Treasure Land:
Das nächste Tor wurde durchschritten
Interview
In der Literatur spricht
man oft davon, daß das zweite Buch entscheidet, ob ein Autor
wirklich talentiert ist oder nicht. Ob man diese Aussage so ohne
weiteres ins Rockgeschäft übertragen kann, sei mal
dahingestellt. Immerhin sagt der Zweitling: He, wir haben uns nicht
vor lauter Größenwahn aufgelöst. Und im Fall vom
Treasure Lands aktueller Scheibe Gateway ist man
auch noch wesentlich besser geworden. Und wenn das so ist, steht
einem kleinen Plausch nichts im Wege. Ich unterhielt mich mit
Gitarrist Jonas Hörnquist.
Es ist ja nicht unbedingt
jedermanns Sache, Musik mittels der Sprache zu beschreiben.
Interviews sind eine willkommene Gelegenheit, den Spieß
einfach umzudrehen. Man braucht nur zu fragen, worin unterscheidet
sich die neue CD vom Debüt, und schon hat man den schwarzen
Peter elegant abgegeben.
Zunächst einmal haben wir
mit Jakob Samuel einen neuen Sänger, das ist wohl die
wichtigste Veränderung. Ich glaube die neue CD ist etwas
einfacher zu hören. Ich bin auch mit dem Questions
zufrieden, mit dem Sound, mit dem Songs, wie wir sie umsetzen. Es
ist immer schwer mit dem Debüt, weil du noch keinen Namen hast.
Wir bekamen weltweit gute Reviews, wesentlich mehr, als ich erwartet
hatte. Im Internet habe ich gelesen, daß wir zu den fünf
besten Prog-Metal-Bands 1997 gezählt wurden. Allerdings denke
ich, die CD hätte durch Modern Music wesentlich besser promotet
werden können. Ich will hier nicht zuviel darüber reden,
hoffe aber, daß dies beim aktuellen Album besser wird.
Es ist natürlich schwer zu sagen, die nächste CD klingt so
oder so, denn letztlich gibt das Gefühl in dem Augenblick, in
dem ein Song entsteht, den Ausschlag. Ich glaube, die neue CD ist
geradliniger, natürlich ist Metal die Grundlage, neben den
progressiven Elementen. Einfach mehr Metal. Ich weiß, daß
einige dies vielleicht anders sehen.
Ich zum Beispiel. Für mich ist
Gateway ein extrem abwechslungsreiches Album geworden,
das dennoch kein Stückwerk darstellt. Wobei die stilistischen
Bocksprünge allerdings einem typischen Bandsound auch im Wege
stehen könnten.
Jeder Band möchte als Band
anerkannt werden. Jede Band sucht nach ganz bestimmten Merkmalen, an
denen man nur sie erkennt. Auch wenn Gateway natürlich
anders klingt als Questions, so hoffe ich dennoch, daß
die Leute uns wiedererkennen - an den Songstrukturen, an dem Einsatz
des Chorgesangs. Es gibt zwar eine Menge Bands, die ähnliche
Musik wie wir machen, aber schon wenn man die Chöre betrachtet,
dann sind es gar nicht mehr so viele. Das wir diesen Chorgesang so
lieben, liegt wahrscheinlich daran, daß wir alte Kiss-Fans
sind.
Was mich ja nun doch überrascht.
Treasure Land tapezieren sich weder die Gesichter wie ein Pandabär,
noch beschränken sie sich auf Drei-Akkord-Geschrammle.
Ja, das mit Kiss klingt ein wenig
sonderbar. Wenn du mich bitten würdest, irgendeinen Kiss-Song
aus den Siebzigern oder von mir aus auch irgendeinen überhaupt
zu spielen, ich könnte dir jeden vorspielen. Aber ich betrachte
Kiss nicht als eine Band, die mich beeinflußt hat, wenn ich
komponiere. Sie haben wirklich sehr simple Songstrukturen, sehr
simple Riffs, aber was ich im Hinterkopf behalte ist, daß die
Chöre Power haben müssen. Es gibt noch andere Bands, die
ich häufig höre. Deep Purple oder Rainbow, aber auch davon
hörst du nichts in unseren Songs. Ich mag auch Latin-Music,
oder Al Di Meola oder Klassik...
Kommen wir noch einmal auf den
Line-Up-Wechsel zurück.
Im letzten Jahr gab es ein
Gespräch über die Zukunft von Treasure Land, und ich
denke, Zenny war der Meinung, der Band einfach nicht mehr genug Zeit
widmen zu können. Er ist verheiratet und hat zwei kleine
Kinder. Er ist ja auch schon vierunddreißig. Jacob ist
allerdings auch schon dreißig.
Außerdem ist er blond, kann
aber trotzdem singen.
Ich kannte Jacob von früher
und mir gefiel seine Stimme. Ich habe mir über einen Freund
seine Telefonnummer besorgt. Wir haben dann eine Stunde geredet und
ich haben ihm von Treasure Land und unseren Zielen erzählt. Er
erklärte sich dann bereit, ein Demo-Tape für uns
aufzunehmen, weil ich doch so eine Art Vorsingen machen wollte. Er
sang dann drei neue Songs und einen alten, und wir fanden, daß
seine Stimme sehr gut zu unserer Musik passen würde. So baten
wir ihn, ein festes Mitglied unserer Band zu werden.
Betrachtet man die Songs auf
Gateway so fällt bereits beim Opener das völlig
überraschend einsetzende jazzige Zwischenspiel auf.
Das ist genau meine Auffassung
von Musik. Wenn ich Musik höre, dann kann ich nicht permanent
diesen straighten Metal hören. Double Bass Getrommel und ein
Sänger der die ganze Zeit in hohen Tonlagen herumschreit. Ich
mag diesen nur normalen Metal überhaupt nicht. Ich
habe es ganz gerne, den Hörer auch einmal zu schockieren. Heavy
immerzu ist viel zu langweilig. Ich bin mir absolut Klaren darüber,
daß viel Metal Fans bei dieser Jazz - Einlage sagen werden -
Was ist denn das für eine Scheiße? Aber das geht mir
ziemlich am Arsch vorbei. Ich schreibe Musik, wie ein Maler ein Bild
malt, dies ist meine Art, Bilder zu malen. Das beste am Musikmachen
ist doch, wenn du die Aufmerksamkeit der Hörer erreichst, wenn
du Reaktionen bekommst. Ich finde den Jazzpart ziemlich cool und ich
kenne keine Metal Band, die das in dieser drastischen Form schon mal
gemacht hätte. Und ich verspreche dir, dies wird nicht das
letzte Mal sein, daß ich die Hörer schocke.
Das instrumentale A Winters
Night ist zwar weniger ein Schock, als mehr Entspannung, mit
seiner Akustikgitarre pur aber nun auch nicht gerade das, was man
auf einer Metalscheibe erwartet.
A Winters Night ist
komplett im Studio entstanden. Wir hatten einige Schwierigkeiten. Im
Winter kann es in Schweden schon ziemlich kalt werden. Ich hatte
ziemlich hohes Fieber und hatte ziemlich die Nase voll. Ich sagte
dem Toningenieur, daß ich ein paar Stücke aufnehmen
wollte, die absolut nichts mit den übrigens Songs der CD zu tun
hatten. Der Song ist praktisch vollkommen improvisiert und spiegelte
genau die Gefühle in diesem Moment wieder. Sozusagen ein
kleiner Farbtupfer auf meinem Gemälde. Wenn ich ein Solo
aufnehme, dann muß es beim ersten oder zweiten Mal klappen.
Ich kann es nicht wieder und wieder tun, weil dann jegliches
spontane Gefühl verloren geht.
Mit Possessed hat man
einen weiteren Instrumentaltrack am Start. Knapp sieben Minuten wird
zunächst recht heftig herumgefrickelt, um erneut einen
akustischen Verschnaufer einzulegen. Danach gehts dann wieder so
richtig zur Sache.
Possessed stammt
schon aus dem Jahre 1990, als ich gemeinsam mit meinem Bruder ein
Instrumental-Tape aufnahm. Damals hieß der Song jedoch anders.
Ich habe ihn auf das Album genommen, weil ich der Meinung bin, daß
er auf Grund der klassischen Struktur genau dazu paßt. Und die
Reaktionen waren sehr gut.
Auch wenn das Cover von Gateway
sicher kaum jemand vom Hocker reißen dürfte, immerhin hat
man sich etwas dabei gedacht.
In bestimmter Weise kann man es
durchaus als Konzept betrachten, obwohl Gateway
natürlich kein Konzeptalbum im klassischen Sinne darstellt.
Sieh es einfach so, wenn du durch das Tor trittst, dann weißt
du noch nicht, was dich auf der anderen Seite erwartet. Es kann ein
Tor ins Weltall sein, ein Tor in eine Welt, in der sich die Leute
nicht gegenseitig umbringen. Es kann dich aber auch dahin bringen,
wohin du auch immer willst, daß es dich hinbringt.
Skandinavien hat zwar eine recht
imposante Metalszene, Prog-Metal scheint aber dort eher
unterrepräsentiert zu sein. Eine Aussage, die nicht so ganz auf
Gegenliebe stößt.
Irgendwie glauben die
Journalisten immer, in Schweden gäbe es nur diese
Death/Black-Metal Bands. Dabei haben wir auch einiges im Bereich
Progressive Metal zu bieten - Mayadome zum Beispiel.
Eine andere Band, mit der wir befreundet sind, sind Narnia,
die ja vor einigen Monaten ihr Debüt bei Nuclear Blast
veröffentlichten.
Wo wir schon mal bei Black und Death
sind, wäre das nicht eine prima Gelegenheit, sich ein paar
Feinde zu schaffen?
Ich werde mich jetzt hüten,
hier etwas falsches zu sagen, denn einige dieser Leute können
vielleicht sehr gefährlich werden, wenn sie sich beleidigt
fühlen. Ich stamme aus einer christlichen Familie und ich habe
erlebt, wieviel Freude es auch machen kann, ein Christ zu sein. Ich
habe in meiner Kindheit auf diesem Gebiet wirklich keinerlei
negative Erfahrungen gemacht. Meine Eltern haben mich zu nichts
gezwungen, von wegen jeden Abend vor dem zu Bett gehen zu beten oder
solche Sachen. Ich glaube nicht, daß es normal ist, in einem
Song davon zu singen, wie cool es doch ist, einem menschlichen Wesen
bei lebendigem Leibe die Haut abzuziehen. Es ist nicht normal, Blut
zu trinken. Ich mag diese Musik nicht, aber ich respektiere sie.
Wenn ich die Musik anderer nicht respektieren würde, dann würde
mit mir etwas nicht stimmen. Ich respektiere sie, das Problem ist
nur, sie respektieren nicht mich. Ich glaube, darauf basieren die
meisten Probleme der Menschheit, im Unvermögen, sich
gegenseitig zu respektieren.
Respekt wurde Treasure Land auch von
einer Seite gezollt, von der sie das nie zu hoffen wagten
Im letzten Sommer rief mich Mike
Varney an, und wollte die Lizenz für Treasure Land
für die Staaten kaufen. Das war, als ob ein Traum wahr werden
würde. Vor zehn Jahren habe ich mit unserem Bassisten
gescherzt, das eines Tages bestimmt Mike Varney anrufen würde,
um uns unter Vertrag zu nehmen. Viele der Künstler, die er
produziert hat, haben mein Gitarrenspiel stark beeinflußt. Ich
war total fertig, als er dann wirklich anrief.
Der Deal kam diesmal zwar noch nicht
zustande, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Lassen wir uns
überraschen, was passiert, wenn Treasure Land das nächste
Gateway durchschreiten....