Heavens Cry brachten es im letzten Empire mit ihrem Debüt
Food for Thought Substitute ja immerhin zum Tip des
Monats. Neugierig geworden fragte Renald Mienert bei Sänger und
Gitarrist Pierre St. Jean nach.
Widmen wir uns zunächst einmal dem Namen der 1993
gegründeten Band.
Wir wählten diesen Namen, weil er viele
Interpretationsmöglichkeiten zuläßt. Wir suchten
etwas, das sowohl unsere progressive Seite unterstrich, gleichzeitig
aber auch die Verbindung zur Metal-Szene darstellte. Heaven
könnte zum Beispiel für ein Ideal stehen, oder auch ein
Bewusstseinstadium, das man erreichen möchte. Und Cry
steht für die Schwierigkeiten, die man auf dem Weg dorthin
überwinden muß. Meine Lieblingsinterpretation allerdings
ist der Untergang alter Denkweisen, die uns im Dunkel lassen, Kriege
und Religionen, die sehr stark miteinander verbunden sind, und das
entstehen einer neuen Gesellschaft, die menschliches Recht
respektiert und in der Ignoranz etwas wäre, das man anstatt
einer Strafe auferlegt bekommt - bitte nimm mich nicht zu ernst!
Der Heavens Cry -Sound weicht wohltuend vom Rest der
Prog-Metal-Szene ab. Fast schon so stark, dass man über die
Zuordnung zu dieser Szene streiten kann. Man mag zwar die typischen
Vertreter des Genres, setzt aber konsequent auf eigene Wege.
Es gab eine Menge guter Musik im klassischen Prog und es wäre
falsch, die Ohren davor zu verschließen. Aber ich wäre
auch in einer Band fehl am Platz, die genauso klingen würde wie
Yes oder Genesis, denn das gehörte in eine andere Zeit. Für
die meisten Menschen sind es jetzt harte Zeiten, und auch für
die anderen Lebewesen (rate mal, wessen Schuld das ist). Aus meiner
Sicht sollte Kunst die Gesellschaft so zeigen, wie sie jetzt ist
oder in der Zukunft - nicht wie sie in der Vergangenheit war.
Heutzutage sind viele Leute frustriert und emotional gestört,
daher ist unsere Darstellung der Dinge vielleicht ein wenig
aggressiv - aber Aggressivität ist nichts, was wir unterstützen
wollen, wir fühlen uns so.
Aber so ganz kommen auch Heavens Cry an den Siebzigern
nicht vorbei...
Unsere Einflüsse kommen aus der gesamten Rockmusik.
Natürlich haben wir viel siebziger Jahre Prog gehört und
Metal sowieso, aber um ehrlich zu sein, alles von den Beatles an bis
zu dem was heute so läuft hat uns beeinflusst. Es kommt darauf
an, dass der Künstler glaubhaft ist, eben ehrlich, und auf die
künstlerische Aussage. Ich persönlich halte viel von Peter
Gabriel. Für mich ist er einer der größten Künstler
des Jahrhunderts.
Einige Hörer werden auf dem Album vermutlich die so
beliebten Keyboard-Orgien vermissen. Wird sich das demnächst
ändern?
Es ist möglich, aber nicht sofort. Eric (der die
Keys für die CD beisteuerte, R.M ) ist einer meiner besten
Freunde, aber er hat momentan genug mit anderen Sachen zu tun, kann
also nicht der Band beitreten.
Kanada hat ja in Sachen Prog einiges zu bieten. Ich denke da nur
an Bands wie Rush oder Saga...
Ich war immer ein großer Fan von Rush. Ich glaube, man
kann sogar sagen, dass sie mir halfen, das zu finden, was ich aus
meinem Leben machen möchte. Außerdem ist Neil Pearlt
einer meiner Lieblingstexter. Unglücklicherweise weiß ich
kaum etwas über SAGA. Aber was ich auf dem Konzert hörte,
war überzeugend.
Dass keine Missverständnisse entstehen. Die Typen waren
nicht als Konzertbesucher bei dem SAGA -Gig, sondern als Support....
Das erste Konzert, das wir mit Luc zusammen spielten, fand
zwei Wochen nachdem er zu uns kam statt. Wir waren als Support für
SAGA in Montreal engagiert und ziemlich nervös. Aber die Show
lief so gut, dass wir es gar nicht glauben konnten. Das Konzert
danach war in einem kleinen Klub. Wir spielten Coverversionen und
eigene Songs und es war eine Katastrophe. Danach nahmen wir uns
etwas Zeit für Proben.....
Dann dürfte das neue Material ja schon on stage getestet
sein...
Wir haben ein paar Songs vor dem Erscheinen der CD getestet,
den Rest nach den Aufnahmen. Die Reaktionen waren prima. Ein paar
Leute, die das Album hörten, waren sehr überrascht, weil
sie so etwas nicht von uns erwartet hatten. Ich frage mich, was das
heißen soll....
Was mich als Nichtmusiker besonders interessiert, wie
funktioniert das Songwriting in einer Band, in der es nicht
unbedingt den typischen Mastermind gibt.
Jeder leistet seinen Beitrag und hat seinen Job in der Band.
Ich arbeite mit Sylvain und Luc nun schon eine Weile zusammen,
später kam Olaf als Gitarrist hinzu. Er ist halb Deutscher,
halb Mexikaner. Wir kamen auf ihn, weil er ein sehr kreativer Mensch
ist. Üblicherweise komme ich mit einer groben Idee für
einen Song und gemeinsam wird dann daran weitergearbeitet. Es
beginnt meist mit einem lyrischen Konzept, einem Thema, aber bis
dahin ist noch kein Wort geschrieben. Erst wenn die Musik steht,
kommen die Texte hinzu. Wir entscheiden dann, wer welchen Part
singen soll, ich oder Sylvain, und derjenige schreibt dann auch den
Text. Was die Texte bedeuten sollen, das überlassen wir deiner
Vorstellungskraft
Gerade ProgMetal-Bands wird oftmals das Fehlen von Emotionen
nach gesagt. Technisch sei man zwar perfekt, aber was den Rest
angeht...
Ehrlich gesagt kann ich mit einem solchen Statement nichts
anfangen. Ich hoffe, dass die Leute nicht uns selbst so einschätzen,
denn Emotionen sind der Motor der Band. Ich halte mich für
einen sehr gefühlsbetonten Menschen, und könnte ich das
nicht durch meine Musik ausdrücken, wäre ich vermutlich
längst verrückt. Aber im Ernst, der technische Aspekt der
Musik ist uns ziemlich unwichtig. Es mag manchmal schwer zu spielen
sein und ziemlich verfahren klingen, aber alles was wir wollen ist,
etwas völlig anderes zu machen als das, was die anderen Bands
gerade tun. Wir betrachten uns nicht als große Musiker,
möchten uns aber als Künstler verstanden wissen, die
versuchen, etwas besonderes zu machen.
Das Cover der CD hat für mich etwas Futuristisches, etwas
von Science Fiction. So recht kann man sich mit meiner
Interpretation allerdings nicht anfreunden...
Wie du siehst, ist außerhalb der Stadt nichts geblieben
als Wüste. Alle Ressourcen sind aufgebraucht. Es gibt eine
Menge Interpretationsmöglichkeiten. Wenn es für dich
Science Fiction ist, so war das zwar nicht unsere Absicht, aber
warum nicht?
Trotz der guten Kritiken, die die CD erhielt, ganz zufrieden ist
man dennoch nicht...
Mehr Spielzeug! Wir brauchen viel mehr Equipment um das zu
machen, was wir eigentlich machen möchten. - Computer,
Soundmodule, Saiteninstrumente. Ich muß dir sicher nicht
sagen, dass diese Sachen sehr teuer sind und wir sie uns im
Augenblick nicht leisten können. Dennoch würde ich gerne
nichts weiter tun als Tausende von Platten aufnehmen und mein Leben
lang auf Tour gehen. Wir alle sind bestrebt Europa zu besuchen und
die ganze Welt zu bereisen um zu lernen.
Und auch der Gedanke an ein Video scheint nicht ganz abwegig...
Im Augenblick versuchen wir Subventionen von der kanadischen
Regierung zu kriegen. Wir stehen bei einem Indie-Label unter Vertrag
und die Leute scheinen nicht das nötige Geld zu haben. Ich
schätze wir brauchen mehr Leute wie dich, auch von anderen
Magazinen, Leute die uns unterstützen. Du tust es bereits und
wir sind dir wirklich dankbar dafür.
Da kommen mir ja nun fast die Tränen der Rührung und
bevor ich ins Taschentuch schluchze, mache ich lieber Schluss.