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Grave Digger: Klischees? Ja, bitte!

DURP - eZine from the progressive ocean

Interview

Grave Digger haben mit ihrem neuen Album “Excalibur”, dem dritten Teil einer Mittelalter-Trilogie, mal wieder gezeigt, daß ihnen in Sachen Teutonen-Metal keiner was vormachen kann. Gerade rechtzeitig für das Metal-Special in den Tales unterhielt ich mich mit Gitarrist Uwe Lulis, sorry, ich meine natürlich mit Sir Lancelot.

Die Legenden um König Arthur sind ja nun ein sehr beliebtes Thema in der Rockmusik. Warum habt ihr euch auch noch einmal daran versucht?
Die Entscheidung haben unsere Fans getroffen. Wir hatten verschiedenen Themen zur Auswahl und haben dann unsere Anhänger per Internet entscheiden lassen. Allerdings finden wir auch, daß dies eine echt geiles Storie ist. Unter anderem standen halt noch zur Auswahl: “Die Fahrten des Odysseus”, “Die Nibelungen”, “Tunes Of War Part 2” und ein Thema, das von mir kam, nämlich Horrorstories um den Reaper, unser Maskottchen. Das landete allerdings auf Platz 2 und wird nun Inhalt des nächsten Albums. Hier werden wir dann Songs in Kurzgeschichten verwandeln, a la Edgar Allan Poe oder Stephen King. Das Ganze wird dann ziemlich comicmäßig aufgezogen. Etwa so wie “Geschichten aus der Gruft”, du kennst ja diese Fernsehserie.

Mir ist aufgefallen, daß ihr scheinbar großen Wert auf die Storie legt. So gibt es zu jedem Song auf “Excalibur” im Booklet ausführliche Erläuterungen. Sind Inhalte euch wichtiger als anderen Metal-Bands?
Ich weiß nicht, wie andere Metalbands mit ihren Texten umgehen. Bei uns ist das so, daß sich im Zuge der Ausarbeitung der Storie herauskristallisiert, welche Figuren dafür wichtig sind. Bei der Artus-Legende hast du da natürlich eine prima Vorlage. Du brauchst dich eigentlich nur hinsetzen und die entsprechenden Bücher zu lesen.

Ihr habt ja auch euch selbst Namen aus der Saga gegeben. Wer hat da eigentlich entschieden, wer nun wer ist?
Da mußt du eigentlich den Chris fragen, denn die Idee kam von ihm. Wir finden das eigentlich ganz lustig. Wir haben alle Leute in unserem Umfeld mit irgendwelchen Namen belegt. In meinem Fall mit Lancelot trifft es schon den Punkt. Lancelot war sehr geschickt mit dem Schwert und mit den Frauen. Und ich bin mit der Gitarre eben sehr geschickt und mit den Frauen natürlich auch. Aber das ist natürlich nicht so bierernst zu nehmen, sondern mit einem dicken Augenzwinkern.

Aber genau dieses Augenzwinkern wird ja von vielen Kritikern am Metal nicht verstanden. Die reden doch permanent von Phantasien von spätpubertären Möchtergenmachos. Warum setzt ihr so konsequent auf all diese Dinge – Totenköpfe, Schwertgerassel, strahlende Helden....
Grave Digger lebt von diesen Klischees. Was wir machen, ist astreiner Klischee-Heavy-Metal. Guck dir eine Band wie Kiss an, das ist Klischee von vorn bis hinten, und genau das, was die Leute wollen. Du kommst zur Show und willst unterhalten werden. Wir sind so etwas wie Heavy-Metal-Entertainer. Wenn zu mir einer kommt und sagt, alles nur Klischee, dann ist das für mich ein Lob – das ist genau das, was wir wollen. Die Fans wollen es, aber das wollen natürlich auch wir. Ich bin jetzt auch schon 33, aber ich würde wirklich keine andere Musik machen wollen. Ich hätte da vielleicht schon längst rauswachsen müssen, aber ich bin da noch genauso bescheuert wie die Leute, die vor der Bühne stehen. Und ich identifiziere mich absolut mit ihnen – und die Fans identifizieren sich mit uns. Das ist das A und das O bei der ganzen Sache.

Euer letztes Album wurde von einigen als zu experimentell empfunden. “Excalibur” ist wieder Metal in Reinkultur, allerdings mit einigen Elementen von aus der mittelalterlichen Musik. Dafür holtet ihr euch Verstärkung bei Subway To Sally.
Unser neuer Booker arbeitet auch mit Subway To Sally zusammen, und so kam der Kontakt zustande. Die Subways sind aus ihrer Ostvergangenheit noch große Fans von uns. Grave Digger war schon in der damaligen DDR sehr groß und auch heute haben wir dort noch viele Fans. Wir haben dann gesagt, “O.K., die Jungs haben das doch drauf mit Schalmei und Drehleier, das würde musikalisch passen, die laden wir ein.” Ich selbst kannte die Leute vorher gar nicht, nur der Chris hatte halt ein paar mal mit dem Sänger telefoniert. Sie kamen dann ins Studio und wir mochten uns sofort. Das Treffen ist sofort in eine Riesenparty ausgeartet, zumal der Eric an dem Tag auch noch dreißig wurde. Wir haben dann fett gegrillt und gesoffen, du kannst dir ja denken, wie so was endet. Und nebenbei haben wir noch ein paar Sachen für die Platte aufgenommen. Jetzt sind wir also schon so was wie Freunde. Wir haben uns bei einigen Festivals wieder getroffen und da sitzen wir dann schon gemeinsam am Tisch.

Grave Digger ist schon seit vielen Jahren gut unterwegs. Momentan haben wir ja wieder so eine Art True Metal Boom. Profitiert ihr davon, oder nervt es euch schon wieder? Schließlich gibt es ja jede Menge Trittbrettfahrer.
Natürlich nerven diese Trittbrettfahrer. Aber die letzte Entscheidung trifft dann doch der Fan, eine CD kostet schließlich mittlerweile zwischen zweiunddreißig und neununddreißig Mark. Da trennt sich dann schon die Spreu vom Weizen. Es gab in letzter Zeit viele Bands, die als DIE neue True Metal Band angekündigt wurde. Ich bin da schon offen, aber entscheiden tut der Fan. Grave Digger gibt es nun um die zwanzig Jahre, und unsere Verkaufszahlen waren eigentlich immer konstant. Das gilt genauso für die Live-Resonanz. Wir sind da nicht von irgendwelchen Trends abhängig. Die True Metal Welle ist jetzt gerade mal da, irgendwann ist sie wieder weg, aber dieser Underground wird bleiben. Wie werden in sechs, sieben Jahren immer noch auf der Bühne stehen und noch immer solche Platten machen. Eine Band wie die Guano Apes, die gehen mit dem ersten Album mal eben auf Platin, aber die zweite will dann schon kaum noch wer hören, und schon sind diese Bands nicht mehr richtig da. Diese Bands sind grade mal trendy, werden fett gekauft, alles klar. Aber wer weiß, ob Guano Apes in drei Jahren überhaupt noch einen Gig kriegen? Wenn ich alle unsere verkauften Platten zusammenzähle, dann wären wir schon über Platin.

Gerade in Deutschland gibt es ja einige Bands, die euch stilistisch sehr ähneln. Man nehme nur Gamma Ray, Blind Guardian, Running Wild oder Iron Savior. Da ist natürlich die Gefahr schon groß, daß alles ziemlich gleich klingt. Versucht ihr euch irgendwie von den anderen Bands abzuheben?
Ich denke, Unterschiede ergeben sich ganz klar durch die unterschiedlichen Sänger, die einfach ganz anders klingen. Ich glaube, die Bands klingen auch sonst unterschiedlich. Gut, wir spielen die gleichen Harmonien und die gleichen Akkorde, aber die Tonleiter gibt nun mal nicht mehr her und jedes Riff ist schon mal gespielt worden. Da mußt du eben einfach nur gute Songs schreiben. Und das Thema Konkurrenzkampf ist in der Szene sowieso schon lange durch. Wir haben den Ehrgeiz, eine gute Grave Digger Platte zu machen, nicht unbedingt den, anders als die anderen klingen zu müssen.

Wie entstehen bei Grave Digger eigentlich die Songs?
Das hat sich in den letzten Jahren eigentlich gut eingespielt. Ich sitze an der Bandmaschine und am Rechner und nehme auf, was mir einfällt. Das bekommt dann der Chris und baut es sich so um, wie er es dann möchte. Der Sänger ist in einer Metalband eben extrem wichtig. Es müssen Songs herauskommen, bei denen Chris sich wohl fühlt. Ich kann auch super progressiv sein, ich kann tausend Läufe spielen, aber ich weiß nicht, ob das für Grave Digger geil wäre. Ich bezeichne mich ja auch nicht als Leadgitarrist, sondern als Rhythmusgitarrist, der auch Solos spielt. Für mich ist wichtig, daß die Band als Ganzes funktioniert. Alles was noch obendaruf kommt, ist nur Beiwerk. Ich spiele auf der Bühne viel lieber einen Rhythmus, den ich auch ohne hinzugucken hinkriege, und kommuniziere dann per Blickkontakt mit den Fans. Ich unterhalte mich quasi nebenbei noch mit ihnen. Das macht mir viel mehr Spaß. Auf den letzen Alben gibt es immer wieder Songs, auf denen ich komplett auf ein Solo verzichtet habe, da geht der Rhythmus durch.

Wie wichtig ist für euch, daß bei euren Songs auch eine gewisse Vielfalt mit im Spiel ist?
Ich gehe da immer vom Zuhörer aus. Wenn ich ein Album höre, und die ersten vier Nummern sind Brett, dann muß sich das Ohr auch mal erholen, dann muß auch mal etwa ruhiges kommen. Beim Gig ist das nicht anders. Du kannst nicht fünf, sechs Nummern Double Bass spielen, denn dann sind die Jungs vor der Bühne fertig. Die können dann einfach nicht mehr. Ich mag es, wenn ein Album von vorn bis hinten dynamisch ist, wenn es bestimmte Eckpunkte gibt, Songs an die sich der Hörer schon nach ein paar Durchläufen erinnert. Bei einem Album voller Double Bass Tracks mußt du die Songs erst mal zwanzig mal hören, bist du sie überhaupt unterscheiden kannst. Und ein abwechslungsreiches Album komplett durchzuhören, das macht auch mehr Spaß.

Wie ernst nehmt ihr, wie eure Alben in der Szene-Presse ankommen?
So wichtig sind uns solche Dinge wie “10xDynamit” oder “Platte des Monats” nicht. Natürlich freut man sich darüber, aber es ist ja auch schon vorgekommen, daß eine Band in der Presse groß abgefeiert wurde, und als dann eine Tour anstand, mußten Gigs gecancelt werden, weil keiner kam. Oft spielen bei solchen Dingen sicher auch persönliche Geschichten eine Rolle. Der Journalist kennt die und die Band besonders gut, will ein wenig supporten. Die letzte Entscheidung treffen die Fans. Die hören sich die Alben sowieso vor dem Kaufen an.

Betrachtet man eure Webseite, dann scheint auch das Internet für euch sehr wichtig zu sein.
Wie wichtig, sehr ich daran, daß ich viele E-Mails aus allen Ecken der Welt kriege. Ich habe unsere Webseite selbst programmiert um da den Leuten natürlich auch die Chance gegeben, direkt mit uns in Kontakt zu treten. Ich krieg am Tag locker zehn bis sogar vierzig Mails, und mindestens die Hälfte kommt aus dem Ausland. Das kommt immer besonders gut, wenn die Plattenfirma uns erzählen will, daß es im Ausland nicht so läuft. Dann nehme ich meinen Ordner mir den ausgedruckten Mails, und dann soll mir nochmal wer erzählen, daß es irgendwo nicht läuft.

Hoffen wir, daß es für Grave Digger noch lange läuft. Aber darum müssen wir uns wohl wirklich keine Sorgen machen.


© Renald Mienert
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