Die Band aus Hannover konnte mit
ihrer Mischung aus Melodic Metal und Bombast nicht nur traditionelle
Metal-Fans begeistern, sondern auch M.J.-Mitarbeiter Renald Mienert.
Der stellte Sänger Jan Barnett einige Fragen, kurz bevor die
Band für die Aufnahmen für das vierte Album ins Studio
ging.
Als ich das letzte Album Circle
of pain...Or the secret lies of timekeeping in den Händen
hielt, fiel mein Blick natürlich sofort auf diesen Queen
goes Metal - Sticker. O Gott, dachte ich, bleibt uns denn gar
nichts erspart - jetzt also auch noch eine Queen - Kopie.
Diesen Sticker wollten wir gar
nicht! Das Problem ist, daß wir tatsächlich recht oft mit
Queen verglichen werden, was wohl vor allem am Klavier liegt. Die
Idee kam von der Plattenfirma, und wir wußten überhaupt
nicht, daß das Teil auf die Cover der ersten Pressung drauf
gekommen ist. Wir fanden das aber ziemlich fürchterlich. Wir
sind alle große Queen-Fans gewesen und sind es auch heute
noch, aber ich will mich mit Queen gar nicht vergleichen. Queen war
eine göttliche Band und so eine Aussage ist schon ziemlich
anmaßend. Auf der zweiten Pressung war der Sticker ja dann
auch verschwunden.
So schlimm ist es dann ja
musikalisch glücklicherweise auch nicht gekommen. Und es gibt
ja wohl schlimmere Dinge, die ein Label vermasseln kann. Ihr könnt
davon ja ein Lied singen. Dabei fing es doch eigentlich bestens an.
Immerhin erschien euer Debüt auf einem Major...
Nun, der Deal kam so 1990-91
zustande, zu einer Zeit, als die Major zwar noch dabei waren, einige
Heavy-Bands einzukaufen, aber kaum noch etwas für sie zu tun.
Wir haben damals mit Stefan Kaufmann von ACCEPT die erste Platte
produziert und die Gaby, die damals ACCEPT gemanagt hat, hat dann im
Endeffekt auch uns gemanagt und so sind wir bei RCA gelandet.
Allerdings waren wir dort eher unzufrieden. Das zweite Album sollte
entweder nach ACCEPT klingen oder nach den SCORPIONS - das konnten
und wollten wir auch gar nicht. Als wir dann mit den Songs ankamen,
hieß es, das müßt ihr aber so und so machen. Aber
wir sind Leute, die sich in fast gar nichts reinreden lassen, und so
kam es zu der Trennung. RCA hin und her - die haben ja so viele
Bands, da hat man sich um uns ja fast gar nicht gekümmert.
PR-mäßig kam ja überhaupt nichts raus. Gerade als
neue Band mußt du natürlich gefeatuert werden.
Aber davon konnte ja auch bei
eurem zweiten Label nicht die Rede sein. Im Gegenteil, bei Mausoleum
wurde alles eher noch schlimmer!
Also das war ja nun der größte
Hammer! Das ist ja nun die größte Schundfirma überhaupt
gewesen! Ich weiß gar nicht, von wo das ganze Ding überhaupt
kommt. Mausoleum war damals eine richtige Hardrockfirma, der Name
ist ja eigentlich sehr alt. Die waren also früher schon recht
gut unterwegs gewesen. Wir hatten zwar bei dem alten Label die Demos
gemacht , wobei sechs Stücke schon plattenreif waren, standen
aber praktisch ohne Deal da. Die letzten Songs haben wir dann in
Hannover aufgenommen und haben die Sachen bei CMM vorgelegt.
Kümmert euch mal!, haben wir gesagt. In Japan hat
es dann mit JVC geklappt und hier eben bei Mausoleum. Die waren zu
dem Zeitpunkt schon wieder richtig am laufen. Im Endeffekt haben sie
eine fertige Platte eingekauft. Es war alles recht fix gelaufen: der
Vertrag, die Tour als Support für Helloween und wir dachten
schon, das läuft ja alles wunderbar, das könnte ja
wirklich klappen, und plötzlich war Mausoleum pleite oder sie
haben die Knete sonstwohin verschoben.
Abgesehen von der Sache mit dem
Sticker, läuft es doch bei Massacre jetzt ganz gut.
Das stimmt. PR-mäßig
lief eine ganze Menge. Es gab haufenweise Interviews, die
Besprechungen waren auch zufriedenstellend und sie haben auch einige
Knete für Anzeigen und so rausgeschmissen.
Eine andere Sache lief weniger
gut. So ist euch ja ein recht lukratives Konzert geplatzt. Wobei ihr
musikalisch für meine Begriffe kaum zu einer Band wie W.A.S.P.
paßt.
Das Konzert wäre in Bremen
gewesen. Und W.A.S.P. sind uns eigentlich ziemlich egal. Aber VIVA
war halt dort, und da hatten wir schon gesagt, also das nehmen wir
mit. Leider hat uns unser damaliger Gitarrist Andreas zwei Tage
vorher gesagt, daß er doch keine Lust mehr hat, und hat uns im
Regen stehen lassen. Wir haben sogar noch versucht, ihm Extra-Knete
anzubieten, aber es hat nicht funktioniert. Er war sowieso ein
komischer Typ und war ja eigentlich auch nur ein Jahr in der Band.
Womit wir beim aktuellen Line Up
wären. Es gab ja noch einen Wechsel. Neben dem Gitaristen habt
ihr euch auch von eurem Drummer trennen müssen.
Unser Ex-Drummer Herbert will
Lehrer werden und hat nun fertig studiert, muß sein
Referendariat machen, zwei Jahre, und hat einfach keine Zeit auf
Tour zu gehen. Unsere Gigs sind häufig solche Schnellschüsse.
Da heißt es, du kannst da und da aufspringen, und dann muß
man auch aufspringen können. Das ginge dann halt nicht mehr.
Wir wußten, das Ferdys Bruder Kurt als Drummer in einer Band
gespielt hatte und gerade am suchen war. Und der hat dann Nils
Wunderlich mitgebracht, den neuen Gitarristen, mit dem er vorher
bereits zusammen gespielt hatte.
Neue Besen kehren gut, das
scheint auch im Heavy Metal zu gelten.
Ich finde die Line-Up-Wechsel
wirklich gut. Das hat ein bißchen frisches Blut gebracht und
Nils ist auf jeden Fall viel geiler auf der Gitarre als Andreas.
Andreas ist nicht der Rhythmiker gewesen und ich komm ja auch von
der Gitarre und riffmäßig hat es immer nicht so geklappt.
Ich hätte euch für das
letzte Album ja fast ein sehr gut gegeben, wäre da
nicht dieser verkorkste letzte Song. Ich lese das Booklet, zehn
Minuten, instrumental - man dachte ich, muß das eine geile
Nummer sein. Wars dann aber nicht. Ich vermute mal, irgendeine
andere Nummer von euch, einfach nur zu langsam abgespielt. Nun aber
mal raus mit der Sprache - habe ich recht?
Du hast es ja erfaßt! Wir
mußten ja einen Bonustrack für Japan schreiben. Das haben
wir dann auch gemacht. Und dann ist uns ein ganz dummes Ding
passiert - der Computer ist abgestürzt. Er hat uns ein vierfach
langsameres Tempo gemacht und dann kamen ganz komische Geräusche
dabei heraus. Diese Töne kriegst du natürlich genauso nie
wieder hin - genau den gleichen Absturz kannst du aber nicht
reproduzieren, und wir haben dann einfach gleich das ganze auf eine
Dat-Kassette aufgenommen und wollten mal sehen, was man daraus
machen kann. Wir haben dann überlegt, das Stück irgendwo
in die Mitte oder auch an den Anfang zu legen, aber schließlich
ist es doch am Ende gelandet. Im Nachhinein sage ich auch, damit
konnte keiner was anfangen. Es war also nicht unbedingt eine geile
Idee. Ich hatte von vornherein gesagt, das ist alles Quarkund paßt
auch von der Stimmung her überhaupt nicht zur Platte. Aber
leider konnte ich mich da nicht durchsetzen. Die Mehrheit hat
gesagt, das Teil kommt drauf und so ist es dann auch gekommen.
Das hat man nun von der
Demokratie. Wer also den richtigen Song will, der muß sich das
japanische Release besorgen. Aber ihr habt schon früher etwas
für Gags übrig gehabt.
Bei Walls war ja auch
am Schluß noch ein Song drauf, der gar nicht auf der Platte
stand. Ich hör mir halt CDs an und penn dann fix dabei
ein, und dann kommt dann plötzlich noch so ein Teil. Manche
Leute haben die Platte wahrscheinlich schon monatelang gehabt und
zwanzig mal gespielt ohne zu kapieren, daß da noch so ein
Titel. Das finde ich dann ganz geil.
Melodischer Heavy Metal ist zwar
nicht totzukriegen, aber unbedingt im Trend liegt er ja nun auch
nicht gerade. Was braucht man da, um durchzuhalten?
Es gibt einige Sachen, die besser
laufen könnten als sie laufen. Das Problem ist nur, es hängt
alles an der Kohle. Und es wird jeden Tag schlimmer. Wenn du als
Newcomerband im Trend liegst, dann ist das kein Thema. Da kann es
passieren, daß die Plattenfirma auch richtig Kohle
rausschießt. Nur, die ersten zwei CDs, die laufen dann
vermutlich, aber die ganzen Jahre danach krepelst du nur noch rum.
Wenn es dann nicht mehr läuft, lassen sie dich hängen, du
gehst zum nächsten Label, das hat dann nicht mehr soviel Kohle
und und und. Es ist schwer jemand zu finden, der sagt, das ist meine
Band, die zieh ich hoch, mit der arbeite ich bis zum Ende. Wenn du
so einen in deinem Leben findest, der das ausprobiert, dann hast du
echt gewonnen. Ein Manager, ob er nun gut oder schlecht ist, Glück
oder Pech hat, wenn er sagt, das ist meine Band, dann ist es so, daß
er verdammt viel für dich arbeitet. Aber den mußt du
erstmal finden. Die Leute haben heute viel weniger Geduld. Weil sie
einfach mit einem Schnellschuß die schnelle Kohle machen
wollen. Aufbauphasen über mehrere LPs gibt es praktisch
gar nicht mehr. Du siehst es ja bei uns - jedes Album bei einem
anderen Label. Wir haben wirklich viele Konzerte gemacht - mit den
Scorpions, mit Manowar - und die Leute feiern und ab. Das Problem
ist, die haben von uns noch nichts gehört. Wenn es eine
deutsche Band gibt, die gut läuft, haben die Leute Probleme
damit, sie zu featuren. In den Staaten ist es nicht so, da fließt
auch ein ganz anderes Geld. In Deutschland ist es nicht so, da
wartet man lieber auf den amerikanischen Markt. Man darf
einfach nicht aufgeben. Das geile an Rough Silk ist, das wir einfach
Schritt für Schritt nach vorne kommen. Mir ist es so lieber,
als mit der ersten Platte den großen Reibach zu machen und das
wars dann.
Vielleicht macht ihr den großen
Reibach ja mit der nächsten Platte. Was erwartet uns da?
Das neue Album wird nicht mehr
ganz so bombastisch und auch nicht mehr so schwermütig. Es ist
mehr gerade aus. Wir wollen die Gitarren auf jeden Fall viel weiter
vorne haben. Etwas weniger von dem Rumgeplinke eben. (Sagt man
denn sowas zu den wunderschönen Pianoparts? d. Verf.)
Gesanglich hat sich nicht viel verändert, immer noch mit viel
Melodie, aber eben straighter und beatgerechter. Ich finde das auch
ganz gut und ich denke, es wird auch bei den Leuten gut ankommen. Es
soll viel direkter aus den Boxen rausdröhnen. Ich habe da ein
sehr gutes Gefühl, und glaube,daß die neue CD schon
mächtig nach vorne brettert. Mit den beiden neuen
Bandmitgliedern kann man halt Sachen verwirklichen, die wir früher
nicht machen konnten und das probieren wir auch aus. Balladeske
Parts gibt es auch und das Klavier ist immer noch dabei. (Will
ich auch schwer hoffen, nochmal d. Verf.) Wir wollen ja auf die
Savatage - Tour und das neue Album muß eigentlich im September
stehen, heißen wird es Mephisto.
Live habt ihr ja mit so ziemlich
allen Bands gespielt, die Rang und Namen haben. Gab es eine, die
euch ganz besonders beeindruckt hat?
Deep Purple war schon richtig
geil. Wir wären ja fast mit auf Tour gefahren. Steve Morse
haben unsere Sachen richtig gut gefallen. Aber eine andere Band
hatte den Deal bereits. Wir können uns mit den berühmten
Bands schon messen, natürlich nicht, was die Popularität
angeht, aber du gehst auf die Bühne und machst dein Ding und
das Publikum honoriert das. Sie kennen dich nicht, aber sie sind
begeistert - und das ist wichtig. Wenn die Leute die Songs nicht
kennen, dann stehen die oft da und denken, wann hören die denn
auf - aber wir haben bis jetzt noch nie verloren. Dieses Mal soll es
endlich mal eine geplante Tour geben. Bisher sind wir ja nur immer
reingefahren, wenn irgendwer ausgefallen ist. Immer war eine andere
Band angekündigt, und die Leute haben gesagt: Was, ihr spielt
heute, ist ja geil, haben wir aber gar nicht gewußt. Wir sind
eigentlich immer nur draufgegangen, wenn irgendwo ein Sänger
abgeknackt ist.