch mit einem Kreuz darauf zeigt. Viele Leute, denen wir es gezeigt haben sahen darin eine Bibel; in Wirklichkeit war es aber eine gebundene Version des Necronomicon, die ich vor etlichen Jahren von einem deutschen Fan geschenkt bekam.

Anfang der 80er gab es in Deutschland einen verheerenden Medienfeldzug gegen den Heavy Metal, ausgelöst durch eine journalistisch mehr als peinliche Diskussionssendung zum Thema "Der Einfluss von Heavy Metal und dem enthaltenen Satanskult auf die Jugend". Zu dieser Zeit kam ich durch Zufall an eine Abhandlung, die eine Ingolstädter Nonne zu diesem Thema verfasst hat. Darin hat sie u.a. Bands wie KING DIAMOND, KISS, WASP und TWISTED SISTER als satanische Bands denunziert. Wenn ich mich richtig erinnere, ist - wohl aufgrund des Artworks von "1984" - auch der Name VAN HALEN gefallen.

Das zeigt doch, wie wenig Ahnung diese Leute haben. Die sitzen im Kloster und haben nicht die leiseste Ahnung vom Leben und von den Menschen da draußen.

Ist es nicht gefährlich, wie verfälscht die Medien den Begriff des Satanismus belegen ?

Leider ja ! Wenn jemand etwas erzählt bekommt, dann denkt er gleich "Ach so ist das also". Viel zu viele Leute denken, daß die anderen über alles bescheid wissen. Mit dem Satanismus ist das ähnlich. Satanismus ist keine Religion ... für mich ist es eine Lebenseinstellung. Das Grundbuch des Satanismus, "Die satanische Bibel" - wobei Bibel das falsche Wort ist, denn es ist keine Religion - besagt ja u.a. sinngemäß: Bediene Dich meinetwegen aus 10 Religionen und verwerte für Dich, was Du für richtig hältst ... Hauptsache, Du fühlst Dich gut dabei und folgst Deinem Herzen. Die Leute haben solch ein verzerrtes Bild vom Satanismus ! Ja sogar das Christentum vergisst oftmals, daß es ihr eigener Gott war, der Satan erschaffen hat. Welcher Gott erschafft den ernsthaft einen Engel wie Luzifer ? Normalweise würdest Du sagen "Hoppla, Kunstfehler", mit dem Finger schnippen und diese Kreatur wieder verschwinden lassen ... nein, stattdessen erschafft er die Hölle und verbannt Luzifer dorthin.

Verglichen zum komplexen Album "Voodoo", auf dem Andy unüberhörbar überragende Arbeit an der Gitarre geleistet hat, wirkt "House of God" irgendwie einfacher und nicht mehr so sperrig.

Es ist komisch, warum so viele Leute den Eindruck haben, die Songs seien einen Tick einfacher als auf "Voodoo". Die Wahrheit ist: sie sind es nicht.

Na aber die Songs auf "House of god" wirken trotz der vielschichtig komplexen Arrangements deutlich flüssiger als auf "Voodoo".

"House of God" war für Andy aufgrund der Komplexität sicherlich das am schwierigsten einzuspielende Album. "Follow the wolf" z.B. hat ein verdammt schweres Timing. Oder hör Dir einmal gezielt einen Song wie "Help" an. Der Song hat größtenteils einen AC/DC-Drum-Beat, jedoch die Guitar-Arrangements drumherum haben es so richtig in sich. Die Gitarre, der Bass, der Gesang ... "Help" besteht aus 4 mehr oder weniger zeitgleich ablaufenenden Melodien, Rhythmen oder Geschwindigkeiten. Man kann es schon fast mit einem klassischen Orchester vergleichen, denn dort agieren verschiedenen Instrumente ebenfalls sehr eigenständig ...

... und dennoch bilden sie zusammen eine kompakte Einheit !

Absolut ! Wenn Du die ganzen Stimmen zusammen hörst, dann ergeben sie ein Ganzes. Ein Song wie "Help" ist verflucht schwer zu spielen, denn keiner darf sich auch nur im entfernesten von dem, was ein anderer spielt oder singt, beirren lassen. Wenn man den Song einfach nur anhört, denn wirkt er in der Tat relativ einfach. Wenn Du ihn als Musiker versuchst nachzuspielen ... viel Glück ;-). Aber die Tatsache, daß so viele Leute das Album als flüssiger empfinden zeigt, daß es sinnvolle Komplexität ist, denn sinnvolle Komplexität unterstützt den Song anstatt ihn zu zerstören.

Erinnert mich an die bescheuerte Dream Theater Diskussion, die hier in Deutschland seit einigen Monaten immer wieder aufflammt. Irgendwie ist die Diskussion sinnlos, denn die einen mögen "Scenes from a memory", die anderen nicht ... man wird nie zu einem Ende kommen. Ich persönlich bin der Meinung, der spieltechnische Größenwahn zerstört die Seele der Musik. Für mich sind ein Track auf einer CD und ein Song immer noch zwei verschiedene Paar Stiefel.

Genau das ist der entscheidende Punkt. Wenn z.B. Andy und ich Songs schreiben, dann geschieht es geradewegs aus dem Herzen heraus. Wir denken nicht bewußt über Tempowechsel nach oder darüber, daß uns dauernd etwas Tolles einfallen muß. Wir setzen uns nicht zwanghaft unter Druck, kreativer zu sein als beim letzten Mal. Und das Resultat liegt auf der Hand: "House of god" ist ein komplexes und dennoch rundes Album. Der Zuhörer hat zu keinem Zeitpunkt das Gefühl "Huch, was ist denn jetzt los ?" Komplexität, die sich natürlich anfühlt, hat noch nie jemandem geschadet.

Vielen Dank für dieses interessante Interview, alles Gute für die US-Tour und wir freuen uns schon darauf, Dich in Kürze in Deutschland live zu sehen.

Auch Euch allen das Beste für Eure Zukunft und auf Bald in Deutschland !


Wer mehr über das Geheimnis rund um Rennes-Le-Chateau erfahren will, dem sei unser Sarlat 2000 Festival-Review empfohlen.


© 07/2000 Markus Weis
DURP - eZine from the progressive ocean
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