Erlangen ist nicht gerade
ein Mekka des Progressive Rock. Und wenn dann Dream Theater und
Vanden Plas auf der Bühne der Heinrich Lades Halle stehen, kann
ich mir die Gelegenheit natürlich nicht entgehen lassen. Bietet
sich außerdem die Gelegenheit zu einem Interview, um so besser
- und so unterhielt ich mich mit Vanden Plas Sänger Andy Kuntz.
Der Name der Band hatte mich
bisher ja rätseln lassen. Ziemlich überrascht war ich dann
jedoch über das, was ich da auf der Bühne lesen konnte -
Vanden Ass. Das ist ja wohl auch nicht des Rätsels Lösung.
Nein, das war natürlich
einfach nur ein Gag. Wir waren vier Wochen mit den Jungs unterwegs
und haben dabei sehr viele Dinge erlebt. Da war es auch mal Zeit,
irgendwelche Insidergags an den Mann zu bringen. Es war natürlich
nicht böse gemeint, aber dennoch war es angebracht, nach zwei
Songs den Leuten erst einmal zu erklären, was eigentlich damit
gemeint war. Viele Leute wußten vielleicht nicht, daß es
der letzte gemeinsame Gig dieser Tour war. Die Leute sollten einfach
kapieren, daß da Dinge passieren, die vielleicht für ein
normales Konzert nicht üblich, aber auf gar keinen Fall gegen
irgendwen gerichtet sind. Auf großen Bühnen, also am
Theater wird das übrigens genauso gehandhabt. Ich will den Gag
nicht gerade als geschmackvoll bezeichnen, aber es zeichnet dich als
Support eben auch aus, wenn du mit solchen Dingen umgehen kannst und
durch das Konzert durchkommst und die Leute sagen, das war O.K. Dann
hast du auf der ganzen Linie gewonnen. Und was den Namen angeht, der
hat keine tiefere Bedeutung. Es ist einfach nur ein Begriff, der uns
vor fünfzehn Jahren mal auf der IAA ins Auge gefallen ist. Jede
junge Band sucht einen Namen, den es möglichst noch nicht gibt
und der nicht in ein paar Jahren vielleicht dann von einer
bakannteren Band verwendet wird, und du mußt dich trotzdem
wieder umbenennen. Der Name ist sehr neutral und wir können uns
erlauben, unter ihm auch akustische Alben herauszubringen. Es ist
der Name eines Autos, eines Designers der Autos verfeinert hat, wie
Jaguar oder Rolls Royce - und er hatte in der Musikbranche bisher
keine Verwendung gefunden.
Eine Tour mit Dream Theater ist
ja für viele Prog-Metal-Bands der Traum schlechthin. Für
Vanden Plas ist er wahr geworden, und wenn man sich solche Gags
erlaubt, scheint die Chemie zwischen den Bands auch gestimmt zu
haben.
Absolut. Wir haben uns zunächst
etwas zurückgehalten. Freundschaften schließt man im
normalen Leben ja auch nicht von heut auf morgen, das gilt genauso
auf der Bühne. Man wartet zunächst also einfach mal ab.
Dream Theater sind ja auch nicht irgendeine Band, und das letzte,
was wir wollten, war, ihnen auf die Nerven zu gehen. Und das hat
sich auch ganz gut bewährt. Es waren dann eigentlich auch Dream
Theater, die den Damm gebrochen haben. Sie haben halt gemerkt, daß
wir sie in Ruhe lassen, haben sich einige unserer Shows angeschaut
und dann gesehen, daß sie auch mit dem, was wir da machen,
ganz gut Leben können.
Nun ist ja Dream Theater für
den Bereich des Prog-Metal wie keine andere Band wegweisend gewesen.
Und als solche wird man natürlich kopiert was das Zeug hält.
Mit den zahlreichen Klonen will Vanden Plas allerdings nicht in
einen Topf geworfen werden.
Ich sehe uns halt überhaupt
nicht so. Die technischen Aspekte unserer Musik, die vielleicht an
Dream Theater erinnern, haben sich bei uns einfach über die
Jahre hinweg entwickelt. Das lag einfach an unserem gewachsenen Know
How, daß eben auch durch solche Projekte wie unsere
Theaterproduktionen gebildet wurde. Wir sind uns auch der Tatsache
bewußt, daß wir das gleiche Publikum wie Dream Theater
ansprechen, aber das liegt daran, daß das Gesamtfeeling der
Musik einfach ähnlich ist. Es sind keine Parts, die absolut
identisch klingen. Würde man Dream Theater nehmen und ihnen
einen alten Sound verpassen, würden sie vielleicht klingen wie
Kansas, Genesis oder Pink Floyd. Und genau da sehe ich eigentlich
auch unsere musikalischen Wurzeln. Wir haben auch das gleiche Alter
wie Dream Theater, wir sehen uns in dem Sinne also auch nicht gerade
als eine junge Band - immerhin machen wir unter dem Namen auch schon
seit 15 Jahren Musik. Da hat sich einiges entwickelt. Es ist
natürlich klar, daß man immer an den Größten
gemessen wird, immer mit ihnen verglichen. Solange dieser Vergleich
O.K. ist und nicht heißt, wir würden irgendwie klauen,
kann ich damit gut leben. Ich denke, daß Vanden Plas mit dem
zweiten Alben einen eigenen Weg gefunden hat. Wir arbeiten
songorientierter als Dream Theater, ob das jetzt besser oder
schlechter ist, das muß der Hörer entscheiden. Wir
bringen die technischen Elemente nur ein, um die Songs interessanter
zu gestalten. Bei uns wird es zukünftig wohl auch keine Songs
mehr mit zehnminütigen Instrumentalpassagen geben. Wir legen
großen Wert auf die Vocal Lines, auf die Hooks, die darin
passieren. Ein Song muß auch noch als akustische Version für
den Hörer nachvollziehbar sein, das ist unsere Intention. Wir
sind auch etwas mystischer angehaucht als die meisten anderen
Prog-Metal-Bands. Außerdem versuchen wir, bombastische
Elemente zu integrieren, daß das Ganze noch größer
klingt.
Fünfzehn Jahre sind eine
lange Zeit, das jetzige Line Up ist seit 1990 konstant.
Veröffentlichungen hat man zwar schon einige vorzuweisen, wenn
man aber die regulären Studio-Alben betrachtet, ist das 97er
The God Thing erst das zweite, das Debüt Colour
Temple erschien 1994 zunächst im Eigenvertrieb.
Das erste Album entstand mehr
nach der Jäger und Sammler - Methode. Man hat einfach über
drei, vier Jahre hinweg Songs zusammengetragen, da gab es dann auch
noch sehr viele Einflüsse vom melodischen Hardrock und normalem
Metal. Die Songs des zweiten Albums entstanden in einem dreiviertel
Jahr, also in einem viel kürzeren Zeitraum. Es ist zum einen
kompakter, beinhaltet aber musikalisch noch mehr verschiedene
Elemente.
Bevor es allerdings erschien,
galt es noch diverse Probleme mit dem alten Label Dream Circle zu
klären.
Wir haben uns von dem Label
getrennt; das Verhältnis hat einfach nicht gestimmt. Wir
hatten das Glück, vorzeitig aus dem Vertrag mit Dream Circle
ausscheiden zu können. Wir waren dann in der
Vorproduktionsphase zu The God Thing und wußten
eigentlich überhaupt nicht, wo wir standen. Wir hatten das
ganze Projekt auch selbst vorfinanziert und zwischen achtzig und
hunderttausend Mark investiert. Da muß man schon ziemlich
stark an die eigene Musik glauben. Unser Verlag hat die Scheibe dann
verschiedenen Labels angeboten, und da hat sich dann sehr schnell
herausgeschält, daß Inside Out das Rennen machen würde.
Sie hatten einfach ein faires Angebot. Wir hatten sofort den
Eindruck, die glauben an uns, da wird eine gemeinsame Ebene
geschaffen und nicht nur alles zerredet und es wird auch wirklich
versucht, am Bekanntheitsgrad der Band zu arbeiten. Und das hat sich
auch alles bestätigt, insofern haben wir also die absolut
richtige Entscheidung getroffen.
Zwischen den beiden Studioalben
gab es mit AsCult 1996 noch eine interessante Akustik -
CD, was aber noch weitaus ungewöhnlicher für eine
Rock-Band ist, sind die Erfahrungen der Band im Bereich von
Theaterproduktionen.
Ich hatte zunächst 1990 ein
Theater Engagement in der Rocky Horror Show in Kaiserslautern. Ich
habe zwar kein Schauspielstudium, aber wohl auch durch diese erste
Erfahrung wurde ich dann für eine wirklich große
Produktion - immerhin achtzig Shows - verpflichtet, und zwar für
Jesus Christ Superstar im Staatstheater in Saarbrücken. Die
hatten zu dem Zeitpunkt aber noch keine richtige Band, und da habe
ich natürlich Vanden Plas ins Gespräch gebracht. Und da
hat die Band dann zweieinhalb Jahre gemeinsam mit Orchester dieses
Projekt durchgezogen, und das bringt dich musikalisch einfach
unglaublich nach vorn. Du arbeitest schließlich permanent mit
Leuten zusammen, die das von der Pike auf gelernt haben. Ich habe
zum Beispiel mit einem Sänger auf der Bühne gestanden, der
in Basel das Phantom der Oper gespielt hat. Da kommt zum Beispiel
ein Peter Hoffmann, der wesentlich bekannter ist, überhaupt
nicht ran, nicht mal in die Nähe. Wenn du zu solchen Leuten
einen freundschaftlichen Draht entwickelst, dann lernst du da
einfach mehr als in jeder Gesangsstunde. Und das traf eben nicht nur
auf mich zu, sondern es war unser Glück, daß da jeder
seine Ansprechpartner hatte und sich auf diese Weise
weiterentwickelt hat.
Diese Weiterentwicklung war dann
auf The God Thing auch nicht zu überhören und
führte schließlich zur Tour mit Dream Theater.
Wir haben jetzt neunzehn Gigs mit
Dream Theater gespielt, ohne die sieben im vergangenen Jahr, und es
ging quer durch Europa. In Frankreich lief es besonders gut, damit
hatten wir aber bereits gerechnet. Wir sind dort populärer als
hier, während Dream Theater nicht so bekannt ist wie bei uns in
Deutschland. Der Unterschied im Bekanntheitsgrad zwischen uns und
Dream Theater war dort also nicht so hoch. Überrascht waren wir
von Skandinavien. Dort kannte uns eigentlich vorher überhaupt
keiner, aber alle Gigs waren richtig gut, vergleichbar mit dem hier
in Erlangen. In Deutschland ist es stark ortsabhängig. Es hängt
aber auch davon ab, wie man versucht, das Publikum anzupacken,
sozusagen eine Frage der Taktik. Aber generell waren neunzig Prozent
der Konzerte so wie heute. Verblüfft hat uns das schon. Wir
wußten ja, daß wir in Insider-Kreisen recht bekannt
sind, und auch in einem Atemzug neben Bands wie Dream Theater
genannt werden. Aber es gibt auch viele Fans, die wissen, daß
es und gibt, haben Rezensionen gelesen, haben uns selbst aber noch
nie gehört. Und genau die wollten wir erreichen. Daß der
Funke aber so übergesprungen ist, war das beste, was uns
passieren konnte.
Gute Platte, gute Tour, gutes
Label - besser könnte es wohl kaum bleiben. Dennoch ist das
Ende der Richterskala noch lange nicht erreicht - denn die ist ja
ohnehin nach oben offen...
Es gibt Bands, die glauben, sie hätten
bereits den Punkt erreicht, an dem sie super gut sind. Wir wissen,
eben auch weil wir mit wirklich großen Bands unterwegs sind,
was noch zu tun ist. Wir sind also noch lange nicht an dem Punkt, an
dem wir sagen würden, daß es keinen Schritt mehr nach
vorne gibt. Man muß einfach offen sein, für jede Art von
Musik, für jede neue Idee, solange man sie mit den Zielen
vereinbaren kann, die man sich mit der Band gestellt hat. Wir sind
im Moment an einem Punkt, an den ich früher nicht einmal im
Traum gedacht hätte. Wir sind wirklich schon sehr, sehr weit.
Und auf Grund der Dinge, die gelaufen sind, ist ja auch abzusehen,
daß es noch weiter gehen kann. Das ist nicht einmal mehr
utopisch, sondern es muß jetzt einfach weiter gehen. Das
nächste Album muß gut werden. Die ersten Ideen haben wir
schon und wir vertrauen darauf, das weitere folgen. Wir müssen
wenigstens an The God Thing anknüpfen und mit
diesem Aushängeschild, daß wir mit Dream Theater auf Tour
waren, und daß die Tour gut war, wird es mit der nächsten
Platte noch einen Schritt nach vorn gehen.