Es soll ja Leute geben,
die gehen einer geregelten Tätigkeit nach. Binden sich jeden
Morgen ihren Schlips um, setzen sich ins Büro und sind
furchtbar wichtig. Relativ selten kommt es vor, daß die
gleichen Leute dann in ihrer Freizeit Artikel für Musikmagazine
schreiben. Noch seltener, daß man aufgrund terminlicher
Probleme direkt aus dem Büro zu einem Interview mit einer
Metalband hastet. Auch wenn man den Schlips vorher abmacht, sieht
man in seiner Bürokluft verglichen mit dem typischen
Heavy-Outfit, mit dem man plötzlich konfrontiert wird, dann
allerdings ziemlich Scheiße aus. Ein Interview mit Sänger
Ian Perry und Gitarrist Hank van de Laars durfte ich aber trotzdem
machen.
Manifestation Of Fear
heißt das neue Album von Elegy, ein Konzeptalbum, das sich mit
einem sehr ernsten Thema beschäftigt. Insgesamt hat man sieben
Monate gebraucht, bis das Album im Kasten war, drei davon brauchte
man allein für das lyrische Konzept. Dabei begann alles ganz
simpel.
Als wir im letzten Jahr in
Deutschland auf Promo-Tour für State Of Mind waren,
fiel mir der Titel ein: Manifestation Of Fear und ich
sagte zu Hank: He, was hältst du davon, wenn wir unser
nächstes Album so nennen? Wirklich stark!
bekam ich zur Antwort und auch Sandra von Modern Musik war
begeistert.
Auch wenn die Story hinter
Manifestation Of Fear fiktiv ist, so ist sie durchaus
denkbar und alles andere als aus der Luft gegriffen.
Sagen wir, die Story trägt
durchaus autobiographische Züge was mich und Hank betrifft. Die
Geschichte eines jungen Paares, das aus armen Verhältnissen
stammt und gegen den Willen der Eltern heiratet, ist auch die
Geschichte meiner Eltern. Sie kommen aus Liverpool und stammen aus
der Arbeiterklasse. Du hast da sehr wenig Chancen, mein Vater war
lange ohne Arbeit. Hank hat vor einiger Zeit seinen Vater verloren,
er hat Selbstmord begangen. Auch das war ein Fakt, der mich bei der
Story beeinflußt hat. Ich wollte dieses Situation schildern:
Du bist jung verheiratet, hast Verantwortung für deinen
Partnerin, du hast kein Einkommen, kein Chance auf einen Job. In
dieser Situation würden sich viele Männer als Versager
fühlen. Auch wenn jetzt der Selbstmord von Hanks Vater damit
nicht unmittelbar zu tun hat, trotzdem wäre eine solche
Reaktion auch hier denkbar. All diese Punkte wollte ich in die Story
integrieren, um sie auch wirklich glaubhaft zu gestalten.
Was der Band überzeugend
gelingt. Aus Verzweiflung, seine schwanger Frau nicht versorgen zu
können, beginnt ihr Mann Selbstmord. Die Frau bringt einen
Jungen zur Welt, der eigentlichen Hauptperson in dem Konzeptalbum.
In einer menschenfeindlichen Umgebung aufwachsend, lernt er schnell,
was er machen muß, um vom Underdog zu einer Mann mit Macht zu
werden, auch wenn dabei sämtliche moralische Werte auf der
Strecke bleiben.
Ich bin ein wenig
desillusioniert, was die Entwicklung der Menschheit betrifft. Ich
glaube, es gibt wirklich sehr viele schlechte Menschen. Es gibt auch
sehr viele gute Menschen, aber es gibt auch sehr viele, nun, ich
nenne sie einfach Monster. Ich mag diese Monster nicht, ich möchte
nicht so werden wie sie, aber ich glaube auch nicht, daß man
daran so einfach etwas ändern kann. Aber ich glaube, diese
Story ist so etwas wie mein Protest, der Protest eines
Textschreibers gegen diese Leute. Aber auch wenn die dunklen Aspekte
in dieser Story überwiegen, so hast du hoffentlich auch
bemerkt, daß ich am Ende ein Funken Hoffnung bleibt.
Dieser Funke Hoffnung zeigt sich
in einer Frau, deren Liebe den Mann schließlich doch eines
Besseren belehrt. Vielleicht eine ziemlich simple Lösung?
Ich glaube, Frauen sind in der
Lage, das Wesen eines Mannes komplett zu verändern. Eine
Situation kann ziemlich ausweglos sein, aber eine Frau kann dir
wieder Hoffnung und Energie geben. Ich habe diese Frau in die Story
eingeführt, um der Geschichte einen Schwenk in eine positive
Richtung zu geben. Auch wenn ich einige Illusionen verloren habe,
habe ich doch nicht generell den Glauben an die Menschheit verloren.
Ich glaube, Frauen sind in der Regel weniger aggressiver als Männer,
obwohl es auch da Ausnahmen gibt.
Nun versuchen sich immer wieder
Metal-Bands an Konzeptalben. Es scheint ja fast so, als sei diese
Art von Musik geradezu prädestiniert dafür.
Es ist sicherlich kaum möglich,
eine solche Geschichte in Form eines normalen Pop-Albums zu
erzählen. Die ganze Popindustrie ist lediglich auf
kommerziellen Gewinn ausgerichtet. Hitsingels verkaufen ist das
einzige, was zählt. Für uns ist vor allem die kreative
Seite wichtig. Vergiß die Popbands. Das einzige worüber
da gesungen wird, ist Liebe und Ich brauche Sex. Obwohl beide Sachen
durchaus wichtig sind.
Worin wir uns einig sind. Wie
hat man aber nun versucht, dieser schwierige Thematik musikalisch
gerecht zu werden?
Uns war wichtig, daß die
Musik der Atmosphäre der Story entspricht. Trotzdem sollten es
einzelne Songs bleiben. Es gibt da diese Klischees, bei einem
Konzeptalbum müssen die Songs ineinander übergehen und so
weiter - so etwas wollten wir nicht machen. Hank wollte wissen,
welches Gefühl jeder der Songs wiedergeben sollte, und das hat
er dann versucht musikalisch umzusetzen. Alle diese Dinge wie
Explosionen, schreiende Leute, vorbeifahrende Autos das
wollten wir nicht. Bei The Wall passiert zwischen den
Songs mehr als in den Songs. Es ist eigentlich fast mehr ein Film
als Rockmusik. O.K. Another Brick In The Wall Pt. 2 ist
ein Hit geworden, aber das ist auch fast der einzige richtige Song.
Nimm die vierte Seite des Albums, die kannst du nur komplett hören.
Wir lieben Operation Mindcrime aber müssen wir es
deshalb genauso machen? Sind wir nicht in der Lage, diese Dinge
einfach nur durch unsere Musik auszudrücken? Du sollst auch
einfach in einer Kneipe sitzen können, ein Stück aus dem
Album hören, und sagen, He, das war ein guter Song! Auch bei
uns gibt es ein paar dieser Verknüpfungen, zum Beispiel, wenn
wir eine ganz bestimmte Stimmung und Spannung erzeugen wollen. An
dieser Stelle möchten wir uns ganz ausdrücklich bei
unserem Produzenten Tommy Newton bedanken, ohne dessen Hilfe dieses
Album nicht möglich gewesen wäre. Ein anderer Aspekt ist
auch die finanzielle Seite. Diese großen Band hatten auch alle
die Mittel, diesen ganzen Bombast live umzusetzen. Wir hätten
das nicht, und wir würden nie ein Album schreiben, das wir
nicht auch zu hundert Prozent live spielen könnten.
Elegy sind nun zwar nicht gerade
Metal-Superstars, sind jedoch in der Szene eine feste Größe
mit treuer Fangemeinde und diversen guten Veröffentlichungen.
Also wirklich kein Grund zum Klagen.
Ich glaube, wir sind ziemlich
zufrieden. Wir machen das, woran wir glauben und ich denke, die Fans
glauben genauso daran. Und gerade beim aktuelle Album habe ich
wirklich das Gefühl, etwas besonderes geschaffen zu haben. Wir
haben Dinge erreicht, von denen die meisten Bands nur träumen
können.
In Europa und Japan, wo es sogar
eine Akustik-Promtour gab, laufen die Dinge bestens, und auch in den
Staaten kommen sie langsam ins Rollen. Obwohl man das Thema
realistisch sieht.
Wir kriegen zwar auch aus den
Staaten jede Menge Fanpost, aber du mußt die Plattenfirmen
überzeugen, nicht die Fans. Darum hat es ja auch eine Band wie
Dream Theater in ihrer Heimat so schwer. Sie stehen einfach zu sehr
unter dem Druck ihrer Plattenfirma. Sie haben soviel Songmaterial
gehabt, und herausgekommen ist schließlich ein Album das zu
balladenlastig war. Immer wenn eine Plattenfirma zu sehr die Musik
mitbestimmt, endet es damit, daß die Band ihre Identität
verliert und das ist einfach schade. Das Problem haben wir zum Glück
bei Modern Music nicht.
Also wird auch zukünftig
mit Elegy zu rechnen sein, das Schlußwort gibt die Band
selbst:
Wir glauben an Weiterentwicklung,
aber vergiß nicht deine Wurzeln!