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Riot: Nicht unterzukriegen

DURP - eZine from the progressive ocean

Interview

Sie haben in ihrer über zwanzigjährigen Karriere viele Höhen und Tiefen erlebt. Auch wenn sie den ganz großen Durchbruch nicht geschafft haben, so sind die Amerikaner von Riot heute doch eine feste Größe, wenn es um traditionellen Metal geht. Melodic Journey unterhielt sich mit dem Mann, der die Band am Leben hält, mit Gitarrist Mark Reale.

Die Geschichte von Riot ist geprägt von einer schier endlosen Anzahl von Labelwechseln - Firesign Records, Capitol, Elektra, CBS oder seit einiger Zeit Metal Blade. Ihr müßt schon ganz schön schwierige Typen sein...

Es weht ein ziemlich rauher Wind in diesem Geschäft und die Dinge sind mit der Zeit recht kompliziert geworden. Aus dem einen oder anderen Grund ist man dann einfach zu bestimmten Änderungen gezwungen. Mit den Majorcompanies muß man sich ständig auseinandersetzen, weil sich ihre Absichten nicht mit eigenen decken. So war es zum Beispiel mit Capitol, die uns in eine kommerziellere Richtung drängen wollten, womit wir nicht einverstanden waren. Von Electra erhielten wir so gut wie keinen Support. Na klar ist es keine schöne Sache, ständig das Label zu wechseln, aber es passiert nun mal. Solange die Fans zu uns halten, können wir unser Ding durchziehen.

Daß ihr euer Ding durchzieht, liegt in erster Linie an dir. Kritische Phasen bis hin zur zwischenzeitlichen Auflösung von Riot gab es ja wohl in euer Karriere genug. Aber du hast immer wieder weitergemacht...

Es ist wohl einfach so, daß ich nicht auskomme, ohne Musik zu machen. Ich habe ein paar mal probiert auszusteigen, aber es hat nicht funktioniert. Damals nicht, als wir mit einem früheren Line Up arbeitetn und als „Fire Down Under" erschien. Wir haben Kiss supportet, und ich war vom vielen touren einfach müde, immer dieses rumhängen im Bus. Ich zog für ein paar Jahre nach Texas, aber irgendwann rief mich unser Drummer aus LA an und fragte, ob ich nicht Lust auf eine Reunion hätte. Wir taten es und ich war ziemlich überrascht, wir hatten schließlich seit ein paar Jahren keine Platte veröffentlicht, hatten lange nicht gespielt. Aber die Reaktionen der Fans waren überwältigend, viele Fans sprachen uns an und baten uns, die Band nicht wieder aufzulösen. Und wir so blieben wir zusammen und produzierten „Thundersteel". Als es 1990 dann einige LineUp-Wechsel gab, dachten wir eine Weile daran, den Namen zu wechseln, aber schließlich war es wieder die Loyalität der Fans, die uns dazu brachte, bei Riot zu bleiben. Ich komme davon nicht los, es gibt zu viele Dinge, die dich immer wieder daran erinnern.

Du hattest zwischendurch mal ein Projekt mit dem Namen „Narita" am Start. So hieß auch mal ein Album von euch. Nun ist „Narita" der Flughafen von Tokio. Du mußt ihn ja richtig lieben...

Wir sind einfach immer dort gelandet, wenn wir in Japan gespielt haben. Und traditionell laufen die Dinge für uns dort ziemlich gut.

Ziemlich gut laufen die Geschäfte seit einiger Zeit hierzulande ja auch wieder für den typischen Metal. Merkt ihr in den Staaten eigentlich auch etwas davon?

Ob du es glaubst oder nicht, aber in Amerika passiert etwas Ähnliches. Tatsächlich sind wieder viele der alten Bands auf Tour. Es scheint wirklich so, als ob sich die Lage für den Heavy Metal ein wenig verbessern würde. Aber um Metal wirklich wieder groß zu machen, muß es gelingen, wieder junge Fans zu gewinnen. Gäbe es eine junge Band, die ein junges Publikum begeistert, dann hätten auch die Plattenfirmen plötzlich wieder Interesse an dieser Musik. Vielleicht ist dieses Revival ja der erste Schritt.

Ihr habt ja in eurer Karriere mit wirklich großen Acts gemeinsam auf der Bühne gestanden. Mit Kiss, Rush und vielen anderen. Gab es da etwas Außergewöhnliches?

Es war immer etwas Außergewöhnliches. Du bist jung und spielst plötzlich mit Leuten zusammen, wovon du nicht einmal zu träumen gesagt hast. Oder die großen Festivals in den Achtzigern, mit Ozzy oder Motorhead. Damals ging ich runter zu den Fans um ein paar Autogramme zu schreiben. Einer dieser Fans ist heute Drummer bei Metallica. Er ist ein Superstar, und ich? Aber so laufen die Dinge eben.

Mit Gigs in Deutschland hat es ja lange Zeit nicht geklappt. Mitte der Neunziger waren die Fans ziemlich frustriert, weil angekündigte Shows plötzlich gecancelt wurden.

Auch das lag vor allem an unsere damaligen Plattenfirma. Sie hatte die völlige Kontrolle über alle finanziellen Aspekte. Alle Einnahmen gingen an sie, wir mußten wegen jeder Kleinigkeit fragen. Als wir damals nach Deutschland kommen wollten, mußten wir uns schon finanziell beteiligen, den Flug finanzieren und solche Dinge. Wir wollten unbedingt diese Tour und akzeptierten. Aber trotzdem, als die Tour dann unmittelbar bevorstand, machte das Label einen Rückzieher. Wir wußten natürlich, daß die Fans enttäuscht waren, und das dadurch auch Riot in einem schlechten Licht dastanden. Auch die Japaner waren enttäuscht. Sony-Records wollte Journalisten schicken, die die Tour begleiten sollten, auch das klappte natürlich nicht. Wir nahmen uns dann Anwälte um aus dem Deal auszusteigen und seit dieser Zeit arbeiten wir daran, unser Image hier wieder aufzupolieren, versuchen den Fans zu erklären, was damals wirklich passiert ist. Wie gerne wir kommen wollten, aber nicht in der Lage dazu waren.

Normalerweise liefert ihr ja klassischen Metal ab. Einmal gab es aber auch ein für eure Verhältnisse wirklich experimentelles Album.

„Privilege Of Power" war definitiv unsere experimentellste Platte und ein absoluter Alptraum für die Plattenfirma. Es war nach „Thundersteel" und der anschließenden Tour. Wir waren damals in Texas und ich erkannte plötzlich, mit was für begabten Musikern ich zusammen arbeitete. Wir haben dann einfach die Herausforderung gesucht, zu zeigen, was wir spieltechnisch alles drauf haben. Mit diesen Leuten kannst du alles spielen - Metal, Hard Rock, Balladen, Progressive Rock, Fusion. Alle diese Stilrichtungen findest du auf diesem Album, auch Gastmusiker wie Joe Lynn Turner waren vertreten. Es gab einen Song von Al Di Meola und ein Deep Purple Cover - „Smoke on a water", mit Bläsern!

Und wie sieht es zukünftig mit Experimenten aus?

Auf dem Intro „Snake Chamber" verwenden wir indische Instrumente. Wir hatten allerdings nicht genügend Zeit, um sie wirklich in die Songs zu integrieren, so blieb es bei dieser kleine Improvisation. Zukünftig kann ich mir schon vorstellen, verstärkt damit zu arbeiten. Auch wir müssen uns weiterentwickeln.

Viele Musiker aus dem Bereich des Hard - und Melodic Rock oder Metal machen die Grunge - Welle für die Probleme ihrer Musik in den vergangenen Jahren verantwortlich. Wie siehst du das?

Ich denke, die Ursachen liegen tiefer, liegen bei den Bands aus Kalifornien, damals in der Mitte der Achtziger - diese Bands mit dem gestylten Haar und dem Make Up. Metal war immer eine Musik, bei der es auch um Glaubwürdigkeit ging. Aber durch diese Bands, die sicher aus guten Musiker bestanden, ging diese Glaubwürdigkeit verloren. Die Fans konnten sich mit Tonnen von Haarspray nicht mehr identifizieren. Und das gaben ihnen die Grunge Musiker zurück - mit ihrem schäbigen Klamotten, dem schmutzigen Haar. Ich kam mit Grunge nie zurecht - die Musik war nicht richtig melodisch, und das spielerische Niveau lag nicht auf dem Niveau, das ich zu schätzen weiß - aber ich glaube, Grunge hat den Metal auf den richtigen Weg zurück gebracht. Ich glaube, Grunge ist vorbei und kommt nicht wieder, aber es war eine Musikrichtung zur richtigen Zeit.

Wie wichtig sind für dich Texte und Artwork?

Ich halte Texte generell für wichtig. Es reicht nicht, daß etwas nur gut klingt. Schließlich singst du irgend etwas und solltest den Leuten schon zeigen, daß einen Funken Intelligenz besitzt. Eine Band sollte nicht predigen, aber politische Themen sind genauso korrekt wie diese Fantasy-Geschichten. Das Artwork für das neue Album wurde in erster Linie für den Titeltrack kreiert. Viele Leute in den Staaten vertreten die Meinung, daß der ganze Staatsapparat mittlerweile viel zu groß geworden ist, viel größer, als er ursprünglich sein sollte. Auch werden die langsam aber sicher immer mehr Freiheiten genommen. Irgendwann lassen sich das die Leute nicht mehr gefallen. Darauf zielt auch das Artwork ab - so eine Art Revolution. Das brennende Haus als Symbol für die Regierung und die Typen in den Mönchskutten als die Leute, die diesen Umsturz anführen.

Eine letzte Frage. Bist du mit dem Verlauf deiner Karriere eigentlich zufrieden?

Was die Musik angeht, ist es ganz OK. Betrachtet man das Geschäft, so habe ich wahrscheinlich ein paar Fehler gemacht. Wir hatten eigentlich fast nie die richtigen Leute im Hintergrund, die sich um diese Karrieredinge gekümmert haben. Wir hätten sicher viel größer werden können, als wir geworden sind, aber wir waren damals sehr jung, haben die verkehrten Verträge unterschrieben und den Preis dafür bezahlt. Das sind schon Dinge, die ich bereue, aber dennoch habe wir heute einen guten Ruf. Wir sind zwar immer noch Underground, aber ich glaube, sowohl bei Fans als auch Kollegen stehen wir ganz gut im Kurs - und das ist ein wirklich befriedigendes Gefühl.


© 11/1999 Renald Mienert
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