progressive Interview , progressive band talk

Fair Warning: Keinen Bock auf Trends

DURP - eZine from the progressive ocean

Interview


In Japan sind sie Stars, in ihrer deutschen Heimat agiert das Quintett mit Hauptquartier in Hannover allerdings immer noch aus der zweiten Reihe. “Go” heißt die aktuelle Studioscheibe, die hierzulande allerdings mit fast einem Jahr Verspätung erschien. Warum das so war und noch ein paar andere Sachen wollte Melodic Journey - Mitarbeiter Renald Mienert von Leadsänger Tommy Heart wissen.

“Go” erschien in Japan am 26. Februar 1997. Warum in Deutschland erst gegen Ende des Jahres?

Wir hatten vor, uns zunächst auf den japanischen Markt zu konzentrieren, weil wir vorhatten, uns von unserer alten Plattenfirma zu trennen. Die beiden ersten Album sind bei WEA Deutschland erschienen, aber wir konnten uns irgendwie nicht einigen. Band und Label paßten einfach nicht zusammen. Jeder wollte irgendwie was anderes, die Band hat sich anders gesehen, als die Plattenfirma die Band. Wir haben uns dann geeinigt, die Zusammenarbeit zu beenden. Im November, Dezember was die Platte fertig, wir sind dann nach Japan auf Promotour und parallel haben wir dann schon Plattenfirmen in Deutschland kontaktiert. Als wir wieder zurückkamen legte uns unser Manager dann die verschiedenen Angebote vor, aber wir haben noch eine Weile gewartet. Und irgendwie war dann plötzlich fast ein Jahr vorbei.

Wenn ich mir die Liste eurer Veröffentlichungen ansehe, gibt es neben drei regulären Studioalben bereits eine Reihe von anderer Veröffentlichungen - Best of, Live, EP`s und diverse Singles - das riecht ja ganz schön nach Abzocke.

Nun, eigentlich nicht. Wenn mir solche Sachen machen, dann eigentlich immer dann, wenn die Fans eine neue Veröffentlichung wollen, wir aber mit dem offiziellen Studioalbum noch nicht fertig sind. Also sagen wir dann, bringen wir drei, vier Songs raus, packen noch ein paar Bonustrax drauf, und dann sind sie erst mal wieder zufrieden. Wenn es uns um Kohle gehen würde - ich meine, heutzutage mit Rockmusik Geld verdienen zu wollen ist ziemlich schwierig. Um Geld zu verdienen, sollte man sich dann wohl besser einen Job suchen und arbeiten gehen.

Woher kommt ihr denn nun eigentlich? Hannover kann ja nicht so ganz richtig sein, sonst würde ich jetzt ja nicht in Berlin anrufen.

Drei Leute kommen aus Hannover und zwei aus Berlin. Ich und der Andy, unser Gitarrist.

Kompliziert das die Sache nicht?

Nee, so groß ist die Entfernung ja nun auch nicht. Die zweihundert Kilometer sind mit dem ICE schnell abgerissen.

Ich meinte auch nicht die Entfernung. Preußen und Fischköppe - das soll gehen?

Es gibt sicher Unterschiede in der Mentalität. Aber wir kennen uns jetzt seit neun Jahren und es war von Anfang an Sympathie vorhanden. Wäre das nicht gewesen, hätte auch alles andere nichts genutzt. Bloß miteinander zu spielen, weil die Musik so toll ist oder wegen der Knete, das wäre mir zu wenig. Aber irgendwie anders sind sie doch, bißchen kühler ist man dort drauf. Ich hab ja mal versucht, dort zu leben, mir eine Wohnung gesucht - aber es hat mir nicht soviel Spaß gemacht. Berliner bleibt Berliner. Man muß halt auf beiden Seiten etwas nachgeben und sich erst einmal antasten.

Stars in Japan - Nobodys in Germany . Nervt das?

Im Moment sind wir vor allem froh darüber, daß wir in Japan so erfolgreich sind. Beim lieben Geld waren wir ja schon. Aber ich glaube, auch hier wird man irgendwann merken, daß wir nicht irgendwelchen Mist machen. Bei den beiden ersten beiden Alben hat man uns hier eher belächelt, vielleicht weil der damals überfüllt war, mit Bands, die solche Musik gemacht haben. Und dann hat man wohl gedacht, allen Bands die etwas später kommen, schiebt man erst einmal den schwarzen Peter zu und demonstriert, daß man auch richtig schlechte Kritiken schreiben kann. Was manche Zeitschriften mit einigen Bands gemacht haben das finde ich unmöglich. Man kann nicht eine Kritik über ein Album schreiben, das man nicht versteht. Man kann nur lieben, was man versteht. Es ist also absolut absurd, jemand eine Metal-CD zu rezensieren, der Metal haßt. Es kommt oft vor, daß Leute, die die beiden ersten Platten total verrissen haben, jetzt ankommen und erzählen, wie super das neue Album doch sei. Und wenn wir dann fragen, was ist denn jetzt anders, was hat sich denn verbessert - dann wissen sie keine Antwort. Denn der Stil hat sich nicht geändert.

Wo siehst du denn die Probleme in der gegenwärtigen Situation im Rockgeschäft?

Da ist soviel Mist im Moment auf dem Markt. Das ist alles so schnellebig, alles bloß noch berieseln. Früher hat man sich hingesetzt, Kopfhörer auf und intensiv Musik gehört - und zwischendurch noch die Platte umgedreht. Heute ist alles so zappelig. Früher ist man in den Plattenladen gegangen, und hat sich die Platte vorspielen lassen. Hat mal hier und da reingehört. Heute guckst du MTV. Die ganzen Verkaufszahlen sind ja auch derart zurückgegangen, daß es schon fast lächerlich aussieht, wenn in Deutschland jemand Gold macht. Heutzutage ist alles so trendwendig. Am besten, du hast noch einen in der Band, der Skateboard fährt. Oder jetzt besser Rollerblades, weil das in Deutschland gerade in ist. Nur Klischees, die nichts mehr mit Musik zu tun haben. Wir haben uns immer auf die Musik konzentriert. Ob sich einer zehn Pfund Spray in die Haare schmiert, interessiert uns nicht. Wir präsentieren uns so, wie wir uns selber sehen, ohne einem Trend zu folgen.

Wenn ich mir eure neue Scheibe anhöre, mit Ecken und Kanten ist da nichts, das ist alles ziemlich auf Harmonie getrimmt.

Nicht getrimmt - das ist halt so. Bei Musik ist nicht wichtig, ob sie zu hart ist, oder zu weich oder glatt oder so - wichtig ist, ob die Musik wirklich etwas aussagt. Wenn der Hörer wirklich merkt, daß da was rüber kommt. Man muß irgendwie eine Schublade finden, um eine Band einzuordnen - das kann ich verstehen. Gerade bei neuen Bands, und wir sind ja in Deutschland noch weitestgehend unbekannt. Wir haben ja an der Platte hart gearbeitet, und uns eine Menge Gedanken gemacht. Wir wollten nie, das jeder Song das Zeug zu einem Hit hat. Wir haben das Album immer als Ganzes betrachtet - komischerweise sogar, als gäbe es wie bei einer Schallplatte A und B - Seite. Eigentlich wollten wir nicht so viele Stücke auf das Album packen. Auf der Rainmaker da waren ja Tonnen von Songs drauf - sechzehn oder so. Das ist einfach zu viel. Es ist nicht wie bei einer Schallplatte, wo du zwangsläufig einen Break hast und dich danach neu konzentrierst. Bei der CD hört man oft fünf, sechs Lieder, und dann ist es vorbei. Du sagst, ohne Ecken und Kanten. Ich kenne unsere Ecken und Kanten - jeder hört halt irgendwie anders.

Mag sein, für mich ist euer Album zum Beispiel auch absolut radiotauglich

Wenn du mit unserer Musik zum Radio gehst, dann sagen sie dir, das können wir nicht spielen. Da ist ‘ne Rockgitarre bei.

Nimm es mir nicht übel, aber ein Song wie “All On Your Own” klingt doch sehr stark nach den Scorpions.

Bei der ersten Platte habe ich noch viel mehr nach Klaus Meine geklungen, aber Ähnlichkeiten sind ja auch tatsächlich da. Aber ich denke, das ist immer nur der erste Eindruck. Wenn man unsere Platten öfter hört, kriegt man die Unterschiede schon mit. Auch die Musik der Scorpions funktioniert einfach nur über Melodie. Und ich glaube, das ist genau der Punkt, wo man sagen kann, das hätten auch die Scorpions machen können. Ich finde den Vergleich auch gar nicht schlimm. Allerdings finde ich das, wie die Scorpions heute machen, auch schon ziemlich lächerlich. Die probieren wirklich, auf Teufel komm raus eine Single zu machen. Und sie haben ja auch den Druck. Mit einem Hit wie “Wind of Change” - der mir persönlich nun gar nicht gefällt - haben sie sich ja auch selbst ein Bein gestellt. Damit haben sie eigentlich den Anspruch aufgegeben, eine Rockband zu sein. Freilich, sie haben schon immer ‘ne Ballade auf den Alben gehabt und auch Trends gesetzt. Plötzlich hat dann jeder Balladen gemacht, kamen dann die Kuschelrock-Serie. Aber mittlerweile ist das alles ein wenig wie Eintopf. Ich finde es auch schade, daß sie sich nicht trauen, an ihr Limit zugehen. Sie machen immer noch dasselbe, was sie vor zehn, fünfzehn Jahren gemacht haben.

Du hast gesagt, ihr habt euren Stil nicht geändert. Heißt das, es fand keine Entwicklung statt?

Entwicklung muß ja nicht immer ein radikaler Stilbruch sein. Ich glaube, das ist feiner gefächert, als du denkst. Bei unserer ersten Platte wollten wir irgendwohin, wußten aber noch nicht, wohin. Wir haben Musik gemacht, wußten aber nicht, wo es uns hinführt und was wir überhaupt alles machen können. Mit der zweiten hatten wir den Weg zwar gefunden, wir wußten, was wir wollten, konnten es aber noch nicht hundertprozentig umsetzen. Bei der neuen Platte war das alles viel einfacher. Ich glaube auch, daß die Leute das merken. Der Stil hat sich nicht geändert, aber wir sind einfach reifer geworden. Die Musik hat jetzt viel, viel mehr von uns.

Wenn ihr in Japan so erfolgreich sein. Versucht ihr dann auch, eure Songs speziell für den japanischen Markt zu schreiben. Ich kann mir nicht vorstellen, daß so etwas funktioniert.

Es gibt Leute, die können so etwas. Aber das ist nicht das, was uns interessiert. Wir wollen nicht versuchen, auf irgendeinen Zug aufzuspringen, der schon lange vorbeigefahren ist. Wir wollen tun, was uns Spaß macht, wo wir alle drauf stehen. Irgendwann wollen die Leute die Musik hören, wie wir sie machen. Einfach immer nur die Musik machen, die grade modern ist, finde ich ziemlich langweilig. Wenn du dich auf so eine Schiene begibst, dann ist das auch ziemlich gefährlich. Du bist immer irgendwie der letzte, weil die Musik immer schon eine halbes Jahr auf dem Markt ist. Unser Ziel ist die Selbstverwirklichung. Das mit Japan war einfach nur ein unwahrscheinliches Glück. Hätten wir Japan nicht gehabt, würde es diese Band wahrscheinlich längst nicht mehr geben. Es ist unwahrscheinlich schwierig heute als Band zu überleben. Man muß einfach nur bei der Stange bleiben. Es gibt auch Bands, denen man jahrelang sagt, hört auf, eure Musik ist nicht trendy. Und die Band hat dann gesagt: Fuck off, entweder die Leute wollen uns irgendwann oder nicht, dann machen wir das eben für uns.


© Renald Mienert
DURP - eZine from the progressive ocean
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