Nachdem Psychedelicatessen mit Progressive
Rock - seien wir doch mal ehrlich - so viel ja nun nicht mehr zu tun
hatte, befürchteten viele das schlimmste. Zum Glück kam es
nicht dazu. Vor dem Konzert mit Enchant im Leipziger Anker fragte
Renald Mienert Gitarristen Karl Groom nach den Gründen.
Eine beliebte Frage in einem Interview ist die Frage nach dem
Bandnamen. Threshold steht für Schwelle
und da macht man sich ja schon mal ein paar hochtrabende Gedanken im
Vorfeld. Der Name könnte ja bedeuten, immer wieder neue Türen
zu öffnen, seine Möglichkeiten auszuloten und und und...
Wie so oft ist die Wahrheit eher ernüchternd.
Es ist verdammt lange her und wir waren damals noch ziemlich
jung, als Jon, unser Bassist, mit der Idee kam, diesen Namen zu
verwenden, nachdem wir über viele andere Namen diskutiert
hatten. Allerdings haben wir damals nicht an eine besondere
Bedeutung gedacht, wie du sie eben angesprochen hast. Threshold
klang einfach gut. Ich glaube, wenn man die Art Musik, die wir
machen genauer betrachtet, liegst du mit deiner Erklärung im
Nachhinein schon richtig, aber das ist wirklich purer Zufall. Nimm
doch nur mal eine Band wie Queen. Was soll uns dieser Name sagen? Es
ist nicht mehr als etwas, das man irgendwann automatisch mit der
Musik verbindet, die diese Band spielt.
Nach dem hochgelobten Debüt mit Wounded Land
war ja auf dem zweiten Album erst mal Schluß mit progressive.
Extinct Instinct klingt nun so, als hätte es
Psychedelicatessen nie gegeben.
Der Grund dafür, daß das zweite Album wesentlich
straighter ausfiel, war wohl der Einfluß von Glynn. Ich kann
nicht sagen, das war richtig oder falsch. Er macht jetzt sein
eigenes Ding mit Mindfeet, wo er sich voll seiner Art von Musik
widmen kann. Wir wollten auf die progressiven Elemente nicht
verzichten, so war es nicht mehr möglich, einen Kompromiß
zu finden und wir trennten uns. Einige meiner Lieblingssongs sind
zwar auch auf Psychedelicatessen, aber eigentlich ist
Extinct Instinct die musikalische Fortsetzung von
Wounded Land. Ich mag es, wenn ein Album
abwechslungsreich ist. Ich glaube, man kann sich kein Album anhören,
das vom ersten bis zum letzten Titel nur typischen Heavy Metal
bietet. Die meisten Leute hören dann nur die ersten paar Songs
und kommen nie beim letzten Track an. Wenn du aber eine CD machst,
in der man einen bestimmten Fluß vom Anfang bis zum Ende
erkennen kann, und alles eine Bedeutung hat - besonders die
Reihenfolge der Songs ist sehr wichtig - dann kann man dieses Album
auch als Ganzes betrachten und wird es auch längere Zeit im
Hinterkopf behalten.
Die Wechsel im Line-Up habt ihr ja locker weggesteckt.
Nun, so gravierend, wie es auf den ersten Blick aussieht,
waren diese Wechsel ja gar nicht. Mit Damian Wilson haben wir
bereits auf Wounded Land zusammen gearbeitet. Wir sind
wirklich sehr froh, ihn wieder dabei zu haben. Damian war ebenfalls
am Songwriting beteiligt und die Atmosphäre in der Band war
sehr gut. Der andere Wechsel betrifft eigentlich nur den Drummer,
und der hat nichts mit dem Songwriting zu tun, aus kompositorischer
Sicht ist es also praktisch die gleiche Band. Es gibt nur zwei
Schwierigkeiten, wenn du eine Band gründen willst: Finde einen
Namen und finde einen Drummer. Mittlerweile arbeiten wir bereits mit
dem fünften.
Nach dem zweiten Album gab es diese Live-Mini-CD. War das nicht ein
bißchen früh? Manche Leute könnten euch Geldgier
vorwerfen.
Nun, es war die Zeit als wir einen neuen Sänger und mal
wieder einen neuen Drummer hatten, und wir versuchten sie in der
Band zu etablieren. Wir hatten die Möglichkeit das
Live-Material aufzunehmen und in relativ kurzer Zeit zu
veröffentlichen. Die CD ist ja auch recht preisgünstig,
und ich glaube nicht, daß wir viel Geld mit ihr verdient
haben. Wir betrachten sie mehr als eine Art Promotion-CD, um auch
das damals neue Line-UP den Leuten näher zu bringen und ihnen
die Chance zu geben, die Band kennen zu lernen. Das waren die
eigentlichen Gründe für diese CD, Profit hat damit
wirklich nichts zu tun.
Nochmal ein paar Worte zu Damian Wilson, der ja als neuer alter
Frontmann wieder bei Threshold eingestiegen ist, wie du
schon sagtest. Sozusagen die Rückkehr des verlorenen Sohnes.
Für Euch ist das sicher ein Glücksfall, er hätte ja
um ein Haar einen Job bei Iron Maiden gefunden.
Ja, es kamen wohl zwei Leute in die Endauswahl, und der
andere hat letztlich den Job gekriegt, aber das war nicht wirklich
der Grund, daß er uns zwischenzeitlich verließ. Er war
noch vertraglich an Lasalle gebunden. Es war eine Menge Geld im
Spiel, und er hatte keine Chance auszusteigen. Nun, das
Lasalle-Album ist nie erschienen, und als er wieder frei war, kam er
zu uns zurück. Lasalle war ja ein Kunstprodukt. Die Songs waren
schon fertig, bevor das Line-Up stand. Natürlich war es eine
Chance für Damian und man kann ihm daraus keinen Vorwurf
machen. Als er diesen Vertrag unterschrieb, war ja das erste Album
noch nicht einmal veröffentlicht. Keiner wußte, was
passieren würde. Vielleicht würden wir nur fünfhundert
Exemplare verkaufen, vielleicht überhaupt keines.
Wenn du die Chance hättest, bei einem wirklichen Top-Act
einzusteigen, müßtest aber musikalische Zugeständnisse
machen. Was würdest du tun?
Ich wäre wohl ziemlich frustriert, denn ich mag nun mal
genau die Musik, die wir jetzt spielen. Wir investieren eine Menge
Zeit in Threshold um unsere eigene Musik zu kreieren. Und ich denke,
was wir machen, unterscheidet sich auch von dem, was die meisten
anderen Heavy-Bands abliefern. Es gibt so viele Bands, die
straighten Heavy Metal spielen, daß es kaum möglich ist,
zu erkennen wer ist denn nun wer. Wir wollen nicht dieser breiten
Masse folgen, wir wollen unseren eigenen Weg gehen und sind auch
bereit, die Konsequenzen zu tragen. Und von jedem, der diesen
Gedanken nicht mit trägt, werden wir uns trennen, egal ob von
einem Bandmitglied oder der Plattenfirma. Von Anfang an stand diese
sehr starke Idee hinter unserer Musik und wir werden sie umsetzen.
Einige Leute mögen damit nicht einverstanden sein, aber so
liegen die Dinge nun mal.
Was mir am neuen Album am besten gefällt, ist eure
Fähigkeit, komplexe Songs zu bieten, die dennoch überschaubar
bleiben.
Nun, wir mögen es natürlich, gute Techniker zu
sein, aber im Vordergrund steht der Song, die Melodie. Wenn wir
etwas schnell und vertrackt spielen, dann weil es Teil eines Songs
ist und nicht um zu zeigen, was wir können.
Wenn ihr live spielt. legt ihr eigentlich großen Wert
darauf, als Headliner zu agieren?
Es ist mir egal, ob wir Support sind oder Headliner. Aber es
muß von Anfang an feststehen. Ich hasse diese Tourneen, wo man
sagt, heute bist du Support und morgen ich. Das führt
zwangsläufig zu Reibungen innerhalb der Bands. Eines hasse ich
allerdings noch mehr: Im Bus zu sitzen, aus dem Fenster zu glotzen
und darauf zu warten, daß du irgendwo ankommst.
Du bist eine der meist beschäftigten Personen in der
Prog-Szene. Welches Projekt oder welche Band favorisierst du?
Im Vordergrund für mich steht eindeutig Threshold.
Wir machen viele andere Dinge, du kennst sicher solche Namen wie
Geoff Mann, Casino, Mercy Train, Shadowland. Aber das einzige, zu
dem ich immer wieder zurückkomme ist Threshold. Es
sind viele solche einmaligen Geschichten, wo wir uns auch nicht als
fest engagiert betrachten. Meine Frau ist Sängerin und sie wird
im Herbst eine CD veröffentlichen, für die wir auch Musik
beigesteuert haben. Es wird eine neue Live-CD geben von Pendragon,
in Polen mitgeschnitten und auch ein Video. Alle diese verschiedenen
Aspekte sind Teil einer sehr interessanten künstlerischen
Karriere. Im Progressive Rock kannst du nicht deine gesamte Zeit nur
einer einzigen Band widmen, das würde bedeuten, du hättest
ziemlich oft im Jahr nichts zu tun.
Ihr wart Platte des Monats im Rock Hard. Legst du
eigentlich großen Wert auf die Meinung von Kritikern oder
interessiert dich so etwas nicht?
Natürlich! Wenn dir jemand am morgen sagt, du siehst
heute aber wieder Scheiße aus - dann fühlst du dich auch
so. Sagt man aber, man bist du heute wieder gut drauf, geht es dir
gleich besser. Mit Previews ist es im Prinzip das gleiche. Du kannst
zehn Millionen Platten verkaufen, und dann kommt einer und sagt, man
was habt ihr da für einen Mist verzapft - das ärgert dich.
Wenn andererseits natürlich jemand sagt, das war das beste
Album des Monats, dann freut dich das natürlich. Besonders wenn
es das größte Musik-Magazin Deutschlands ist. Hoffentlich
halten wir das Niveau von Extinct Instinct auch mit den
nächsten Alben. Wir haben sehr intensiv an den Arrangements
gebastelt und wirklich abgewägt, ob ein Song auf das Album
kommt oder nicht. Es kann sein, daß ein Song an sich gut genug
für eine Veröffentlichung wäre, aber nicht mit den
übrigen Songs harmoniert - dann nehmen wir ihn nicht. Wir sind
froh, daß manche Leute diese Sorgfalt offensichtlich bemerkt
haben.
Wie sieht es bei euch mit den Texten aus?
Jon schreibt die Texte, in der Regel über Dinge, die ihm
wirklich passiert sind. Er notiert die Dinge in einem Buch. Dann
entscheidet er, dieser Text könnte zu dieser Musik passen,
vielleicht mit kleinen Änderungen. Manchmal suggeriert ihm auch
die Musik einen kompletten neuen Text, aber den muß er dann in
einem Schritt fertigstellen. Wenn er zwischendurch aufhört,
dann funktioniert es nicht.
Eine Prog-Band kann in der Szene noch so beliebt sein, die
breite Masse wird nur selten von ihr Notiz nehmen. Ihr habt ja in
England immerhin Airplay gehabt.
Es gibt da einen DJ in einem nationalen Radiosender in
England - Virgin Radio. Dem hat unsere Musik so gut gefallen, daß
er in seiner wöchentlichen Radioshow alle Alben vorgestellt
hat. Und in dieser Gegend haben wir dann auch einige CDs
verkauft. Aber die meisten Sachen verkaufen wir in Europa, in
Deutschland und in Holland. Die Deutschen lieben wohl mehr die
härteren Stücke, die Holländer das Progressive. In
Japan verkaufst du unmittelbar nach der Veröffentlichung einer
Scheibe ein paar Tausend CDs und dann plötzlich gar
nichts mehr. In den Staaten haben wir jetzt einen Deal mit
Avalanche. Jons Vater war ziemlich überrascht als er
unsere Platten in New York am Time Square im Laden fand. Dies ist
ein völlig neuer Markt für uns, bisher haben wir dort auch
noch nie live gespielt. Warten wir ab.