Beide bisher erschienenen
Maryson - Alben Master Magician I und On Goes The
Quest- wurden sowohl von Fans als auch der Szene-Presse
äußerst wohlwollend aufgenommen. Dabei haben aber wohl
die wenigstens bisher wirklich mitbekommen, daß wir es hier
mit einem wohl einzigartigen Projekt zu tun haben. Was es genau
damit auf sich hat, erfuhr ich von Wim Stoeck, alias W.J. Maryson.
Eigentlich beginnt die
Geschichte von Maryson mit einer Krankheit. 1993 erkrankte Wim
Stoeck an der Pfeifferschen Krankheit. Typische Symptome: Ständige
Schwäche und Müdigkeit. Für den bis dahin in einem
Reklamebüro arbeitenden Wim, der es gewohnt war, bis zu siebzig
Stunden pro Woche zu arbeiten, eine äußerst schwierige
Situation, die es erst einmal zu akzeptieren galt. Schließlich
suchte er etwas, um die Zeit totzuschlagen - und wurde fündig.
Ich stieß auf sieben
Kapitel einer alten Story, die ich vor zwölf Jahren als
Drehbuch für eine Bildergeschichte geschrieben hatte. Damals
war ich der Meinung, daß mein Stil nicht gut genug war, aber
beim erneuten Lesen glaubte ich, es diesmal wesentlich besser zu
können. Ich setzte mich hinter meinen Computer - ein paar
Stunden am Tag schreiben, das würde ich ja noch können -
und erwachte ein paar Monate und 37 Kapitel später wie aus
einem unirdischen Traum. Nicht ich schrieb diese Geschichte, diese
Geschichte schrieb mich.
Das Manuskript zum ersten Roman des
Meistermagier-Zyklus war fertig. Ermutigt von seiner Frau und ein
paar Freunden sandte Wim das Manuskript an einige Verleger, von
denen zwei Interesse zeigten. Das bessere Angebot wurde akzeptiert
und es wurde ein Vertrag über fünf Bücher
unterschrieben. Am 2. November 1995 sollte die offizielle
Präsentation in Amsterdam stattfinden, vorher - im August - gab
es ein entscheidendes Gespräch mit dem Verlagsdirektor.
Er fragte mich, ob es stimmte,
daß ich mal etwas mit Musik gemacht hätte. Und ob es
keine gute Idee wäre, wenn ich selbst etwas spielen würde.
Meine Antwort war: Du weißt wohl nicht, was du da sagst. Ich
habe seit Jahren keine Musik mehr gemacht, und jetzt, zwei Monate
vorher, fragst du mich, ob ich etwas spielen möchte. Aber
gleichzeitig wußte ich, daß ich es tun würde. Die
Herausforderung war einfach zu groß.
Dann ging alles sehr schnell.
Bekannte aus der Rockwelt wurden gefragt, ein Chor angeheuert und
natürlich komponiert, arrangiert und geprobt, geprobt,
geprobt.... Am besagten 2. November wurde dann tatsächlich vor
450 geladenen Gästen eine Stunde Musik gespielt, inspiriert vom
ersten Buch des Meistermagierzyklus. Angestachelt vom Erfolg, wurde
aus dem Projekt eine richtige Band, die sich, nach dem
Pseudonym des Autors schlicht Maryson nannte. Haben wir
es nun mit einem schreibenden Musiker oder einem musizierenden
Schriftsteller zu tun?
Momentan ist es so, daß die
Bücher mich zu Musik und Texten inspirieren. Also bin ich
musizierender Autor. Aber in meinen Gefühlen bin ich beides -
und beides gleich stark. Das eine kann auch nicht ohne das andere
existieren, beide Dinge beeinflussen sich gegenseitig. Manchmal
bringt mich eine neue Melodie oder ein neuer Text auch auf eine neue
Idee für einen Teil des Buches.
Irgendwie bekam dann Peter Wustmann
Wind von der Sache.
Wir kannten uns schon kurz von
früher. Er war begeistert und schlug mir einen Vertrag über
fünf CDs vor, weil es ja auch fünf Bücher geben
würde. Ich war auch begeistert und fragte nach irgendwelchen
künstlerischen Einschränkungen. Er sagte: Keine, du hast
völlige Freiheit. Wir haben uns die Sache in der Band überlegt
und bald den Vertrag unterschrieben.
Ungewöhnlich für einen
holländischen Autor (Fantasy ist schließlich in
Deutschland fast ausschließlich eine Domäne von Autoren
aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum), wird der Zyklus auch in
bei Bastei-Lübbe veröffentlicht. Was die
Erscheinungstermine jedoch von Buch und CD angeht, sind diese völlig
unkoordiniert. Für eine gegenseitige Promotion sicher nicht
ganz optimal.
Als die CD veröffentlicht
wurde, war noch gar nicht klar, ob die Bücher auch in
Deutschland verlegt werden würden. Die Idee mit den fünf
CDs entstand auch erst, nachdem das erste Buch bereits
erscheinen war. Eigentlich wollten wir zunächst nur versuchen,
das Erscheien innerhalb der Benelux-Staaten zu koordinieren, denn in
Deutschland erscheinen die Romane zu ganz anderen Terminen als hier.
Wir haben uns schließlich entschlossen, Bücher und CDs
separat zu betrachten. On Goes The Quest zum Beispiel
ist inspiriert vom zweiten Buch des Zyklus Emaendor,
soll aber als eigenständiges Produkt gelten. Man darf auch
nicht vergessen, daß sich die CDs zum Beispiel in
Frankreich gut verkaufen, obwohl es die Bücher auf französisch
noch gar nicht gibt.
Nun gibt es ja immer wieder
Versuche, Fantasy-Themen musikalisch umzusetzen. Man nehme nur die
letzte Blind Guardian-CD oder das letzte Album von Björn Lynne.
Die musikalische Palette reicht also von Metal bis New Age. Maryson
hat sich für die symphonisch-progressive Variante entschieden.
Wenn ich Musik komponiere, dann
wird es entweder symphonischer Rock oder Klassik. Die klassische
Variante, also mit Chor und Orchester, ist praktisch fast unmöglich.
Außerdem gibt es Beschränkungen, die ich nicht
akzeptiere. Bleibt als nur symphonischer Rock. Ich kann und will
auch nicht mehr anders. Beim Schreiben ist es genauso. Ich habe
damals mit dieser Geschichte angefangen, und sie hat mich noch immer
im Griff. Charaktere, die ich liebe, hasse, die jeden Tag mit mir
reden. Ereignisse, die sich plötzlich ganz anders entwickeln,
als ich eigentlich dachte. Landschaften, die ich mit meinem
geistigen Auge sehe und beschreiben muß. Hinzu komt, daß
ich diese Musikform auch als die am meisten geeignete für diese
Thematik betrachte . Poesie, Bombast, Folkartige Songs, harter Rock,
Balladen, Gefühle wie Trauer, Freude, Liebe und Haß, das
Leben, den Tod - in welch anderer Musikart kann man all das
glaubwürdig ausdrücken?
Womit wir wieder bei einem meiner
Lieblingsthemen angelangt sind. Wie sieht es nun mit der Behauptung
aus, Prog-Fans haben in der Regel auch eine Vorliebe für
Fantasy-Literatur?
Ich kenne verschieden Leute, die
sowohl Prog als auch Fantasy lieben. Aber ich begegne auch oft
Proggern, die kaum lesen. Es gibt auch viele Leser, die überhaupt
nicht wissen, was Progressive Rock überhaupt ist. Ein Teil der
Kaumzuhörer kauft meine CD und vertsteht die Musik.
Ein Teil der Kaumleser fängt an, meine Bücher
zu lesen, und erkennt bestimmte Dinge wieder. Das finde ich gut. Was
beide Gruppen verbindet, ist der Mut, tiefer zu graben als nur bis
auf die Oberfläche. Progfans lieben ihre Musik, weil sie ihnen
mehr bietet, als die Top Ten. Viel mehr. Sie wagen es, die Musiker
auf einer Reise ins Ungewisse zu begleiten. Fantasyleser wagen es
auch, in sehr eigenartige Welten einzutauchen, in denen wirklich
phantastische Dinge passieren. Wenn sie ein Buch lesen, dann glaube
sie für diese Zeit an Berge, die höher sind als der Mount
Everest, an Völker von Riesen, Dvargen, Alvii oder Daith -
alles Völker aus der Meistermagier - Reihe. Neben diesem
kreativem Mut haben beide Gruppen aber auch das
Bedürfnis nach ein wenig Magie. Alltäglicher Magie. Sie
möchten gerne für eine kleine Weile ein paar Zentimeter
über dem Weltboden schweben. Und ich kann darin nichts
verkehrtes finden. Kritiker nennen das Eskapismus. Aber dieser
Vorwurf kann geanausogut für jede andere Kunstgattung gelten.
Und außerdem: Unsere Welt ist oft so bizarr, daß die
Fantasywelten mir wesentlich normaler vorkommen.
Kommen wir aber wieder auf den Boden
der Tatsachen zurück. Holland war ja lange Zeit eines der
Zentren der Prog-Szene. Nach dem SI-Bankrott sieht die Lage ja nicht
mehr so rosig aus.
Obwohl ich so aktiv nicht in die
Szene eingebunden war, glaube ich, daß besonders die
Aktivitäten von SI als Magazin, Konzertorganisator und Label
dafür gesorgt haben, daß Holland zu diesem Zentrum wurde.
Nach dem Bankrott dauert es eine Weile, bis sich bestimmte Leute
wieder aktiv mit dem Thema Progressive Rock beschäftigen. I.O.
Pages ist ein wichtiges Blatt, es werden wieder Konzerte und
Festivals organisiert und es entstehen neue kleine Label. Also, nach
einer kleinen Flaute entsteht wieder eine aktive Szene. Ich habe
vor, gemeinsam mit anderen Leuten etwas zu organisieren, was wir
EuroProg nennen wollen. Es soll ein Event werden, das alle Leute die
irgendwie mit Prog zu tun haben, für ein oder zwei Tage
zusammenbringt, an einem Ort, der so gelegen ist, daß er von
möglichst vielen erreichbar ist - zum Beispiel das Grenzgebiet
von Holland, Deutschland, Belgien und Frankreich. Es soll eine
Kombination werden aus Festival - mit ein oder zwei Top-Acts - ,
Lesungen, Diskussionsforen, es soll einen Tauschmarkt geben,
akustische Sets.... Im Grunde würde noch mehr geboten werden,
als beim Prog-Fest. Ich bin sicher, daß eine solche
Veranstaltung viel dazu beitragen würde, daß Interesse am
Prog zu steigern. Vielleicht sollte man mal die Leser der
Szene-Magazine fragen, was sie von einer solchen Veranstaltung
halten würde, welche Bands sie sehen würden, welche Themen
sie noch interessieren. (Was wir hiermit gemacht haben d.Red.)
Klingt eigentlich sehr interessant,
wenngleich die Veranstalter ähnlich gearteter Events schon
gehörig auf die Nase gefallen sind. Ist ja auch noch
Zukunftsmusik. Zunächst müssen ja noch einige Bücher
geschrieben werden, denn der Meister Magier Zyklus ist auch in
Romanform noch nicht abgeschlossen.
In den Benelux-Staaten dauert es
noch, bis der dritte Band des Zyklus erscheinen wird, weil ich vom
kleinen Elmar - Verlag zum größeren Meulenhoff gewechselt
habe. Im Herbst dann werden die drei Titel Sperling,
Emaendor und Vloch neu in einem Band
erscheinen. Gegenwärtig schreibe ich parallel an Buch vier und
fünf, weil sie sich gegenseitig beeinflussen. Zum Teil weiß
ich schon, wie es weitergeht, andererseits lasse ich mich von der
Geschichte selbst überraschen. Ich habe zum Beispiel lange
gedacht, daß das Ende des Zyklus so und so passieren würde.
Erst seit dem dritten Buch, als sich eine neue, noch tiefer in der
Zeit verborgene Legende anbot, habe ich vor, das Finale anders zu
gestalten. Weniger vorhersehbar, überraschender für den
Leser.
Das Abenteuer scheint also wirklich
noch eine Weile weiter zu gehen. Aber irgendwann ist die Geschichte
zu Ende erzählt, irgendwann sind alle fünf CDs
erschienen.
Darüber nachgedacht habe ich
auch schon. Aber noch wächst innerhalb der Band das Interesse
an den Geschichten des Zyklus. Wir sind so sehr mit den neuen
Kompositionen beschäftigt, daß wir nur selten über
die Zeit nach dem Meistermagier reden. Man kann nichts wirklich
sicher sagen, aber wir haben vor, als Band so lange wie möglich
weiter zu gehen. Einzige Bedingung: Wir müssen das Gefühl
haben, uns technisch und dramaturgisch
weiterzuentwickeln und jeder muß Spaß an der Sache
haben.