IQ:
(Ausnahmsweise) Pünktlich und genial (wie immer)
Interview
Es geschehen noch Zeichen und
Wunder. Hatte nach den diversen Verzögerungen bei der For
Ever Live - Box jedermann abgewunken, als es hieß,
daß im Herbst 97 mit einem neuen Studio-Album der besten
Hobbyband aller Zeiten zu rechnen sei, sehen wir uns nun
glücklicherweise eines besseren belehrt. Doch Subterranea
erschien nicht nur pünktlich, das Doppelalbum ist genau das
Ausnahmealbum geworden, das die Szene erwartet hat. Ich unterhielt
mich mit Sänger Peter Nicholls.
Wie kam es zu der Entscheidung
ein solches Konzeptalbum zu veröffentlichen?
Wir hatten vor, tatsächlich
ein völlig neues Album zu machen, etwas was sich grundlegend
von unseren früheren Alben unterschied. Und das sollte auch für
unsere Live-Show gelten. Wir glaubten, der beste Weg so etwas zu
realisieren wäre, das ganze Projekt anhand einer Story zu
erzählen. Die Live - Box war ja ein ziemlich großes
Projekt für die Band. Auch wenn es eine Phase gab, wo wir
glaubten, wir würden niemals fertig werden, haben wir es
letztlich ja doch noch erfolgreich abgeschlossen, aber wie auch
immer, nach For Ever Live suchten wir nach neuen Wegen.
IQ funktioniert nur, wenn wir uns solchen neuen Herausforderungen
stellen. Auch die Bühnenshow sollte etwas werden, das die Band
live in einer bisher noch nicht gezeigten Form präsentiert.
Eine Doppelalbum erschien uns hierfür gerade richtig. Sonst
würden wir vielleicht drei oder vier neue Stücke spielen
und der Rest wäre altes Material.
Kannst du mir etwas über
das inhaltliche Konzept hinter Subterranea erzählen?
Was wir also brauchten war
eine Story und die Idee kam letzten Endes von mir. Inspiriert
wurde ich dabei von der Person Kasper Hausers.
Kasper Hauser war ein
Findelkind, das im 19. Jahrhundert in der Nähe Nürnbergs
auftauchte und behauptete, er habe alleine in einem dunklen Raum
gesessen, so lange er denken könne. Eine Geschichte, die
seither immer wieder gerade Künstler anregte und die Basis für
zahlreiche Romane bildete. Vor einigen Jahren wurde der Stoff sogar
verfilmt.
Diese Geschichte hat mich so
fasziniert, daß ich sie in ein modernes Gewand kleidete. Mein
Held findet sich in einer City wieder, wo er plötzlich mit all
diesen Dingen konfrontiert wird, all diesen visuellen Eindrücken,
den Klängen, den Menschen, all das führt zu einem Überreiz
der Sinne. Er stellt fest, daß er Teil eines Experimentes oder
Projektes ist und möchte natürlich herausfinden, wer
verantwortlich dafür ist, daß er so lange von der Umwelt
isoliert wurde. Und da gibt es noch ein Symbol, das er an seinem
Körper trägt und das er auch bei anderen Menschen wieder
findet. Dieses Zeichen findet man übrigens auch auf dem Cover
und im Booklet. Am Ende der Story entscheidet sich der Held erneut
für die Isolation. Er wählt nicht den Ort, von dem er
ursprünglich kam, aber die Erfahrungen, die er sammelte, waren
so extrem, daß er nicht anders damit umgehen kann, als erneut
die Einsamkeit zu wählen. Die Fotos im Booklet illustrieren
diese Story. Es war mir auch wichtig, eine Geschichte zu erzählen,
die hier und heute spielt, nicht diese Fantsay-Dinge, die wir häufig
im traditionellen progressive Rock finden.
Worin siehst du den wesentlichen
Unterschied zu Ever?
Genau wie auf Ever
sind die Texte sehr emotional, speziell auf diesem Album findest du
eine jedoch Menge Zorn, eine Menge Härte. Als wir damals Ever
machten, waren kurz zuvor eine Menge Menschen die wir gut kannten
gestorben. So wurde dieses Gefühl Menschen zu verlieren ein
zentrales Thema in den Texten. Subterranea ist Fiktion, hier geht es
um die Gefühle dieses einen Menschen.
Für meine Begriffe hat sich
Euer Sound verändert. Ihr seid zwar immer noch eindeutig als IQ
zu identifizieren, klingt aber zu keiner Zeit nach einem Relikt aus
längst vergangener Zeit.
Nun, das hat sicher auch mit dem
Equipment zu tun, das wir verwendet haben. Seit dem letzten Album
hat Martin die Keyboards komplett gewechselt. Wir alle wollten einen
neuen Sound. Wenn du versuchst, neue Songs zu schreiben, aber die
alten Sounds verwendest, werden die neuen Stücke trotzdem
klingen wie die alten. Auch Mike mit dem Guitar-Synth steuert neue
Sounds bei. Aber ich glaube, auch wie wir diesmal die Songs
schrieben war neu. Früher tendierten wir dazu, einen Song zu
schreiben, und wenn er fertig war, dann war er eben fertig. Dieses
Mal mußten wir aus der Sicht einer Erzählung schreiben.
Wir wußten ja bereits vorher, was der Song gerade auszusagen
hatte. Für mich war das natürlich von Vorteil. Beim
Schreiben konnte ich vorgeben, was ich an einem bestimmten Punkt der
Songs haben wollte, welche Stimmung. So schrieben wir diesmal die
Stücke so, daß sie die Story unterstützten.
Normalerweise entsteht bei uns die Musik zuerst und dann versuche
ich, dem Gefühl das die Musik vermittelt, entsprechende Texte
hinzuzufügen. Dieses Mal war es umgekehrt. Das Ergebnis ist
härter und rockiger ausgefallen als der Vorgänger. Ich
denke, Ever war genau das Album, daß wir 1993
machen mußten, um IQ wieder in die Szene zurück zu
bringen. Aber Subterranea ist exakt das Album, das die
Band schon immer machen wollte. Die ganzen Jahre haben wir immer
wieder über ein Konzeptalbum und eine große Show
gesprochen. Und schließlich haben wir es dann getan. Ich
glaube auch die Tatsache ist interessant, daß wir praktisch
doppelt soviel Material in der gleichen Zeit aufgenommen haben, die
wir auch für das letzte Album zur Verfügung hatten.
Dream Theater hatten ja auch
genug neues Material, daß es für ein Doppel-Album
gereicht hätte. Aber die Plattenfirma hatte wohl die
Befürchtungen, daß sich das negativ auf die
Verkaufszahlen ausgewirkt hätte. Ihr scheint darin ja kein
kommerzielles Risiko zu sehen?
Ich glaube, es wäre ein
kommerzielles Risiko, wenn es Müll wäre - aber das ist es
nicht! Tatsächlich sind die Verkaufszahlen die uns bisher
vorliegen extrem gut, wahrscheinlich besser, als es bei Ever
war. Das Album ist jetzt erst einige Wochen auf dem Markt und wir
haben bereits mehr als zwölftausend Einheiten abgesetzt. (Das
Interview fand am 13. Oktober statt. d.Verf.) Natürlich war
es auch eines unsere Ziele so viele CDs wie möglich zu
verkaufen und ein Doppelalbum ist nun einmal teurer. Da kann es
natürlich passieren, daß weniger Leute das Album kaufen.
Aber wir haben ein gutes Album gemacht und die Fans akzeptieren das.
Sie mußten ja schließlich ein paar Jahre auf das Album
warten - da hatten sie genug Zeit das Geld zu sparen, so daß
sie sich jetzt auch ein Doppelalbum leisten können.
Betrachtet man die regulären
Studioalben, so seid ihr nun bei Nummer sechs. Nicht gerade viel,
wenn man bedenkt, wie lange ihr schon dabei seid.
Nimm als Beispiel die
Live-Box. Ich betrachte sie wie ein reguläres Album. Es
steckt wirklich viel Zeit und Arbeit darin. Ich machen lieber ein
wirklich brillantes Album alle drei oder vier Jahre als ein
Album, das nur OK ist jedes Jahr. Und ich bin sicher, IQ-Fans
sehen das genauso. Insgesamt gesehen sind zehn Releases in
sechzehn Jahren ziemlich gut.
Viele Bands im Prog-Bereich
beginnen ja mit genialen Scheiben, driften dann aber häufig in
seichtere Gefilde ab. Auch bei Euch hatte das ja diesen Anschein,
wenn man Nomzamo oder Are you sitting comfortably
betrachtet. Aber bereits mit Ever kamt ihr ja sozusagen
auf den Pfad der Tugend zurück.
Nun, ich glaube, das ist in
engem Zusammenhang mit den personellen Veränderungen zu sehen,
die damals innerhalb der Band stattfanden. Paul und Allan verließen
die Band hauptsächlich, weil sie mit der progressiven Richtung
nicht mehr zufrieden waren und die Band in eine mehr mainstreamige
Richtung bringen wollten. Ohne ihren Einfluß konzentrierte
sich die Band wieder auf nichtkommerzielle Alben.
Besonders als sich das
Release-Datum der Live-Box wieder und wieder verzögerte, wurden
Meinungen laut, daß geschäftliche Dinge nicht gerade zu
euren Stärken zählen.
Ich denke, langsam werden wir
auch bessere Geschäftsleute, nun wo wir unser eigenes Label
haben. Unglücklicherweise gerieten wir zunächst an einen
wirklich schrecklichen Manager, der uns fürchterlich übers
Ohr gehauen hatte. Wir hatten keinerlei Erfahrung und man kann
wirklich von einem Mißmanagement sprechen, besonders
finanziell war es sehr deprimierend. Es ging soweit, daß wir
die Rechte für unsere eigenen Platten zurückkaufen mußten.
Als wir GEP 1990 ins Leben riefen, mußten wir auch hier alles
lernen, was zu einem solchen Job gehört. Ich glaube aber,
mittlerweile ist die Sache recht gut organisiert und wir haben alles
unter Kontrolle.
Live habt ihr euch ja ziemlich
rar gemacht. Es gab zwar immer vereinzelte Konzerte, aber das war es
dann auch schon.
Im April wird es eine größere
Tour geben. Wir planen Gigs in Deutschland und Holland, aber auch in
Italien und Spanien. Wenn es klappt spielen wir auch in Amerika. Wir
werden das neue Album komplett live vorstellen und viel mit solchen
Dingen wie Slide Shows und Filmen arbeiten.
Die Entscheidung, ein eigenes
Label zu gründen, hat sich für euch offensichtlich als der
richtige Weg erwiesen.
Wir sind absolut unabhängig.
Wir können machen was wir wollen und wann wir wollen. Niemand
übt irgendwelchen Druck auf uns auf. Wir sind nicht gezwungen
irgendwelche Sachen aufzunehmen, mit denen wir nicht zufrieden sind.
Wir haben unser Schicksal sozusagen in die eigenen Hände
genommen.
Auch wenn ihr im Prog eine der
populärsten Bands - vielleicht sogar die populärste -
seid, außerhalb der Szene kennt euch kaum jemand,
Prog in England ist lediglich
eine Underground-Szene, die von den Presseleuten keiner so richtig
ernst nimmt, sie ist nicht modern. Eine Band wie Oasis wird stark
vom Sound der Beatles beeinflußt, Prog-Bands von Genesis oder
Yes. Das Dumme ist nur, daß Einflüsse der Beatles von der
breiten Masse akzeptiert werden, die von Yes und Genesis nicht!
Was war es eigentlich, das euch
- nachdem du die ja Band verlassen hattest - wieder zusammenbracht
hat?
Ich glaube, der Selbstmord von
Les Marshall war das tragischste Ereignis in der Geschichte von IQ.
Er war immer ein guter Freund von uns, der im Hintergrund sehr viel
für uns getan hat, und letztlich hat sein Tod die Band wieder
zusammengeführt. Wir sind mittlerweile richtige Freunde
geworden und stehen uns sehr nah. Mike und ich kennen uns nun seit
mehr als zwanzig Jahre, das ist ein großer Teil unseres
Lebens. Und dieses gute Verhältnis unter den Bandmitgliedern
ist sehr wichtig für mich. Ich könnte nicht mehr in der
Band arbeiten, wenn das nicht so wäre. Und es gab ja auch eine
Zeit, in der das so war. Wir haben damals aufeinander gehockt,
zusammen gearbeitet, zusammen gelebt. Keiner hatte Geld und es kam
schließlich zu vielen Spannungen. Ich glaube, wäre ich
nicht nach The Wake ausgestiegen, hätte es ein
anderer getan. Irgend etwas mußte geschehen. Es war damals ein
sehr schwerer Entschluß für mich, denn ich war sehr stolz
darüber, was wir bis dahin künstlerisch erreicht hatten.
Einer mußte diesen Schritt tun, um diese Spannungen zu lösen.
Der Tod von Les, so schrecklich und tragisch er war, hat uns wieder
vereint. Versteh, das nicht falsch, Les war ein prima Mensch, sehr
talentiert und sehr lustig.
Nach deinem zwischenzeitlichen
Ausstieg, gab es ja ein anderes Projekt von Dir.
Niadems Ghost war
viel kleiner als IQ und musikalisch etwas völlig
anderes. Ich war damals auch an einem Punkt, an dem ich etwas völlig
anderes machen mußte. Ich wollte andere Sachen probieren und
auch mal mit anderen Leuten arbeiten, Leute die eine Art Kontrast zu
meiner IQ-Vergangenheit waren. Wir haben das eine Album gemacht und
wir haben in den zwei Jahren, in denen Niadems Ghosts
existierten, alles versucht, was wir konnten, um die Band
voranzubringen. Aber wir fanden auch keine Plattenfirma und so brach
die Band dann auseinander. Danach habe ich etwa drei Jahre nichts
mehr mit Musik am Hut gehabt. Ich habe Songs zu meinem eigenen
Vergnügen geschrieben, aber in keiner Band gespielt.
Und wie sehen nun Eure
Zukunftspläne aus?
Im nächsten Jahr wird es eine
Art Raritäten-Album geben, frühe Singles und