Mit Burning Banners hat eine weitere junge
Prog-Band ein beachtliches Debüt präsentiert. Auf der 5.
ProgConvention in Aschaffenburg kam Empire-Mitarbeiter Renald
Mienert zu einem Interview wie die Jungfrau zum Kinde.
Stefan Kost zeigte sich sichtlich erfreut als ich am
Samstag-Nachmittag in Aschaffenburg reichlich unvorsichtig auf mein
Diktiergerät zeigte. Augenblicke später sah ich mich von
Anke und Wolfgang Schaeffner flankiert, ihres Zeichens Sängerin
bzw. Keyboarder von Cromwell. Nicht nur, dass ich eigentlich
überhaupt nicht vorbereitet war, außer dem Namen hatte
ich von der Band noch nichts gehört. Aber das sollte sich
ändern.
Wir kommen aus der Nähe von Worms und gründeten
Cromwell 1993. Unser 1994 produziertes Demo stieß auf
Interesse bei Angular. Etwa zwei Jahre blieben wir in ständigem
Kontakt, bis wir schließlich begannen, über eine CD zu
reden.
Und mit der ging es dann ja ziemlich schnell. Das im klassischen
Fünfer - Line Up eingespielte Album überzeugt mit modernem
Progressive Rock und klingt trotz allen genretypischen Zutaten immer
noch sehr eigenständig.
Natürlich mögen wir alle diese Bands wie Genesis,
IQ, SAGA oder Rush. Zu Anfang klingt man dann wohl zwangsläufig
nach seinen Vorbildern. Das spielt vermutlich bei jeder Band eine
Rolle und hängt wahrscheinlich einfach mit den Hörgewohnheiten
zusammen. Spätestens nach dem Demotape haben wir dann versucht
eigene Wege zu gehen und Songs zu entwickeln, die sich klar von den
Vorbildern unterscheiden.
Was offensichtlich auch gelungen ist. Von wunderschönen
Balladen bis zu komplexen Longtracks und ausgefeilten
Instrumentalsongs ist alles vertreten. Aber man hatte ja auch die
Qual der Wahl.
Wir besitzen ein Archiv von etwa 20 C90 - Kassetten mit
Probenmitschnitten. Aus denen werden dann die einzelnen Songs
gebastelt. So zwei bis drei Leute schreiben die Gerüste, fertig
gemacht wird das Stück dann in der gesamten Band. Da kommt es
schon mal vor, dass auch alte Sache rausgeholt werden. Was das Debüt
betrifft, sind nur Songs vertreten, hinter denen jedes einzelne
Bandmitglied steht. Uns war sehr daran gelegen, eine durchgehende
Stimmung zu erzeugen, der typische Cromwell-Sound sollte
als Ganzes rüberkommen.
Ein Grund dafür, dass dieses auch gelungen ist, dürfte
in dem seit der Gründung konstanten Line Up liegen.
Es war sehr schwer, die richtigen Leute für die Band zu
finden, so haben wir zum Beispiel jahrelang nach einem Gitarristen
gesucht. Für uns ist es wichtig, dass die Chemie innerhalb der
Band stimmt, nicht, dass jemand sein Instrument bis zur letzten
Perfektion beherrscht. Jetzt sind wir drei Jahre zusammen und das
sagt ja auch schon etwas aus.
Ein weiterer Pluspunkt ist sicher der Gesang von Frontfrau Anke
Taeffner. Die gibt sich allerdings eher bescheiden.
Wir haben nun mal keine begnadeten Sänger in der Band.
Einige Leute haben gesagt, macht doch mal etwas mit mehr Satzgesang.
Auf dem Debüt war es noch so, dass ich auch die zweite Stimme
gesungen habe, zukünftig werden wir versuchen diesbezüglich
mehr zu machen.
Die Entscheidung, das Album auf Angular zu veröffentlichen,
fiel ziemlich früh. Freilich wird die Auswahl nicht gerade groß
gewesen sein, stehen doch Plattenfirmen bei Progbands nicht gerade
Schlange. Aber man hätte es ja immer noch im Alleingang machen
können.
Wir haben den Weg über ein Label gewählt, weil wir
uns davon auf der einen Seite eine größere
Vertriebsschiene versprechen, wie wir sie in Eigenregie wohl nicht
realisieren könnten. Außerdem sehen wir vor allem den
Kontakt zu den anderen Angular-Bands einen großen Vorteil,
durch den regelrechte Synergie-Effekte erzielt werden können.
Bis auf Relayer gab es schon zu allen anderen Angular-Bands
Kontakte, vor allem Ziff und Last Turion konnten uns einige Tips
geben.
Angular steht nicht in dem Ruf, die Bands künstlerisch
bevormunden zu wollen.
Wir haben uns mit Stefan getroffen und uns einfach die
fertigen Songs angehört. Dann haben wir ihn nach seiner Meinung
gefragt - er hatte also sozusagen gleichberechtigt mit den
Bandmitgliedern eine Stimme, was die Auswahl anging.
Betrachtet man das Cover von Burning Banners könnte
man auf den ersten Blick ein weiteres Album aus der Fantasy-Ecke
vermuten. Wie aber der Band-Name schon sagt, geht es der Band mehr
um reale Dinge als um Fiktion.
In unseren Texten geht es zum einen um sehr persönliche
Themen, um zwischenmenschliche Beziehungen. Sie sind sehr
gefühlsbetont, sollen dem Individuum Raum geben. Es gibt auch
Titel, die konkrete historische Ereignisse reflektieren.
Diese beziehen sich - was nicht verwundert - auf das Wirken der
Persönlichkeit, die für den Namen der Band Pate stand.
Wir identifizieren uns vor allem mit seinen Ideen und
Idealen, mit den Dingen, die er gewagt hat. Die Figur Cromwells
steht für demokratisches Grundverständnis, für
Menschenrechte, für die Würde der Person. Dies sind Dinge,
die auch bei allen Bandmitgliedern ganz weit oben stehen. Die Welt
wird immer kälter, immer brutaler. Deshalb auch der Titel der
CD: Werte verbrennen, gehen vor die Hunde. Oliver Cromwell hat
versucht, die Monarchie zu schwächen, dem einfachen Volk mehr
Rechte zugeben, ihm Schulen zu geben. Er war der erste, der den
Monarchien in Europa einen solchen Schlag versetzte.
Wenn man dann allerdings einen Titel wie England
hört, scheint es da auch noch mehr zu geben.
Unsere Band zeichnet sich wohl durch eine allgemeine
Verbundenheit zu England aus. Wir lieben die Landschaft, England hat
aber auch etwas Mystisches für uns. Einige Bandmitglieder
könnten sich gut vorstellen, in England zu leben, deshalb
orientieren wir uns wohl auch eher an britischen Prog-Bands.
Cromwell sind nicht die ersten, die sich nach einer historischen
Persönlichkeit benannten. Denken wir nur an Magellan, die
gerade mit Test of Wills ihr drittes Album
veröffentlicht haben.
Den Vergleich mit Magellan finden wir sehr zutreffend, obwohl
wir uns natürlich nicht anmaßen wollen, musikalisch auf
einer Stufe zu stehen. Aber auch bei Magellan gibt es diese
historischen Bezüge auf der einen Seite, aber auch Titel, die
sich auf die amerikanische Gesellschaft der Gegenwart beziehen, zum
Beispiel auf die Rolle der USA beim Militärputsch in Chile.
Trotz der positiven Resonanz auf das Debüt, Cromwell
bleiben Realisten.
Das Durchschnittsalter der Bandmitgieder beträgt 31
Jahre. Wenn man die Dinge realistisch betrachtet, dürften sich
die Dinge kaum so entwickeln, dass wir irgendwann einmal von der
Musik leben können. Also machen wir von vornherein nur die
Sachen, die wir auch wirklich mögen. Sollten sich irgendwann
einmal der kommerzielle Erfolg einstellen, dann wäre das schön,
aber im Augenblick ist dies nicht unser Hauptanliegen. Bisher gab es
keine Versuche, aus der Prog-Szene auszubrechen und einem breiteren
Publikum bekannt zu werden. Unsere Wurzeln und unsere
Hörgewohnheiten kommen aus dieser Szene. Freilich sind wir nach
allen Seiten offen.
Das äußert sich unter anderem wohl auch darin, dass
man mit vielen Bands etwas anfangen kann, die mit Prog nichts zu tun
haben. Dass auch Bands aus der Schwarzen Szene dabei
sind, verwundert nicht, ließ man sich doch bei The Crow
von dem gleichnamigen Horror-Streifen inspirieren.
Es gibt eine Gothic-Band names Still Paisant aus unseres Nähe
zu der wir recht engen Kontakt haben. Aber auch mit Bands wie
Tiamat, Moonspell, Sisters of Mercy oder The Cure können wir
etwas anfangen. Wenn man selbst Musiker ist, geht man vermutlich
ohnehin etwas weniger engstirnig mit diesen Schubladen um, in denen
manche Fans denken.
Nachdem man die Live-Aktivitäten in letzter Zeit zugunsten
der CD-Produktion etwas zurückgestellt hatte, soll sich das
demnächst wieder ändern.
Es gab bereits ein Angebot von Dirk Hainisch, einige Konzerte
im Osten zu absolvieren. Wir sind nur alle beruflich sehr
eingebunden, und da ist es nicht ganz einfach, Termine abzustimmen.
Wir haben schon probiert, mit Bands auf Austauschbasis Konzerte zu
organisieren. Nach dem Prinzip, wir kümmern uns um einen Gig in
unseres Gegend, und ihr das dann in eurer. Leider hat das bisher
noch nicht so recht geklappt. Die eine Band gibts nicht mehr,
und von ICU haben wir nie wieder gehört. Momentan versuchen wir
etwas mit Pitch Control zu machen. Die haben schon mal als Support
für IQ gespielt und wir haben eigentlich ein gutes Gefühl
bei der Sache.
Was man bei der Zukunft des Progressive Rocks nicht unbedingt
hat.
Wir glauben, die Situation wird so bleiben, sich eher noch
verschlechtern. Der Trend geht zu Trallalla-Musik, zu Techno und
solchen Sachen. Die Leute wollen Musik, bei denen sie ihre
Aggressionen abladen können. Die meisten Hörer können
mit der Kombination gefühlsbetont plus komplex
nichts mehr anfangen, wollen lediglich einfache Musik konsumieren.
Aber letztendlich einigen wir uns doch auf einen positiven
Schluss.
Es gibt auch durchaus positive Dinge. Immerhin hat sich eine
feste Szene gebildet, mit Magazinen wie dem Empire oder SRM, mit
Fanclubs und auch diese Prog-Convention findet nun schon zum fünften
Mal statt. Das alles hat es zu den Hochzeiten des Progressive Rock
nicht gegeben.