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Gamma Ray: Irgendwo im All

DURP - eZine from the progressive ocean

Interview

Nicht “Somewhere Out In Space” - so der Titel des aktuellen Studioalben der deutschen Melodic-Metal-Band - sondern schlicht im Tourbus unterhielt ich micht mit Bassist Dirk Schlächter, und den beiden Neuzugängen Henjo Richter an der Gitarre und Drummer Dan Zimmermann. Frontmann Kai Hansen war gesundheitlich an diesem Tag nicht so gut drauf und wollte sich für den Gig schonen. Aber es wurde auch so eine fröhliche Unterhaltung.

Nach dem Ausstieg von Kai bei Helloween 1988 begann die Erfolgsstory von Gamma Ray. Bisher kann man auf fünf Studioalben zurückblicken, die sich teilweise weit über hunderttausend Mal verkauften. Den Namen lieh man sich von einem Kultsong der Krautrocker von Birth Control, den man auf der dritten Scheibe “Insanity und Genius” dann folgerichtig auch coverte. Birth Control sind ja auch wieder ziemlich aktiv, handeln sich von den Medien jedoch oft Schelte ein. Was Henjo dann aber doch für übertrieben hält:

“Ich hab sie in Wacken gesehen. Das klang aber alles ganz nett - ziemlich alt natürlich. Sie haben allerdings übertrieben lange Soli gemacht. Aber immerhin - sie haben zwischen all diesen neuen Bands gespielt und ich glaube auch nicht, daß sie so schlecht ankamen.”
Vielleicht hat man ja einfach den Zeitpunkt zum Aufhören verpaßt. Als ich jedoch wissen will, ob Gamma Ray das auch passieren kann, ernte ich eher Unverständnis.

“Wir sind ja noch nicht alt! Für uns ist noch lange nicht der Zeitpunkt gekommen. Wir sind Musiker mit Herz. Diese Musik ist unsere Bestimmung, da kann man nicht zu alt für sein.”
War ja zugegebenermaßen ‘ne reichlich blöde Frage von mir. Und das auch noch gleich zu Anfang. Wenden wir uns einem erfreulicheren Thema zu. Auch wenn es in den Charts von Metalbands nicht gerade wimmelt, Gamma Ray ist immer für eine Chartnotierung gut. Auch das neue Album landete locker in den Dreißigern. Welche Bedeutung mißt man dem bei?

“Man fällt vielleicht etwas mehr auf, wenn man so eine Chartnotierung hat. Man ist da nur leider nicht besonders lange. Aber es ist schon ein Statussymbol.”
Außerdem scheint es ja auch der ganzen Szene wieder besser zu gehen. Ich bringe Hammerfall ins Spiel, mit denen man ja diese Tour bestreitet, außerdem ist noch Jag Panzer mit dabei - ein ziemlich geiles Package also. Es geht also wieder aufwärts?

“Sonst würde so ein Charteinstieg ja nicht passieren, Hammerfall haben angefangen, wir hinterher. Ich glaube schon, daß es ein Zeichen für einen Aufschwung ist”, meint Dirk und Dan ergänzt: “
Gerade Newcomerbands wie Hammerfall die geben der Szene wieder einen Kick - wie eine Blutauffrischung. Davon profitiert natürlich die ganze Szene. Bei der Autogrammstunde ist mir aufgefallen, daß auch wieder ganz junge Leute kommen, nicht mehr nur die alten Fans aus der Hochzeit des Melodic-Metals, als Helloween die großen Erfolge hatte. Da tut sich was.”
Da kann von Stagnation sprechen, wer will.

“Bei Gamma Ray fand schon eine kontinuierliche Entwicklung statt, die aber nie völlig aus dem Ruder lief. Es klingt keine Scheibe wie die andere - und das ist auch gut so - aber es ist nie so gewesen, daß man sagen könnte: Hoppla, die bleiben sich überhaupt nicht mehr treu. Die Fans werden immer noch voll bedient, obwohl die Weiterentwicklung trotzdem zu hören ist. Was uns fern liegt, ist einfach den Trends nachzulaufen. Wir machen halt einfach unser Ding, egal was wir spielen, es wird immer dieser Melodic Metal sein - das kommt aus uns raus.”
Ärgerlich ist man dann aber, wenn in irgendwelchen Postillen aus lauter Unverständnis der größte Unsinn über die Band geschrieben wird.

“Wir haben den Typen von der Bravo noch nicht getroffen! Man wird halt dann sauer, wenn man etwas liest - eine schlechte Kritik oder so - und sich dann fragt, woher dieser Typ eigentlich seine Informationen hat. Wenn der offensichtlich das Album gar nicht gehört hat. Speziell dieser Bravo-Knilch, wenn der vom zehnten Studioalbum von Gamma Ray spricht - der weiß halt überhaupt nichts, wir haben eben noch keine zehn Studioalben. Vielleicht kann er ja auch Metal ohnehin nicht ausstehen, warum man dann allerdings so einen ‘ne Kritik schreiben läßt, ist uns ein Rätsel. Und wenn das dann gedruckt wird - dann ist das Oberkacke. Das Zeug wird ja auch gelesen. Und wenn dann ein falsches Bild von uns wiedergegeben wird, das tut einfach nicht not - es könnte ja auch ein paar Leute geben, die das wirklich interessiert, die musikalisch von aus einer ganz anderen Ecke kommen - aber die werden natürlich durch eine solche Kritik davon ferngehalten.”
Genau wie die Kumpels von Iron Savior haben auch Gamma Ray mit dem neuen Opus ein Thema aus dem Bereich Science Fiction gewählt.

“Es ist halt diese Geschichte von einem fremden Planeten, der schon ziemlich runtergewirtschaftet ist. Die Außerirdischen sind dann losgeflogen, auf der Suche nach einer neuen Heimat und sind auf der Erde gelandet. Als man losflog war die noch ziemlich jungfräulich, aber da der Flug ja Generationen dauerte, fand man bei der Ankunft dummerweise schon die Menschheit vor. Die Story ist halt von Däniken beeinflußt, irgendwas kann an seinen Theorien schon dran sein. Irgendwann in der Geschichte der Menschheit gab es eben solche Evolutionsschübe, die man nicht so recht erklären kann.”
Und außerdem mag man eben Science Fiction.
Eins scheinen alle deutschen Melodic Metal Bands zumindest gegenwärtig gemeinsam zu haben: Die Vorliebe für das Covern eines Klassikers. Gamma Ray nahmen sich Uriah Heep’s “Return to Fantasy” vor. Mein Vorschlag, sich doch einmal mit anderen Bands zusammenzutun und eine ganze CD zusammenzulöten, findet dann auch Zustimmung.

“Das ist eine ziemlich geile Idee. Irgendwann wird das bestimmt auch kommen. Allerdings sollte man dann neue Songs auswählen, nicht die bereits gecoverten.”
Wie ist das denn nun so auf einer Tour mit zwei anderen Bands, gibt es Kontakte oder geht man sich eher aus dem Weg?

“Klar gibt es Kontakte, die gibt es zwangsläufig jeden Tag. Es dauert eine Weile, bis man rausgefunden hat, wen man mag, wen man nur freundlich grüßt und wem man ständig eine reinhauen könnte.”
Wie sich das denn nun im konkreten Fall verhält, würde mich schon interessieren, aber zu fragen traue ich mich dann doch nicht. Dafür will ich wissen, ob der Headlinerstatus der Band wichtig ist.

“Nicht wirklich wichtig. Es ist natürlich schon ein besonderer Status, von dem unter anderem auch abhängt, ob man die Läden voll kriegt. Und man hat den Bühnenaufbau so wie man will. Aber wir hatten ja auch eine Menge mit den Vorbereitungen zu tun und eine Menge Geld ausgegeben. Aber wenn wir an die Tour mit Manowar denken, da waren wir Support und es war auch geil.”
Apropos Geil. Die Überreste einiger Plakate draußen zeugen vom Gig einer Band, bei der man nie so richtig weiß, machen das weiblichen Mitglieder nun mehr auf Metal und mehr auf Porno. Die Rede ist natürlich von Rock Bitch. Würde man auch die supporten?

“Nö, muß nicht sein. Wer weiß was da rauskommt! Die können ja uns supporten!”
In welcher Hinsicht?

“Da schweigen wir uns jetzt mal so’n bißchen aus!”
Werden wir also wieder ernst. Manchmal hat es ja den Anschein, als sei in der Szene alles Friede, Freude, Eierkuchen. So richtig glauben kann ich das aber nicht.

“Es gibt Leute, die man gut kennt, zu denen man einen richtig guten Draht hat, dann gibt es Bands, die man nur von Festivals kennt. Vornerum ist natürlich immer alles prima, aber hinter dem Rücken gibt es auch diese Konkurrenz - das ist überall so und da kann man die Metalszene nicht von ausnehmen. Wenn man aufeinandertrifft, dann kommt die Konkurrenz. Wenn man nur nebeneinander lebt, dann kann man sich auch nicht weh tun.”
Schließlich frage ich die beiden Neuzugänge Henjo und Dan, die nebenbei übrigens in einer Heep-Coverband spielen, ob sie denn von den “Alten” von Anfang an akzeptiert wurden, oder eher wie die Frischlinge behandelt wurden. Beide sind sich einig, daß letzteres auf gar keinen Fall zutrifft. Dirk hingegegen grinst:
”Das haben wir dann ja ziemlich gut gebracht, daß ihr das nicht mal mitgekriegt habt!”
Ist ein Label wie Noise für eine Band wie euch nicht ein wenig zu klein, will ich dann noch wissen.

“Bei einem Major sind wir ohnehin nur ein kleines Licht bei allen diesen Popbands. Da ist es schon besser, du bist bei einem kleinen Label das dickste Pferd im Stall!”
Aber alle diese Popbands haben prima poppige Videos. ihr auch?

“Ein Video kostet ganz gut Geld und läuft dann zweimal bei Metalla - das lohnt sich einfach nicht. Da ist die Knete woanders promotionmäßig besser angelegt.”
Und da - zum Zeitpunkt dieses Interviews - Weihnachten noch vor der Tür stand - abschließend die Frage, was wünscht man sich denn so - nicht speziell vom Weihnachtsmann, sondern eher allgemein gehalten.
Dirk muß zwar eine Weile überlegen, überrascht mich dann doch sehr:
“Es ist zwar hirnrissig, aber mit Frank Zappa hätte ich gerne gespielt. Der ist zwar tot, und hätte mich nicht genommen, weil ich nicht vom Blatt spielen kann. Na ja, hat sich ja sowieso erledigt!”
Henjo sieht die Sache rationaler:
“Ich möchte einfach besser werden. Mein Ziel ist es, von Musik gut leben zu können. Wenn du populärer wirst, ergibt sich vieles von selbst. Je höher dein Status ist, je mehr Leute lernst du kennen.”
Und auch der Wunsch von Dan sollte in absehbarer Zeit wahr werden: “
Rock in Rio mit Gamma Ray!”



© Renald Mienert
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