Awake heißt
der neue Longplayer der deutschen Gothic-Metal-Band der ersten
Stunde. Alle Befürchtungen, die Band würde ins Pop-Lager
abdriften, haben sich glücklicherweise nicht bestätigt.
Stattdessen wird kräftig - aber melodisch - drauflos gerockt,
geschickt untermalt von den typischen Crematory Keyboards. An denen
steht eine Frau. Renald Mienert unterhielt sich mit Keyboarderin
Katrin.
Frauen sind ja im Gothic-Metal
keine Besonderheit. Normalerweise kommen sie allerdings mit
Engelsstimmen daher...
Ich mach die Engelstöne. Mit
Gesang habe ich gar nichts am Hut und bin bei uns rein für die
Keyboards zuständig. Und damit habe ich auch genug zu tun.
Dieses automatische Gleichsetzen von weiblich gleich lieblich, das
kann man bei uns nicht so sehen. Ich bin ein Bandmitglied wie jedes
andere und werde auch nicht anders behandelt.
Deine Familie war doch sicher
ziemlich entsetzt, als sie von Crematory erfuhr.
Früher war das immer so ein
Streitthema. Wenn es um Zukunft ging, um Jobs. Aber irgendwann hat
man dann doch gemerkt, daß mir die Sache Spaß macht und
wir recht erfolgreich sind. Mittlerweile sagt meine Mutter: Mach
was du willst, du bist alt genug. Man weiß ja in dem
Geschäft nie, wie lange es noch geht. Ich kann in zehn Jahren
immer noch anfangen zu arbeiten. Mittlerweile ist man wohl sogar
stolz auf mich.
Ihr seid ja schon recht lange im
Geschäft. Kann man sagen, ihr habt bereits Gothic Metal
gespielt, als es noch gar keinen Gothic Metal gab.
Ja, das würde ich
unterschreiben. Wir haben ziemlich früh begonnen, mit Keyboards
zu arbeiten. Damals wurde das als Death Metal mit Keyboards
beschrieben. Dann kamen die ganzen anderen Bands und heute heißt
das halt Gothic Metal.
Besonders deine Keys verleihen
ja Crematory teilweise einen fast symphonischen Charakter. Könnt
ihr euch eigentlich vorstellen, auch mal mit einem richtigen
Orchester zu arbeiten?
Wir hatten so etwas zwar mal vor,
haben es aber mittlerweile wieder verworfen. Zu viele Bands haben
dies nun schon gemacht, so daß es wie ein bloßes
Nachmachen wirken würde.
Ist eigentlich Gothic-Metal an
bestimmte textliche Inhalte gebunden?
Der Felix macht die Texte. Sie
sind ziemlich persönlich. Das geht bis zum romantischen
Liebeslied. Es ist uns wichtig, daß unsere Fans sich nicht nur
mit unserer Musik beschäftigen, sondern auch mit den Texten.
Sie sollen sich ihre Gedanken machen und selbst ihre Schlüsse
ziehen. Bestimmte Dinge machen wir allerdings nicht -
sozialkritische Texte sind genauso wenig unser Ding wie diese
Religionshasserei. Ich glaube nicht, daß Gothic Metal auf
bestimmte Inhalte beschränkt sein muß - von mir aus Liebe
oder Träume. Lord of Lies zum Beispiel setzt sich
mit dem Thema Presse auseinander.
Ihr covert auf Awake
einen Titel der Sisters of Mercy...
Wir hören privat nicht nur
Gothic Metal, sind da eher querbeet angesiedelt. Das geht über
EBM, Wave, reinen Death Metal bis hin zum traditionellen Metal.
Jeder hat seine eigenen Faves. Auf unserem fünften Album
wollten wir unbedingt mal eine Coverversion machen. Wir betrachteten
es als eine Herausforderung. Wir entschieden uns für einen
Wave-Song, und die Sisters sind halt eine Band, mit der sich jeder
von uns identifizieren kann. Und Tempel of Love ist
schlichtweg der Kultsong. Uns war schon wichtig, daß wir einen
Song wählten, den wirklich jeder von uns mag. Sonst wäre
es auch sehr schwer gewesen, sich in den Song hineinzuversetzen.
Fast zeitgleich erschien ja auch
die CD der polnischen Band Aion, die den gleichen Song
coverte...
Ich habe den Song in dieser
Version bisher noch nicht gehört, auch die Band selbst kenne
ich nicht. Unser Promoter in Holland hat mir davon erzählt, er
sagte allerdings auch, daß sich ihre Version von unserer stark
unterscheidet.
Auf Awake gibt es
auch claenen Gesang. Ein kommerzielles Zugeständnis?
Ich glaube, das hat mit Kommerz
nichts zu tun. Wir haben schon immer mit Gesang gearbeitet, finden
es aber besser, wenn man es in der Band läßt. Und der
Lothar hat nun mal die Fähigkeiten. Dieses Wechselspiel
zwischen den Growls und dem melodischen Gesang hat uns sehr gut
gefallen. Wir ziehen eigentlich immer unser Ding durch und machen
nicht unbedingt das, was die Leute von uns erwarten.
Könnt ihr euch ein Album
ohne Growls vorstellen?
Nein! Der Gesang vom Felix ist
eines des typischen Crematoy - Markenzeichen. Vielleicht wird der
cleane Gesang weiter ausgebaut, aber die Growls wird es immer bei
uns geben.
Deine Keyboards sind für
euren Sound sehr wichtig. Hast du nicht mal Lust auf ein richtiges
Solo?
Die Keys sind bei uns eigentlich
als zweite Gitarre konzipiert. Manchmal liefern sie nur diese
typischen Klangteppiche, aber sie spielen auch oft Teile der
Melodie. Soli gibt es allerdings mehr in Form von Intros oder auch
mal am Schluß eines Titels. Die Keys sind wichtig für
Crematory und sind auch ziemlich weit vorne, sie sind allerdings
nicht das Hauptinstrument. Das Zusammenspiel der Instrumente macht
Crematory aus, und das ist es auch, was die Leute hören wollen.
Vor Awake gab es
eine Live-CD, die ihr auf eurem eigenen Label veröffentlicht
habt. Warum?
Wir wollten versuchen, ein
zweites Standbein aufzubauen. Der alte Deal bei Massacre lief aus,
der bei Nuclear Blast hatte noch nicht begonnen - da bot es sich
halt an, die Live-Platte auf einem eigenen Label zu machen. Wir
wollten uns für Awake wirklich genug Zeit lassen.
Aber ihr hättet doch auch
beim eigenen Label bleiben können?
Jetzt fallen die Rechte an den
alten Alben an uns zurück, und wir planen sie auf unserem
eigenen Label dann wiederzuveröffentlichen. Daß wir zu
Nuclear Blast gehen würden, das stand damals schon fest, und es
war uns schon wichtig, ein starkes Label im Rücken zu haben. Es
ist doch alles nicht so einfach.
Auch auf Awake gibt
es an einer Stelle deutsche Texte. Ihr habt aber auch ein ganzes
Album auf deutsch gemacht. Wie waren eigentlich die Reaktionen
darauf?
Das Publikum reagierte eigentlich
sehr gut - die Presse sehr schlecht. Das Album war ja eine einmalige
Sache. Sicher, es gab auch Fans, die sagten, das Album sei zu poppig
und nicht ihr Ding, aber wir haben auch viele neue Fans
hinzugewonnen, die vorher noch nie etwas von Crematory gehört
hatten. Und gerade in den Wave-Läden ist diese deutsche Scheibe
ziemlich beliebt.
Mit der Presse scheint ihr nicht
gerade die besten Erfahrungen gemacht zu haben.
Die großen Metal-Magazine
sind zum einen sehr kommerziell orientiert, zum anderen verreißen
sie uns regelmäßig. Die lassen kein gutes Haar an uns,
und oft auf eine Art, die ich nicht akzeptieren kann. Wenn schon
Kritik, dann muß sie auch begründet sein, und nicht
einfach nur die lapidare Aussage: Das Album ist Scheiße. Die
Fans halten allerdings zu uns. Ich glaube auch, sie orientieren sich
mittlerweile mehr an den kleineren Magazinen. Dazu kommt, daß
sich die Fans heute nicht mehr so stark nach Plattenkritiken
richten. Häufig hören sie sich gerade diese Platten an,
die schlechte Kritiken bekommen haben.
Apropos Fans, gab es da so etwas
wie ein besonderes Erlebnis?
Es gab da ein Konzert, an das
erinnere ich mich heute noch besonders gerne zurück. Es war das
zweite Full Force Festival in Zwickau - es war unser erstes Open Air
Konzert und zum ersten Mal spielten wir vor so vielen Leuten - und
die Resonanz war einfach großartig. Immerhin waren dort
siebentausendfünfhundert Fans - und wenn die dann im Chor
Crematory kreischen - das vergißt man nicht so schnell.
Dir scheinen ja Konzerte viel
Spaß zu machen!
Ja! Studio ist ja richtig wie
Arbeit!
Gibt es eigentlich noch
Unterschiede zwischen dem Ost - und Westpublikum?
Kann ich so nicht sagen. Es war
vielleicht unmittelbar nach der Wende so. Allerdings sind unsere
Konzerte im Osten meist besser besucht als im Westen.
Viele Bands arbeiten mit ständig
wechselnden Line Ups. Bei Euch ist das nicht der Fall.
Wir hatten nach der ersten Platte
einen Wechsel am Baß, seitdem arbeiten wir mit konstantem Line
Up. Crematory wird mit dieser Besetzung weiterbestehen oder nicht
mehr existieren. Wenn einer von uns die Band verlassen sollte, ist
das vermutlich auch das Ende von Crematory.