Mit Crises hat das
deutsche Prog-Label Angular nach Eternity X eine weitere Band unter
Vertrag genommen, die sich der härteren Gangart verschrieben
hat. Und wie bei den Amis stehen auch bei der Band aus Würzburg
die Chancen auf eine erfolgreiche Karriere nicht schlecht. Renald
Mienert unterhielt sich mit Gitarrist und Keyboarder Marko
Brenzinger, der gelegentlich von Sänger Russel Gray unterstützt
wurde.
Was bei einer Band wie Crises
natürlich zunächst auffällt, ist das internationale
Line Up.
Marko: Das war reiner Zufall. Die
Band hat sich 1995 gegründet, da war ich noch nicht dabei. Es
gab eine Vorgängerband und von der ist der harte Kern übrig
geblieben, das waren der Gitarrist Ondrej Hurbanic und der Drummer
Thomas Abt. Die beiden wollten dann weiter machen, haben inseriert
und gesucht und sind so auf Russel gekommen.
Ihr habt also nicht gezielt
nach einem Sänger mit englischer Muttersprache gesucht?
Marko: Das war einfach nur Glück.
Die Inserate erschienen in der regionalen Presse, und Russel spricht
natürlich auch deutsch und hat sich einfach daraufhin beworben.
Aber er war zu keinem Zeitpunkt geplant, es hätte auch ein
deutscher Sänger sein können.
Ihr habt bereits ein Demo
veröffentlicht, jetzt die erste offizielle CD. Worin seht ihr
die musikalischen Unterschiede zwischen diesen beiden
Veröffentlichungen?
Wir sind vor allem was den Sound und
das Songwriting angeht wesentlich besser geworden. Die Stücke
sind jetzt wesentlich durchdachter und vor allem viel melodischer.
Besonders wichtig ist uns dabei der Gesang, ohne die Instrumente
vernachlässigen zu wollen.
Im Prog-Metalbereich sind ja
gerade die Vocal-Lines oft ein ziemlicher Einheitsbrei. Während
sich die Instrumentalfraktion zu Tode frickelt, dümpeln die
Sänger nichtssagend vor sich hin.
Marko: Russel arbeitet sein Material
im Übungsraum eigentlich nur grob aus. Er setzt sich dann zu
Hause hin und beschäftigt sich sehr intensiv mit dem
musikalischen Material. Er schreibt seine Vocal Lines auch fast
ausschließlich alleine. Wir sind eine Band, und jeder gibt dem
anderen mal Ratschläge und Tips, aber neunzig Prozent der Vocal
Lines arbeitet er allein zu Hause aus.
Und nun seid ihr bei Angular
gelandet. Wie kam es eigentlich dazu?
Marko: Ich habe früher bei
einer Band namens Faun Gitarre gespielt.
Faun? Die habe ich mal in
Würzburg als Support für Ars Nova gesehen. Dann warst du
es also, der dieses ziemlich geniale Piano-Intermezzo hingelegt
hast?
Marko: Ja, das war ich. Ich habe von
Hause aus Klavier gelernt und bin erst sehr spät zur Gitarre
gekommen. Aber in Bands hat mir das Gitarre spielen immer mehr Spaß
gemacht. Faun haben sich getrennt. Die musikalischen Ideen gingen
zum Schluß sehr weit auseinander und es ging irgendwie nicht
weiter. Wir haben ein Jahr gebraucht um einen Song zu schreiben und
da haben wir irgendwann gesagt, das bringt eigentlich nichts mehr.
Aber zurück zu
Angular....
Marko: Faun wurden damals von Stefan
kontaktiert, ob wir nicht bei Angular unter Vertrag genommen werden
wollen. Er hat uns damals gute Konditionen unterbreitet, und daran
habe ich mich jetzt erinnert. Broken Glas ist eigentlich
völlig in Eigenproduktion entstanden. Wir haben einen Endmix
gemacht, mit dem wir nicht zufrieden waren. Wir wollten ins Studio
gehen und haben einen Geldgeber gesucht. Das war der Anfang.
Zunächst war Stefan skeptisch - Progressive Metal gibt es
schließlich wie Sand am Meer, aber wir haben ihm dann die CD
zugeschickt, und das hat ihn dann wohl doch überzeugt..
Immerhin hat ja Angular jetzt
mit SPV einen staken Vertrieb hinter sich. Obwohl ich manchmal
glaube, daß sich die ProgSzene auch ganz gut mit den üblichen
Mailorder-Kanälen über Wasser hält. Okay, die CDs
stehen jetzt im Laden. Aber deshalb werden sie noch lange nicht
gekauft.
Marko: Das werden wir sehen. Unsere
erste CD hat sich ja ohne jede Werbung und ohne Promotion immerhin
siebenhundert Mal verkauft. Der Vertrieb mit SPV war ja so gar nicht
geplant, wir sind da eher so mit reingerutscht. Uns ging es mehr um
einen Finanzgeber für die Studioabmischung, die haben wir aber
dann doch selbst bezahlt. Ein großer Vertrieb ist natürlich
viel wert, hat aber auch Nachteile, weil wir von jeder verkauften CD
natürlich nur ein paar Mark sehen - was bei einer
Eigenproduktion natürlich anders gewesen wäre. Aber ein
Europavertrag ist schon was, die CD steht praktisch überall,
zum Beispiel auch in Griechenland. Auf lange Sicht ist so ein Deal
sicher von Vorteil. Die CD wird ja auch überall besprochen,
kommt auch in die großen Magazine mit rein. Für den
Bekanntheitsgrad ist das sicher ein großer Vorteil. Und die
nächste Produktion soll ja noch eins draufsetzen....
Auf alle Fälle habt ihr
jetzt auch ein Review im Rock Hard. Ihr seit da immerhin mit sieben
Punkten durchs Ziel gegangen, was doch eigentlich ganz ordentlich
ist.
Marko: Wir sind nicht unglücklich
damit, sind aber auch wirklich nicht zufrieden. Sieben Punkte ist
nicht schlecht, aber wir halten diese Scheibe für eine sehr
große Steigerung gegenüber dem Demo, und das bekam
seinerzeit acht Punkte. Ich habe es ja schon gesagt, es geht uns
nicht um diese vertrackten Rhythmen und technischen
Kabinettstückchen, die Melodien sind einfach besser geworden,
und auch die soundtechnische Seite. In dieser Meinung werde ich
übrigens auch bestärkt, wenn mich Leute gelegentlich
anrufen. Ich meine, was im Rock Hard steht, ist nicht verkehrt, es
sind diese Dinge, die wir auch als konstruktive Kritik empfinden.
Aber man ist halt auf die positiven Tendenzen auf der CD zu wenig
eingegangen. Hinzu kommt wahrscheinlich auch, daß man uns
jetzt auch mit großen Bands, die ja auch über SPV
vertrieben werden, in einen Topf wirft. Da steckt aber sehr oft sehr
viel mehr Geld dahinter als bei uns.
Gab es denn schon Reaktionen
aus dem Ausland?
Marko: Es gab ein Review in
Griechenland, da haben wir in irgendeiner Zeitung, von der ich
allerdings nicht weiß. wie sie heißt, drei von fünf
Totenköpfen gekriegt. Wir haben diese Info vom Stefan Kost
bekommen, aber leider konnte er uns auch nicht sagen, was denn nun
eigentlich geschrieben wurde. Griechisch ist eben doch nicht
jedermanns Sache
Eure Texte hat Russel
geschrieben. Bemerkt er eigentlich einen Unterschied in der Qualität
der Lyrics, wenn sie von jemandem geschrieben werden, dessen
Muttersprache nicht englisch ist?
Russel: Dazu kann ich wirklich
nichts sagen. Mein musikalischer Background ist da viel mehr bei
Bands wie Journey oder Saga. Seit ich diese Typen hier getroffen
habe, höre ich auch Dream Theater und Fates Warning oder auch
Sieges Even. Aber ich habe keine großen Erfahrungen, wenn es
darum geht, andere Texte zu lesen. Ich glaube, jeder schreibt seine
Texte aus einer sehr persönlichen Sicht um seine ganz
persönlichen Gefühle auszudrücken. Ich jedenfalls
habe da nie einen Unterschied gemerkt. Ich denke, Dreamer von Sieges
Even ist einfach ein phantastischer Song.
Was mir bei dem Album
auffällt ist, daß ihr versucht, Musik, Texte und Artwork
eine Einheit bilden zu lassen. Und der Versuch ist bestens gelungen.
Marko: Das Cover entstand über
unseren Bassisten, der einen guten Bekannten in der Tschechei hat,
der für die Topbands dort auch die Cover macht. Der erste
Entwurf, den wir bekamen, war allerdings noch recht motivlos und hat
uns allen - Stefan Kost eingeschlossen - nicht so gefallen. Wir
haben dann unseren Bassisten zurück in die Tschechei geschickt,
diesmal allerdings mit sehr genauen Anweisungen. Wir wollten eine
Frau im Hintergrund und einen knienden Mann, das ist übrigens
ein Motiv, das wir von der ersten CD entnommen haben und das wir
auch versuchen werden, auf allen zukünftigen Alben zu
verwenden. Das Ergebnis war dann doch wieder anders, als wir
erwartet hatten, aber wir waren zufrieden damit.
Russel: Die Bandmitglieder haben
mich gefragt, welchen Titel wir dem Album geben sollten. Die Texte
beschäftigen sich in erster Linie mit den komplizierten Dingen
des Lebens. Es geht um Themen wie Selbstmord, es geht um einen
Typen, der sich betrunken hinter das Lenkrad setzt, wovon seine
Freunde nichts wissen. Alles keine leichten Sachen. In Save
Me gibt es eine Zeile You Walk On Broken Glas, und
ich denke, dies ist ein Gefühl, das jeder von uns schon mal
gehabt hat, besonders wenn du von deinen Problem regelrecht erdrückt
wirst. Es ist, als liefst du über zerbrochenes Glas, aber es
interessiert dich nicht mehr. Nachdem alle mit diesem Albumtitel
einverstanden waren, wollten wir ihn natürlich auch im Cover
umgesetzt sehen, und ich denke, der Künstler hat seinen Job
wirklich gut gemacht.
Zum Abschluß noch die
übliche Frage nach den nächsten Aktivitäten?
Wir werden uns zunächst sehr
großflächig in Deutschland für alle möglichen
Konzerte bewerben. Wir haben jetzt ja auch die entsprechenden
Referenzen, die Werbung usw. Wir arbeiten auch schon an neuen Songs,
wir haben zwei neue Stücke, die schon ziemlich weit sind.
Unsere neuen Songs sollen noch kompakter werden, unsere
musikalischen Fähigkeiten noch mehr als Mittel zum Zweck
verwendet werden und nicht umgekehrt. Ob das funktioniert, wird sich
zeigen. Wir wollen jedenfalls noch melodischer werden, ohne jedoch
auf der anderen Seite in simplen Kommerz zu verfallen.