Eloy:
Die Antworten zu den Fragen zu den Antworten
Interview
Ein Interview mit Frank
Bornemann von Renald Mienert
Bevor wir zum aktuellen Album
kommen, zunächst eine Frage zu Ocean Teil 1. Vor einigen Jahren
ging ja die Meldung durch die Medien, daß das Album vergoldet
wurde.
Das war für uns alle eine
Riesenüberraschung. Ocean I wurde ja bereits 1977
veröffentlicht. Wir haben zwar gewußt, daß sich das
Album immer noch verkauft, aber natürlich nicht wie. 1994
hatten wir dann 25jähriges Jubiläum und wir haben uns
überlegt, ob wir nicht etwas besonderes machen sollten. Wir
haben ja die Band jahrelang nur zu zweit weitergeführt, der
Keyboarder Michael Gerlach und ich. 1992 kam dann unser früherer
Bassist wieder dazu, Klaus Peter Matziol. Und vom ihm kam dann auch
die Idee, wenn wir schon ein solches Jubiläum haben, dann
müssen wir uns auch zeigen. So kam es 94 zu der
Anniversary-Tour zum Album The Tides Return For Ever.
Die Tour lief sehr gut, obwohl wir zunächst dachten, nach zehn
Jahren Bühnenabstinenz kommt kein Mensch. Eine solche Pause
übersteht normalerweise kaum eine Band. Aber die Tour war so
gut, daß wir im Frühjahr 95 noch einige Zusatzkonzerte
gaben. Und dann hatte sich plötzlich unsere frühere
Plattenfirma gemeldet - wir waren ja damals schon seit Jahren bei
SPV - und gesagt, Ocean hat Gold, ihr könnt nach
Bochum kommen und euch die Platte abholen. Und so hat uns die
Vergangenheit wieder eingeholt. Es war natürlich auch eine
große Motivation, mit der Band überhaupt weiter zu
machen.
Kann man denn sagen, daß
die damalige Tour die Verkaufszahlen noch einmal positiv beeinflußt
hat?
Ich denke schon, obwohl unsere
Plattenfirma die Sache auch ein wenig verpennt hatte. Das Album war
ja nur noch im Backkatalog, und wir waren eigentlich schon mit
30.000 Exemplaren über den Goldstatus hinweg. Aber das macht
natürlich nichts- es war immerhin unsere erste und bisher
einzige Goldene.
Und nun gab es im vergangenen
Jahr den Nachfolger Ocean II - The Answers.
Fortsetzungen sind ja im Film schon lange an der Tagesordnung, aber
auch wenn es um Musik geht, sind sie zumindest keine Seltenheit
mehr. Mike Oldfield hat ja für seine Tubular Bells
- Nachfolger reichlich Prügel einstecken müssen, und Meat
Loaf hat zwar ein erfolgreiches Album abgeliefert, aber auch hier
schienen eher kommerzielle Gründe hinter dem Namen des Albums
zu stehen als inhaltliche.
Du hast Recht, obwohl solche
Beweggründe für uns keine Rolle gespielt haben. Zunächst
einmal gibt es wirklich keine musikalischen Gemeinsamkeiten, die
sofort auffallen würden. Und das ist ja auch gut so. Die Band
ist zwanzig Jahre weiter. Und wenn wir nicht in der Lage gewesen
wären, etwas zu machen, was musikalisch eigenständig ist,
dann wäre das ziemlich lächerlich geworden und ginge genau
in die Richtung, die du angedeutet hast. Ich persönlich habe
mich ohnehin sehr lange um Ocean II gedrückt, weil
ich von solchen Fortsetzungen nicht viel halte. Es war aber schon
lange ein immer wieder geäußerter Wunsch von zahlreichen
Fans, Mensch, macht doch mal wieder was wie Ocean, oder
sogar einen zweiten Teil. Nun ist Ocean I sowohl
inhaltlich als auch musikalisch ein in sich abgeschlossenen Werk. Da
jetzt krampfhaft eine Fortsetzung zu basteln, das ist überhaupt
nicht mein Ding. Aber durch diese Wünsche und auch durch die
Goldene Schallplatte, habe ich dann doch angefangen, darüber
nachzudenken. Zunächst habe ich mir die inhaltliche Komponente
überlegt. Ocean I ist ja auch in dieser Hinsicht
ein sehr spezielles Album. Ich wollte einfach noch einmal diese
Thematik aufgreifen und nach zwanzig Jahren aus einem völlig
anderen Blickwinkel reflektieren. Ich habe versucht, die Gedanken
von Ocean I aus meiner Sicht und aus der Sicht der
heutigen Zeit aufzuarbeiten. Ocean I war ja auch von
unserem damaligen Drummer Jürgen Rosenthal getextet, der ja
damals alle unsere Lyrics geschrieben hat. Zu vielen seiner Texte
war ich eigentlich nie so ganz seiner Meinung. Er neigt immer zu
eher düsteren Szenarien und ich bin eher ein Mensch, der mit
lichtgestalten Bildern kommt. Da gibt es krasse Unterschiede. Ich
habe mich auch wieder stark mit Ocean I beschäftigt,
einfach um zu vermeiden, daß ich Dinge bringe, die er schon
gebracht hatte. Ocean I behandelt ja den Untergang von
Atlantis, und zwar genauso, wie es Platon erzählt. Das wurde
verknüpft mit der damaligen Situation der Menschheit, auf ihre
Fehlentwicklung. Ocean I war praktisch eine Parabel auf
das damalige Zeitgeschehen. Das war OK, war völlig auf den
Punkt, aber hinzu kamen noch esoterische Aspekte, die schon fast
okkulte Züge annahmen. Und das sind Dinge, die nicht meiner
Sicht entsprechen. Ich wollte dem Thema der Menschheit und ihrer
Bestimmung und dem Zeitgeist, der sich ja nun gar nicht so sehr
geändert hat, in einigen Punkten aber sehr wohl, Rechnung
tragen, immer unter der Betrachtung der Dualität der Existenz -
also die Beziehung zwischen Geist und Körper. Ich pflege mit
diesen Dingen einen anderen Umgang. Deshalb beginnt Ocean II
auch im alten Ägypten, also mit einer modernen Zivilisation.
Die Wiege unserer Zivilisation liegt ja in Mesopotanien und da
wollte ich ansetzen. Man sagt ja auch, das kulturelle Vermächtnis
von Atlantis wurde in Ägypten fortgeführt, hat dort
faktisch einen neuen Anfang verursacht. Das mag so stimmen oder
nicht, was für das Album auch nicht so wichtig war. Wichtig war
ein Anhaltspunkt, von dem ich dann auf die heutige Welt reflektieren
konnte. Auf dieser Basis konnte ich mich dann auch mit Dingen wie
Bestimmung, Intuition und Ausrichtung des Daseins beschäftigen.
Mein Day Of Revelation ist dann auch ein lichtgestaltes
Ereignis, nicht wie auf Ocean I, wo ja immer Apokalypse
und Weltuntergang im Vordergrund stehen. Bei mir stehen die
positiven Energien im Mittelpunkt. Es gibt keinen Tag der
Abrechnung, wo die Bösen erschlagen werden und die Guten gen
Himmel aufsteigen. Bei mir ist alles ganz anders. Ich habe auch auf
einen Prolog verzichtet. Bei Rosenthal gab es ja einen über
zwei Seiten langen Prolog, der sicher sehr eindrucksvoll war, den
aber kein Mensch gelesen hat oder nur wenige Fans. Journalisten
bestimmt überhaupt nicht, denen war das viel zu wirr. Mein
Prolog besteht aus einem einzigen Satz. Ich habe versucht, wirklich
die gesamte Message in den Texten unterzubringen. Das ist wohl auch
einer der Hauptunterschiede. Und eben das völlig
unterschiedliche Herangehen an das Thema.
Wobei ich den lichgestalten
Ansatz ja auch unter dem Aspekt interessant finde, daß ja
gerade am Vorabend eines neuen Jahrtausends die Propheten der
Apokalypse Hochkonjunktur haben.
Änderung muß ja nicht
zwangsläufig Vernichtung bedeuten. Und Änderungen in dem
Bereich, den ich mit dem neuen Album anspreche, müssen nicht
zwangsläufig einen düsteren Charakter haben. Ich glaube
nicht, daß es etwas nützt, wenn jemand immer nur den
Zeigefinger hebt und düster daherkommt und dazu dann auch noch
quasi die Musik mißbraucht. Das wäre einfach nicht meine
Art. Wenn ich etwas in diese Richtung machen würde, dann wähle
ich Bücher und fange nicht an Musik zumachen. Wenn ich Musik
mit einer positiven Ausstrahlung machen will, dann muß ich
auch die entsprechenden Texte finden. Ich habe wirklich lange an den
Texten gearbeitet, weil man gerade bei solchen Themen sehr darauf
achten muß, daß man nicht in diese esoterischen Gefilde
abgleitet. Es gab wirklich eine Zeit nach einigen Monaten Arbeit,
als ich dachte, Mensch, jetzt hast du kaum noch Bodenhaftung, jetzt
muß das Thema aber endlich abgeschlossen werden. Im Nachhinein
betrachtet glaube ich, daß diese Herangehensweise auch die
einzig richtige war, sonst hätte die Band dieses Konzept nicht
überzeugend darstellen können. Aber ich sage auch ganz
deutlich, damit ist das Thema für mich jetzt auch durch, jetzt
ist wirklich alles dazu gesagt.
Du hast bisher viel zu den
textlichen Aspekten von Ocean II und der Beziehung zu
Ocean I erzählt. Wie sieht die musikalische Seite
aus?
Musikalisch ging es mir darum,
daß gesamte musikalische Profil von Eloy, wie es über all
die Jahre entstanden ist, auf diesem Album zu reflektieren. Ich
wollte auf diesem Album das zusammenfassen, was die Band musikalisch
ausmacht. Das war ohnehin schon ein schwieriges Unterfangen, denn
immerhin gibt es ja drei typische Eloy-Besetzungen. Drei prägenden
Formationen, von der jede auch der Musik ihren eigenen Stempel
aufgedrückt hat. Und diese Eigenart muß man dann mit
einer Formation, die nicht mehr so ganz authentisch ist, erst mal
wieder in den Griff kriegen. Matze ist zum Glück wieder dabei,
was sehr hilfreich war. Ohne ihn Ocean II zu machen, das
wäre einfach lächerlich. Wir hatten dann das Glück
auf der Jubiläumstour einen Drummer wie Bodo Schopf zu finden,
der in der Lage war eine Synthese zu schaffen aus einer sehr
filigranen Schlagzeugarbeit wie die von Jörg Rosenthal oder
einem kraftvollen Drummer wie Fritz Randow oder einer Groove-Machine
wie Jim McGillivrey. Alle drei Drummer haben ja im Laufe der Zeit
ihre Akzente gesetzt. Und wir brauchten ja nun jemand, der in der
Lage war, diese drei Spielweisen zu vereinen. Eigentlich fielen mir
da nur große internationale Drummer ein, und dann trafen wir
mit Bodo genau den Mann, der das konnte. Jörg Rosenthal hat ihn
ja auch gesehen auf der Tour, und sogar er hat gesagt, daß es
außergewöhnlich ist, wie Bodo das reproduzieren konnte.
Während ihr gerade in der
Szene-Presse für Ocean II überschwengliche
Kritiken eingefahren habt, gab es im WOM-Journal ja diesen
vielzitierten Verriß.
Also das kann man ja nun wirklich
nicht ernst nehmen. Genau der gleich Journalist hat zwei Seiten
vorher auf die Rolling Stones eingeprügelt und noch jede Menge
andere große Bands polemisch fertig gemacht. Der muß
wirklich geistig krank sein. Die Besprechung ist ja auch so plump
und so schlecht geschrieben, daß es jeder Trottel merkt. Es
gibt wohl kein WOM-Journal, in dem es nicht böse Leserbriefe
gegen genau diesen Mann gibt. Ich frage mich wirklich, warum man den
Typen noch nicht rausgeschmissen hat. Ich weiß zum Beispiel,
daß der Handel sich regelmäßig über ihn
beschwert. Inzwischen weiß sicher jeder WOM-Journal-Leser, was
er von diesem Menschen halten muß.
Zu dem neuen Album gab es ja
auch folgerichtig eine Tour. Ich habe euch in Stuttgart gesehen,
konnte aber leider nicht bis zum Schluß bleiben.
Sei froh, daß du in
Stuttgart nicht bis zum Schluß dabei warst! Wärst du mal
lieber nach Mannhein gekommen. Stuttgart war unser erster Tag und
wir hatten einfach riesige Probleme mit technischen Dingen. Wir
konnten keine Licht - und Tonprobe machen, weil wir die
Räumlichkeiten nicht hatten. In Stuttgart hatten wir dann auch
noch einen kuriosen Bühnenaufbau, rechts die Drums, links die
Keyboards. Wir hatten eine neue Crew, weil unsere eigene noch mit
Maffay in Italien war. Da stand also nun dieser arme Mann, der das
regeln mußte. Wir hatten ein neues britisches System, das
strahlt nur sechzig Grad, also die Monitore nehmen nur sechzig Grad.
Du mußt sehen, daß in dem Winkel wo du stehst, alles
drin ist, was du hören sollst. Und wenn du den Drummer rechts
hast und die Keys links, dann mußt du natürlich den
Drummer links auf den Monitor legen, daß der Keyboarder auch
mit ihm zusammen spielen kann und umgekehrt. Und das hat der Mann
leider verwechselt. Dann kannst du dir sicher vorstellen, was die
beiden auf der Bühne für ein gutes Tun hatten, um
überhaupt zu wissen, wo sie lang sollen. Wir hatten also
wirklich einen schlimmen Abend. Uns hat dieser Gig überhaupt
keinen Spaß gemacht, wir haben ihn sicher mit viel Routine
überstanden, aber wir waren wirklich mit den Nerven runter. Die
Kritiken waren zwar trotzdem gut, aber das ist für mich
wirklich nicht nachvollziehbar. Hier hätten wir wirklich einmal
Schelte verdient.
Sagen wir mal so, noch ein paar solche Alben wie
Ocean II, und die Sache ist vergessen.