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Saga: Der Kreis hat sich geschlossen

DURP - eZine from the progressive ocean

Interview

Mit „Full Circle" haben SAGA eindrucksvoll zu alter Stärke zurückgefunden. Das Album schafft den Drahtseilakt, einerseits „wie in der guten alten Zeit" zu klingen, ist andererseits aber alles andere, als nur eine bloße Selbstkopie. Renald Mienert unterhielt sich mit Michael Sadler.

Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu dem neuen Album. Immerhin seid ihr damit „Platte des Monats" im Empire geworden.

Tatsächlich? Nun, das ist ein wunderbares Kompliment für uns. Alles was wir tun können, alles was Künstler generell tun können, ist, etwas zu erschaffen. Und natürlich hofft jeder, daß es den Leuten genauso gefällt, wie wir es genossen haben, diese Dinge zu kreieren. Wir lieben unsere Musik, und wenn es auch bei den Kritikern so ankommt und sie ihre Kommentare in dieser Form geben, dann sind wir natürlich sehr froh darüber.

Mit dem neuen Album schließt ihr stilistisch an die großen Erfolge eurer Karriere an. War das so kalkuliert?

Wir hatten nicht von vornherein die Absicht, ein solches Album zu machen. Aber wie der Titel „Full Circle" ja auch andeutet, hat sich für uns in gewisser Weise ein Kreis geschlossen. Wir haben mit einem bestimmten Stil begonnen, dann gab es diverse Veränderungen, wir haben dieses und jenes ausprobiert. Wir haben gesagt, laßt uns an die Platte herangehen wie früher. Kümmern wir uns nicht um irgendwelche äußeren Einflüsse oder was irgendwer vorschlägt, laßt uns einfach ein Platte machen, bei der wir uns gut fühlen, die gut klingt - nichts weiter. Und jetzt kommen Leute und sagen „Danke". Und ich frage: „Wofür?" „Daß ihr endlich wieder SAGA-Musik macht." Wir haben über nichts groß nachgedacht. Wir wollten uns auch nicht lange mit der Produktion aufhalten - finde gute Songs, nimm sie auf - mehr nicht.

Ich bin mir sicher, die breite Masse der SAGA-Fans werden „Full Circle" lieben. Aber es wird auch Stimmen geben, die euch den im Prog-Bereich so oft diskutierten Schritt zurück vorwerfen, ohne jegliche Weiterentwicklung.

Aber genau das haben wir gemacht - wir haben uns weiterentwickelt. Ich komme da noch einmal auf den Titel des Albums zurück. Wir haben uns weiter bewegt, und kommen in bestimmten Punkten wieder bei den Ursprüngen an. Es geht nicht darum, besorgt zu sein, um das Album nun unbedingt progressive ist oder nicht. Wir haben uns entwickelt, haben Sachen probiert und nun gibt es eine neuen Generation von Leuten, die empfinden das neue Album sicher als sehr progressiv. Wie machen seit zweiundzwanzig Jahren Musik und ich kümmere mich auch nicht mehr darum, was zum Beispiel die Label sagen. Wenn ein Album fertig ist, dann kommt es nicht darauf an, was irgendwelche Leute sagen. Was wirklich zählt ist, daß man selbst, daß die Band zufrieden ist. Und natürlich das Publikum.

Wie verlief denn der Entstehungsprozeß von „Full Circle"?

Früher saßen einfach fünf Leute in einem Raum, zunächst ohne irgendeine Idee zu haben. Es war wirklich oft ein sehr langwieriger Prozess. Beim aktuellen Album betrug die reine Aufnahmezeit lediglich fünf Wochen. Ich lebe in Deutschland, Jim in Los Angeles, die anderen drei in Kanada. Drei Monate bevor wir ins Studio gingen, begannen wir Songs zu schreiben Dann trafen wir uns in LA und hörten uns die Sachen an, jedes einzelne Stück. Dabei spielte es überhaupt keine Rolle, von wem welche Idee kam. Wir wollten zehn Songs auswählen, die sowohl einzeln gut klingen, aber auch als CD funktionieren würden. Dann folgten die Arrangements und dann ging es sehr schnell. Das eigentliche Aufnehmen muß nicht so furchtbar lange dauern.

Nicht nur musikalisch schließt sich ja mit „Full Circle" der Kreis. Es gibt auch wieder die lang ersehnten nächsten Chapter.....

Wie schon früher erscheinen sie auch dieses Mal nicht in der richtigen Reihenfolge. Auf den beiden nächsten Alben werden weitere Chapter folgen. Wenn wir bei Kapitel 16 angekommen sind, ist die Story abgeschlossen. Danach gibt es zwei Pläne: Wir werden alle sechzehn Chapter als Doppel-CD veröffentlichen, denen aber auch über ein anderes Projekt nach, vielleicht eine interaktive CD - ROM, vielleicht ein Trickfilm, vielleicht ein richtiger Film. Das steht noch nicht fest. Dann werden die Leute auch endgültig über die Story an sich Bescheid wissen.

Und auch was das Logo und das Artwork angeht, knüpft ihr an die vergangenen Zeiten an. Ist das so eine Art Geschenk an die Fans? Die Leute mögen ja diese Sachen - Artwork im gleichen Stil, gleiches Logo...

Nicht nur die Fans lieben das, auch die Band tut es. Ich fühle mich bei der neuen CD, als hätte es so eine Art Renaissance von SAGA gegeben. Und das gilt gegenwärtig auch in gewissem Umfang für die Rockszene, wenn auch nicht so stark. Aber du hörst auch mal wieder Rockmusik im Radio. Das ist ein gutes Zeichen, ich meine, man hört wieder menschliche Wesen, die auf richtigen Instrumenten spielen. Nicht mehr nur die Maschinen spielen. Es ist wie eine Wiedergeburt.

Vor dem neuen Studio-Album gab es mit De Tours eure zweite Live-Veröffentlichung. In Transit war ja fünfzehn Jahre zuvor erschienen. Ist Live zu spielen heute anders als früher?

Es hat sich nicht viel geändert. Ich meine, live spielen ist live spielen. Du geht's nicht auf die Bühne und sagst, heute muß alles perfekt klingen, heute wird ein Live-Album mitgeschnitten. Darauf kommt es nicht an, wenn man live spielt. Wenn du tourst und Abend für Abend klingt alles absolut genauso, wie es die Leute von CD kennen, wozu dann überhaupt live spielen? Und wenn du einen Fehler machst, na und? Menschen machen nun mal Fehler. Ich mag keine Overdubs. Es ist in Ordnung, wenn du auf einem Live-Album die besten Aufnahmen von verschiedenen Gigs einer Tour mischt. Es ist auch OK, wenn du ein wenig schummelst, was den Applaus betrifft, wenn das Publikum an manchen Tagen eben besser drauf war. Aber man sollte nie etwas am Sound der Band verändern. Die Songs müssen so auf CD gepresst werden, wie sie auch wirklich gespielt wurden.

Ich hatte ja schon Anfangs erwähnt, daß ihr Platte des Monats im Empire wart. Aber ihr wart ja nicht immer die Lieblinge der Kritiker. Welche Aussagen seitens der Journalisten haben dich am meisten geärgert?

Was mich wirklich gestört hat, war der Ausdruck Dinosaurier. „Diese Dinosaurierband meldet sich zurück bla bla..." Das bezog sich aber nicht auf die neue Platte, sondern ist schon ein paar Jahre her, als das Wort gerade wieder modern wurde. Ich habe mir gedacht, komm mal zu unserer Show, dann werden dir die Dinosaurier schon zeigen, was sie noch draufhaben.

Du bist jetzt über zwanzig Jahre im Geschäft. Da macht man sicher auch Fehler, oder Kompromisse, einfach falsche Entscheidungen....

Natürlich habe ich auch Kompromisse geschlossen, genau wie die ganze Band. Aber ich bereue nichts, weil ich nicht glaube, daß dies einen Sinn macht. Jeder Mensch muß sein ganzes Leben lang Entscheidungen treffen, und dann stellt sich heraus, manche waren richtig, andere falsch. Wir leben nun mal nicht im Paradies, und man lernt schließlich vor allem aus Fehlern. Sag einem Kind, es soll nicht mit Feuer spielen, weil es sich verbrennen würde. Das Kind macht es trotzdem. Aber es macht es kein zweites Mal. Lerne aus Fehlern, entwickle dich weiter und lächle, wenn du aufwachst. Wenn du das nicht kannst, dann ist irgendwas falsch.

Du arbeitest ja schon seit einer Weile an deinem Soloprojekt. Wann können wir damit rechnen?

Da gibt es nicht viel zu sagen. Ich bin noch nicht fertig. Es ist ja auch nicht mehr als ein Hobby. Drei oder vier Songs sind fertig, vielleicht kommt es im Jahr 2000. Ich arbeite mit Gastmusiker und ich habe natürlich keinerlei Einschränkungen, wenn ich einen Countrysong will, dann mache ich es. Natürlich wird es auch gewisse Ähnlichkeiten zu SAGA geben. Ich bin die Stimme von SAGA, da ist das unvermeidlich.

Eine letzte Frage. Wo siehst du eigentlich noch neue Herausforderungen?

Ich sehe jeden Tag Herausforderungen, ich liebe sie. Sie halten dich am leben.


© 12/1999 Renald Mienert
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