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Theatre of Tragedy: Alles andere als eine Tragödie

DURP - eZine from the progressive ocean

Interview


Nach dem überaus erfolgreichen zweiten Studio-Album „Velvet Darkness They Fear“ bedankten sich die norwegischen Gothic-Metaller bei ihren Fans mit der Mini-CD „A Rose For The Dead“. Renald Mienert unterhielt sich mit Drummer Hein Frode Hansen.

Die Kritiker fanden euer zweites Album ja gar nicht so toll...

Für die Band ist es wichtiger, daß die Fans die Alben mögen und natürlich auch kaufen. Kritiker haben immer die Tendenz, dir ein Etikett zu verpassen: Diese Band klingt genau wie die, die wie die und so weiter. Ich glaube, besonders die deutschen Magazine waren häufig der Meinung, unser zweites Album klang zu sehr nach dem Debüt, es gab keinen Fortschritt. Wir sind damit natürlich so nicht einverstanden. Ich denke, es gibt eine natürliche Entwicklung. Mehr Uptempo - Nummern, verschiedene musikalische Einflüsse - Gothic, Klassik, Musik mit viel Atmosphäre. Wir haben bisher 45.000 Alben verkauft, die meisten davon in Deutschland. Besonders viel scheinen die Leute also nicht von der Meinung der Journalisten zu halten.

Man sollte das mit der Entwicklung wohl auch nicht so eng sehen. Macht eine Band jahrelang die gleiche Musik, wirft man ihr Langeweile vor, fabriziert sie stilistische Bocksprünge, dann hat sie keine musikalische Identität. Eine ziemliche Gratwanderung also.

Natürlich wollen wir uns weiterentwickeln, wollen besser werden. Aber wir müssen natürlich auch aufpassen, daß wir uns von unserem typischen Stil nicht zu weit entfernen. Dann sagen die Leute, das ist nicht mehr wie früher und wenden sich deshalb von uns ab.

Ihr seid sieben Leute in der Band. Da muß es doch ständig Diskussionen geben.

Da hast du verdammt recht. Einen Theatre of Tragedy - Song zu schreiben kann manchmal ein sehr langer Prozeß sein. Wir haben eine Abmachung in der Band - jeder muß mit einem Song einverstanden sein, bevor wir ihn aufnehmen. Manchmal werden wir uns sehr schnell einig, von mir aus in nur einer Probe. Es hat aber auch schon sechs Monate gedauert, bis jeder einverstanden war. Danach war aber auch jeder der Meinung, dies sei nun einer der besten Songs, den wir bisher geschrieben hatten. Ein weiterer Vorteil einer großen Band besteht aber auch einfach darin, daß wir bedingt durch unsere eigenen Hörgewohnheiten sehr viel verschiedene musikalische Einflüsse in unseren Sound einbringen und ihn so interessanter machen.

Ihr verwendet in einem Song einen Dialog aus einem alten Vincent Price - Film. Wie kamt ihr auf diese Idee?

Es war meine Idee. Es sollte so eine Art Samples werden. Es hat mir schon immer gefallen, wenn andere Bands solche Effekte einsetzten. Diese Samples werden meist zu EBM oder Techno eingesetzt, ich wollte es mehr zu handgemachter Musik machen. Außerdem arbeiten wir ja auch sehr stark mit diesem Gegensatz zwischen männlicher und weiblicher Stimme, da paßt natürlich dieser Dialog aus „Die Maske des roten Todes“. Ich habe den Dialog einfach von meinem Videorecorder aufgenommen.

Magst du diese alten B-Movies mit Vincent Price? Gerade diese Edgar Allan Poe - Verfilmungen von Roger Corman haben heute ja Kultstatus.

Ich mag Vincent Price. Leider habe ich nicht allzuviel von ihm gesehen. Die Videos sind in Norwegen schwer zu bekommen. So muß ich sie in der Regel in England kaufen, was nicht ganz billig ist.

Selbst wenn mir eure Musik nicht gefallen würde. „Velvet Darkness They Fear“ hätte ich mir schon wegen des Covers gekauft.

Nach dem Mädchen auf dem Cover werden wir sehr oft gefragt, natürlich in der Regel von unseren männlichen Fans. Es handelt sich bei dem Mädchen um die Freundin des Fotografen. Er wollte ursprünglich mit einem anderen Model arbeiten, aber das hat nicht geklappt. Also sprang seine Freundin ein, ich denke, das ist auch der Grund, daß man ihr Gesicht nicht sieht.

Der Name der Band steht ja nun in ziemlich krassem Gegensatz zu eurem Erfolg. Von einer Tragödie kann man da wohl nicht mehr sprechen.

Der Bandname resultiert aus einem unserer Texte. Eine Zeile in einem älteren Song von uns lautete, das Leben ist ein Theater der Tragödien. Das Leben ist hauptsächlich wie ein Theaterstück, du lebst und bist gleichzeitig ein Darsteller - du zeigst deine Gefühle, deine Zorn, dein alltägliches Leben. Du hast die erste Freundin, den ersten Liebeskummer, Erfolge und Niederlagen, eine Menge verschiedene Dinge, Liebe und Haß. Und am Ende steht immer der Tod - das tragische Ende.

Würdest du euch als kommerziell bezeichnen?

Ich bin mit dem Begriff kommerziell nicht so glücklich. Kommerziell erfolgreich sein bedeutet, daß deine Platten sich verkaufen, nicht zwangsläufig, daß sie schlecht sind. Bands wie Depeche Mode oder The Cure haben immer ihr eigenes Ding gemacht und waren trotzdem sehr erfolgreich. Als Depeche Mode anfingen, waren sie ziemlich derben Kritiken ausgesetzt, über die Art und Weise, wie sie ihre Keys einsetzten, aber sie haben sich entwickelt und sind eine wirklich gute Band geworden. Ähnlich war es bei The Cure. Die Bands wurden nicht unbedingt kommerzieller, der Markt hat sich gewandelt, diese Art von Musik wurde plötzlich akzeptiert.

Typisch für euren Sound sind die gegensätzlichen Gesangsstile von Raymond und seinen Growls auf der einen Seite und Liv’s Gesang auf der anderen.

Es begann als Beauty and Beast - Konzept, dieser Gegensatz in der Musik zwischen Aggressivität und Harmonie ließ sich so besonders gut darstellen. Es steht aber auch für solche Kontraste wie Himmel und Hölle, Liebe und Haß, Licht und Dunkel, Schönheit und Häßlichkeit - es ist so eine Art Ying und Yang. Dunkel kann nicht ohne Licht existieren. Aber gegenwärtig erweitern wir dieses Konzept. Wir arbeiten mehr mit cleanem Gesang. So gibt es auf der Mini CD einen Song, der völlig ohne Growls auskommt, und auch ohne Liv. Es handelt sich um ein Joy Divison Cover. Auch von Livs Seite gab es einige Neuerungen - gesprochene und geflüsterte Parts, klassischer Gesang. Raymond ist nicht mehr immer nur der aggressive Mann, Liv nicht immer nur die schwache Frau. Kein Mensch ist nur gut oder nur böse, in jedem steckt beides. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, da ist auch jede Menge Grau. Selbst ein Priester hat eine dunkle Seite, ein Massenmörder eine gute.

Mit „Der Spiegel“ und „Tanz der Schatten“ gibt es auch Songs mit deutschen Texten.

Es war allerdings nicht unbedingt als Dankeschön geplant. Raymond hörte damals eine Menge deutscher Dark Wave, mit deutschen Texten. Es gefiel uns und wir beschlossen, mit deutschen Texten zu experimentieren. Tilo Wolf hat dann einige Korrekturen vorgenommen. Aber natürlich dachten wir auch, das wäre eine gelungene Überraschung für die deutschen Fans. Allerdings gab es wohl einige Beschwerden von Fans außerhalb Deutschlands, die mit dem Text von „Tanz der Schatten“ nichts anfangen konnten. So haben wir noch die englische Version aufgenommen.

Ihr wart auch live sehr aktiv. Gab es ein besonderes Erlebnis?

Als wir nach dem Konzert in Saarbrücken versuchten, unter die Dusche zu kommen, da war das unmöglich. Die Fans kamen angerannt und wollten Autogramme und diese Sachen. Wir hatten keine Ahnung, daß wir hier so populär waren. In Norwegen sind wir nicht gerade Rock’n’Roll - Stars. In unseres Heimatstadt kennt uns praktisch kein Mensch. Da war es schon ziemlich strange, als wir hier so belagert wurden. Aber es war natürlich auch ein sehr schönes Gefühl zu erfahren, daß die Leute unsere Musik lieben.

Wenn es live so gut läuft, stellt sich ja zwangsläufig die Frage nach einem Live-Album.

Es gibt im Augenblick keine konkreten Pläne diesbezüglich. Wenn wir so etwas machen, dann muß es etwas besonders sein - vielleicht rein akustisch oder nur elektronisch. Wir halten nichts davon, eine Live - Platte aufzunehmen, mit der der Fan nur die Songs in der gleichen Weise bekommt. wie er sie schon auf den Studioalben hat - zudem in besserer Qualität.

Abschließend eine meiner Lieblingsfragen bei Bands aus dem Düster-Rock - die Frage nach dem Verhältnis zur christlichen Religion. Es scheint in diesen Kreisen ja recht populär zu sein, alle Christen für Idioten zu halten.

Ich halte es generell für verkehrt, jemanden wegen seines Glaubens einen Idioten zu nennen. Ich glaube aber, diese organisierte Religion ist nicht unbedingt besonders vorteilhaft. Ich weiß, daß Religion viele gute Dinge bewirken kann, sie ist aber auch für sehr viel Unheil verantwortlich. Ob es jetzt ein Geistlicher ist oder ein Politiker - sie sagen den Leuten, das ist richtig und das ist falsch, und ich glaube, diese Frage sollte jeder für sich beantworten. In der christlichen Religion geht man davon aus, daß ein Mensch bereits böse geboren werden kann. Ich halte dies für falsch. Ich glaube, seine Umwelt macht ihn zu dem, was er später darstellt.



© Renald Mienert
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