Porcupine Tree:
Ein Stachelschwein auf Erfolgskurs
Interview
Das neue Album von Porcupine
Tree hat mich in doppelter Hinsicht überrascht. Wunderschöne
Melodien und die erste offizielle Veröffentlichung in
Deutschland da mußte doch etwas dahinterstecken. Steve
Wilson sagte was.
Bereits seit den späten
Achtzigern gibt es Porcupine Tree, und viele Jahre sammelte man
Lorbeeren vornehmlich im Psychedelic-Underground. Eigentlich
deutete auch alles darauf hin, daß sich daran nichts ändern
sollte, aber Fehlanzeige
Uns wurde bewußt, daß
speziell dieses Album einen viel größeren
Mainstream-Touch hat, als unsere früheren Alben. Ich denke, das
Album hat auch eine gewissen experimentellen Charakter, aber was es
von den anderen Porcupine Tree Platten unterscheidet, ist
auch der Verzicht auf diese ausgedehnten Instrumentalparts, die ja
fast schon einen abstrakten Charakter hatten. Auf Stupid
Dream sind wir einfach songorientierter. Als uns das klar
wurde, kamen wir zu dem Entschluß, daß gerade dieses
Album eine intensivere Promotion wert wäre, als das bisher der
Fall war. Wir haben erkannt, daß die Zeit reif war für
einen Schritt in diese Richtung.
Ein Schritt, den aber bestimmt
nicht alle Fans mit vollziehen werden.
Das stimmt. Allerdings hat es
noch nie ein Album von uns gegeben, daß stilistisch genau wie
ein anderes gewesen wäre. Jedes Album hatte eine eigene
Identität, einen eigenen Sound. Mit jedem Album ging es in eine
andere Richtung, und immer gab es Fans, die damit nicht
einverstanden waren. Das musikalisch schlimmste für mich wäre
es, ständig die gleiche Musik zu machen, ohne jede Art von
Entwicklung. Ich meine, es gibt viele Bands die das tun, aber ich
persönlich könnte das nicht. Und nicht nur das. Auch mein
Verhalten als Hörer von Musik ist davon geprägt, ständig
neue Sachen zu entdecken. Durch werde ich ständig von den
verschiedensten Stilen beeinflußt. Und ich glaube über
die Jahre hinweg haben die Fans, die uns treu geblieben sind, dies
auch akzeptiert uns zu schätzen gelernt. Sie mögen die
neuen Alben vielleicht nicht auf Anhieb, aber nach einer Weile
ändert sich das. Ich bin mir sicher, daß etwa achtzig
Prozent unsere Fans uns treu bleiben, was auch immer wir machen
werden.
Und wie sieht es mit dem
musikalischen Anspruch aus. Es ist ja eine alte Prog-Weisheit, daß
gute Musik weh tun muß. Schöne Melodien und
Stupid Dream besteht zu 99% aus solchen - können
nur kommerzielle Kacke sein. Oder?
Nun gut, ich denke, diese Leute
irren sich. Aber ich würde auch nie auf die Idee kommen, uns
als eine Prog-Band zu bezeichnen. Es mag sein, daß es Elemente
in unsere Musik gibt, die besonders Leute ansprechen, die auf Prog
stehen, aber wir sind bestimmt nicht auf ein Publikum begrenzt, das
nur Prog hört. Psychedelic Rock, Space Rock oder auch Metal,
aus allen diesen Richtungen kommen unsere Fans. Es geht noch weiter:
Jazz, Trance, Ambient, Folk unser Sound zeichnet sich durch
diese Vielzahl der Einflüsse aus. Ich glaube, wir haben einfach
die Fähigkeit, Fans fast jeder Musikrichtung zu erreichen. Gut,
wer uns bisher als Prog-Band eingestuft hat, der wird vielleicht
enttäuscht sein, daß es diese langen symphonischen Werke
nicht mehr auf dem neuen Album gibt. Aber ich hoffe, daß diese
Leute auch die Tiefe und Schönheit der aktuellen Kompositionen
erkennen. Für mich haben die neuen Songs nichts an Intensität
verloren. Aber das ich diese Meinung vertrete, ist ja eher
selbstverständlich.
Das fehlende Prozent geht auf
das Konto des Titelsongs, wobei Song den Kern ja wohl
nicht so ganz trifft.
Nein, ein Song ist das wirklich
nicht. Um ehrlich zu sein, der Titel Stupid Dream stammt
eigentlich aus dem Text eines anderen Songs von dem Album, aus
Piano Lessons. Diese instrumentalen dreißig
Sekunden waren eigentlich nur als Link zwischen zwei Songs gedacht.
Ich liebe es, um die Aufmerksamkeit des Zuhörers nicht zu
verlieren, die einzelnen Stücke zu verbinden. Im konkreten Fall
hatte ich nur das Problem, daß ich zwei Songs verknüpfen
wollte, die sich aber nicht verknüpfen ließen. Diese
wenigen Sekunden wurden nur geschrieben, um diese Lücke zu
schließen. Diese Stück brauchte dann auch noch einen
Namen, und es wurde dann eben Stupid Dream. Daß
das gesamte Album aber so heißen sollte, stand schon vorher
fest.
Und Tinto Brass ist
ein italienischer Regisseur, spezialisiert auf sagen wir es
mal vornehm Erotik-Filme. Mit Erotik hat der Song aber nichts
zu tun.
Ja, es ist der einzige
instrumentale Song, mal abgesehen von Stupid Dream und
in mancher Hinsicht ist er vielleicht noch am ehesten mit den Songs
zu vergleichen, die wir in der Vergangenheit gemacht haben. Diese
Drum-Sequenz am Anfang sollte eigentlich en die deutschen
Krautrock-Bands erinnern, Can zum Beispiel. Als ich das unserem
Drummer sagte, gab es einige Schwierigkeiten, denn er war mit diesen
Bands nicht vertraut, so spielte er es eben so, wie er es sich
vorstellte. Es ist viel rockiger geworden, als ich es mir eigentlich
vorgestellt hatte, aber dieser Rhythmus hat etwas hypnotisches.
Aber ansonsten wird gesungen,
zumeist recht traurig-melancholisch. Und worüber?
Es gibt einige Themen, die wir in
mehreren Songs aufgreifen, aber es gibt kein zentrales Thema, kein
Konzept. Piano Lessons, Stop Swimming und
einige andere Songs greifen das Thema auf, daß ein Künstler
auf der einen Seite eine sehr kreative Kraft darstellt, aber auf der
anderen wenn er seine Musik zum Beruf machen will auch
den geschäftlichen Aspekt nicht vergessen darf. Ich weiß
nicht, wie andere Musiker damit umgehen, für mich ist es sehr
schwierig, beide Dinge unter einen Hut zu bringen. Ich meine, ich
kriege es mittlerweile ganz gut hin, aber ich glaube, für
andere ist es unmöglich. Piano Lessons greift
dieses Thema Musik als ein Produkt auf, und dann komme
ich immer wieder darauf zurück.
Diesen Konflikt greift man auch
mit dem Cover auf.
Musik ist etwas sehr intensives,
etwas emotionales, Verkaufen ist etwas geschäftliches kaltes.
Und genau das sollte auch das Cover ausdrücken. Das Cover hat
zwar auch eine gewisse zynische Komponente, aber ich hoffe, daß
die Leute wenn sie die Musik hören, auch verstehen, was wir mit
dem Cover ausdrücken wollten.
Vor einigen Jahren arbeitet
Steve Wilson ja mit keinem geringeren als Fish zusammen. Die Welt
scheint also doch ein Dorf zu sein.
Ich glaube so um 1996 suchte Fish
jemand, der ihm einen komplett neuen Sound geben konnte. Ich glaube,
ihm war klar geworden, daß er Gefahr lief, sich zu sehr in
seichte Gewässer zu bewegen. Und ihm wurde auch klar, daß
das zu einem großen Teil auch an den Musikern lag, mit denen
er zusammen arbeitete. Also suchte er jemanden der jünger war
und seine Wurzeln in der Rockmusik der letzten Jahre hat, der aber
gleichzeitig mit seinem Background und der Prog-Szene vertraut war.
Meine damalige Plattenfirma brachte uns zusammen und hatte mich nur
interessiert, was er eigentlich vorhatte. Er ließ mir völlig
freie Hand, eben weil er diesen neuen Sound wollte, und ich war sehr
froh über das Angebot, denn es gab mir auch die Möglichkeit
mich sehr intensiv mit dem Thema der Produktion zu beschäftigen.
Ich habe das schon immer gemocht, aber jetzt konnte ich auch ein
Album für einen Künstler produzieren, der bereits sehr
bekannt war.
Und so bekannt will man nun auch
werden....
Tatsächlich war einer der
Gründe, daß wir uns in Richtung eines größeren
Labels umgeschaut haben, auch der, daß wir dann auch in der
Lage wären, über solche Dinge wie eine Single oder ein
Video nachzudenken. Im April wird es eine Single und ein Video
geben. Wie legen auch auf den visuellen Aspekt großen Wert.
Ich glaube, es gibt eine starke Beziehung zwischen Musik und Film.
Es gibt sehr viele Filme, da werden die Emotionen durch die Musik um
ein vielfaches stärker. Wenn die Musik gut ist, ist das
richtige Video in der Lage, diese Wirkung noch zu verdoppeln. Das
von dir angesprochene Problem tritt vor allem immer dann auf, wenn
die Bands von den Plattenfirmen künstlich geschaffen werden.
Diese Musik ist oft sehr oberflächlich, aber das hat nichts mit
Porcupine Tree zu tun, unsere Musik hat oft einen starken visuellen
Charakter.
Ob wir uns davon allerdings auch
in Deutschland überzeugen können, steht noch in den
Sternen.
Wir werden Ende März touren,
aber noch nicht nach Deutschland kommen. Es hängt davon ab, wie
das Album in Deutschland ankommt. Wenn wir glauben, daß es
genug Leute gibt, die in unsere Konzerte kommen, dann werden wir
auch hier spielen. Das Problem ist, daß wir eine ziemlich
teure Lichtshow haben, so daß wir kein Risiko eingehen können.
Konkrete Dinge lassen sich aber erst sagen, wenn wir wissen, wie das
Album in Deutschland läuft. Interesse von Seiten der
Journalisten besteht bereits, wenn das Publikum mitzieht, ist eine
Tour gegen Ende des Sommers durchaus möglich.