progressive Interview , progressive band talk

Everon: Venus post SI

DURP - eZine from the progressive ocean

Interview

Das Ende des holländischen Prog-Labels SI führte auch bei Everon zumindest zum Gedanken an eine Auflösung der Band. Aber es gab auch ander Gründe, die dazu beitragen, daß die zahlreichen Fans recht lange auf den Flood-Nachfolger warten mußte, wie die Hochzeit von Bassist Schymy oder der Aufbau des eigenes Studios. Renald Mienert unterhielt sich mit Bandleader Oliver Philipps.

Wie seid ihr eigentlich damals zu SI gekommen?

Das war mehr oder weniger Zufall. Wir haben damals die erste Platte in Eigenproduktion gemacht und hatten zu dem Zeitpunkt noch gar keinen Deal. Es gab dann die ersten Pressereaktionen, im SRM und auch im Rock Hard, und daraufhin gab es dann Angebote von diversen Prog-Labels, von Musea, WMMS und eben auch SI. SI schien damals das seriöseste zu sein. Sie waren damals auch am weitesten entwickelt, eben schon eine richtige Plattenfirma.

Kam das Aus für SI für euch eigentlich überraschend?

Überraschend für uns eigentlich nicht, weil sich die Schwierigkeiten des Labels doch schon seit längerem abzeichneten. Als die Nachricht offiziell war, da haben wir es schon lange gewußt. Als dann “Flood” erschien, war das Album ja mal gerade sechs Wochen in den Läden zu haben, und dann war auch schon Feierabend. Spätestens da wurde uns klar, daß SI ernste Probleme hat.

Und jetzt seid ihr bei Mascot gelandet, wieder einem holländischen Label, das aber auch mit Cymbeline zusammen arbeitet, was wiederum eine Art Nachfolge-Label von SI ist.

Ja, da ist schon so. Ursprünglich war auch angedacht, daß “Venus” bei Cymbeline erscheint, aber wir haben dann doch darauf bestanden den Deal direkt mit Mascot zu machen. Mascot ist doch ein recht etabliertes Label, das auch einige namhafte Acts unter Vertrag hat und die Leute machen eigentlich eine sehr gute Arbeit. Wir legen großen Wert darauf, ein breiteres Publikum anzusprechen als diese typische Prog-Szene. Und da sind die Chancen einfach besser, wenn du nicht bei so einem typischen Proglabel wie Musea oder Inside Out unter Vertrag stehst.

Im Gegensatz zu vielen anderen Prog-Bands, die ja eigentlich fast alle an den typischen Vorbildern der Siebziger orientiert sind, klingt ihr von der ersten Platte an absolut eigenständig

Das ist ja auch der Sinn der Sache! Ich halte mich eigentlich bewußt von diesen ganzen typischen progressiven Vorbildern fern. Ich möchte von diesen Bands auch gar nicht beeinflußt werden. Mein Vorrat an Platten von Genesis, Marillion oder Rush ist eher verschwindend gering und ich höre mir diese Musik auch im Normalfall gar nicht an. Ich denke, man sollte als Künstler - wenn man etwas eigenständiges machen will - den Kopf ziemlich frei halten. Ich schreibe ohne Vorgaben, ich könnte dir auch nicht sagen, wie die nächste Platte klingen wird.

Du bist ja eindeutig der Kopf von Everon. Du schreibst die Songs, singst, spielst die Tasteninstrumente und Leadgitarre. Was passiert, wenn du dem Rest der Band mal einen Song vorstellst, und die sagen, nö, der ist Scheiße?

Ist noch nicht passiert! Es ist so, daß ich ziemlich kritisch mit meinen eigenen Sachen umgehe. Wenn ich einen Song dann den anderen vorstelle, dann habe ich schon sehr lange an ihm herumgebastelt.

Du hast ja auch eine klassische Klavierausbildung genossen...

Elf Jahre!

Aber für mich klingt gerade der Gesang auch sehr professionell und nicht wie einfach drauflos geträllert...

Der Gesang ist absolut ungeschult! Ich habe in meinem Leben keine einzige Stunde Gesangsunterricht gehabt. Ich habe auch zwischen den Aufnahmen von Flood und Venus praktisch eineinhalb Jahre überhaupt nicht gesungen!

Und gibt es bei der Vielzahl deiner Funktionen nicht Probleme bei der Live-Umsetzung?

Das ist reine Übungssache. Irgendwann sind die Keyboardparts soweit automatisiert, daß der Gesang kein Problem mehr darstellt.

Wenn man über Everon spricht, dann muß man auch über die außergewöhnliche Qualität der Cover sprechen.

Keine Frage.

Soweit ich die Geschichte kenne, seid ihr durch Zufall auf ein Bild von Gregory Bridges gestoßen, habt ihn kontaktiert, er wollte wissen, was ihr für Musik macht - ihr hättet ja auch irgendwelchen Murks spielen können - aber eure Musik gefiel ihm und so kam es zu der Zusammenarbeit. Habt ihr bei der Gestaltung der Cover eigentlich ein Mitspracherecht?

Mitspracherecht wollen wir da gar nicht haben. Wir waren von seiner Arbeit bisher immer so beeindruckt, daß wir sagen, mach wie du denkst.

Hatten die beiden ersten Cover so einen Touch in Richtung Nautilus, ist das aktuelle eher spacig geraten.
Er vertritt genau diese Richtungen. Zum einen surrealistisch-nostalgisch, zum anderen futuristisch.

Wobei sich der gesamte Inhalt des Covers von Venus erst erschließt, wenn man es auseinanderfaltet. Ja gut, das war eigentlich noch anders geplant. Aber Greg hält sich leider nicht so an die vorgegebenen Formate. So wie er das Layout ablieferte, passte es in kein CD-Booklet der Welt. Da haben wir uns für diesen Weg entschieden, aber wir denken, es funktioniert auch so.

Eure beiden ersten Scheiben wurden von Eroc produziert. Die dritte nicht....

Es waren eigentlich nur terminliche Gründe. Eroc ist ein sehr gefragter Producer und hat viel zu tun. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, auch in Zukunft wieder mit ihm zu arbeiten. Auf der anderen Seite haben wir nun unser eigenes Studio aufgebaut, haben sehr viel gelernt und können nun auch damit hausieren gehen, können sagen, hört euch unsere Scheibe an, solchen Sound könnt ihr in unserem Studio machen.

Und wie entwickelt sich die Arbeit mit dem neuen Studio?

Es läuft ja jetzt erst an. Im Prinzip haben wir im Sommer die Platte aufgenommen, sind danach in Urlaub gefahren und haben dann die Räume vergrößert. Es gibt jetzt einen eigenen Aufnahmeraum, so daß man jetzt auch an andere Bands herantreten kann. Es gab zum Beispiel schon einen Anruf von einem Typen aus Dänemark, der sich ziemlich beeindruckt zeigte. Es soll ja nicht so ein typisch kommerziell ausgerichtetes Studio sein, wo man von vornherein sagt, bis dann und dann habt ihr Zeit, danach müßt ihr wieder raus. Wir geben den Bands wirklich soviel Zeit, wie sie brauchen. So ein wenig in der Art wie es Peter Gabriel mir Real World macht.

Euer LIne-Up war ja über die Jahre hinweg konstant. Gab es im Vorfeld irgendwelche Wechsel?

Im Vorfeld nicht, aber in jüngster Zeit. Wir haben einen neuen Gitarristen. Wir waren eigentlich schon immer mehr eine Drei-Mann. Band plus Gitarristen. Der neue heißt Uli Höfer - kennt kein Mensch. Er hat zwar zuvor schon in einigen Bands gespielt, aber nichts progressives.

Was sich jetzt ja wohl ändern wird.....



© Renald Mienert
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