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Citizen Cain: Zu Zweit zum eigenen Stil?

DURP - eZine from the progressive ocean

Interview


Mit “Raising The Stones” hat die britische Progband das dritte offizielle Studioalbum veröffentlicht. Obwohl schon seit etlichen Jahren im Geschäft, dürfte die Band für viele ein noch unbeschriebenes Blatt sein. Bis jetzt.

Die Anfänge von Citizen Cain reichen bis 1982 zurück. Gordon Feenie (dr/flute) und Cyrus (bass/vocals) gründeten die Band in London, wobei schon bald Gitarrist Tim Taylor das erste LineUp komplettierte. Der Bandname hat allerdings nichts mit dem berühmten Orson Wells Film zu tun, wie ich zunächst vermutete.


Xyrus: Der Bandname bezieht sich auf Kain, den Bruder von Abel und Sohn Adam und Evas. Es war Kain, der Abel auf seinen letzten Gang auf dieser Erde führte, zu den Feldern, die er bestellte, zu der Luft, die er atmete, und dort tränkte Abels Blut die Erde. Der erste Mörder - Kain.

Da man Monate ohne Erfolg einen Keyboarder suchte, entschloß man sich, als Trio zu arbeiten. In dieser Zeit gab es viele Konzerte und erste Studioaufnahmen, von denen eine auf dem “Sampler Fire in Harmony” erschien. Ohne Keyboarder war der Sound eher rhythmisch als melodisch orientiert, doch trotz positiver Resonanz vieler Kritiker trennte man sich 1988 und Cyrus kehrte in seine Heimat zurück. Zwei Jahre später traf Cyrus seinen alten Freund und Gitarristen Frank Kennedy , der mit seine Freunden Stewart Bell (drums/keys) und Dave Elam (bass) einige Stücke geschrieben hatte. Dabei ist schon sonderbar, wie Stewart zur Band gestoßen war.


Stewart: Eines Tages, als ich aus einigen sonderbaren Gründen eine Bergwanderung mit meinem Bruder unternahm und zufällig ein paar Leute traf, die einen Drummer brauchten, um ihre Band zu komplettieren. Auch wenn später nur zwei dieser Leute am ersten Line-Up von Citizen Cain beteiligt waren und Xyrus erst ein paar Monate später zu uns stieß - es ist das Ereignis, das den Ball ins rollen brachte. Hätte ich an diesem Sommertag nicht gelangweilt das Angebot meines Bruders angenommen, es würde sehr wahrscheinlich Citizen Cain heute nicht geben, Bedankt euch also bei Alan Bell, ohne den ich nicht diesen Berg erklommen hätte, der mein Schicksal bestimmen sollte!

Nach einigen Monaten widmete sich Stewart ausschließlich den Keys und der Drummer Chris Colvin komplettierte dieses zweite Line-Up. Zufrieden war man allerdings immer noch nicht. 1991 erschien das erste Demo und wurde ebenfalls positiv aufgenommen. Ein Jahr später wurde “Serpents In Camouflage” aufgenommen und bei SI veröffentlicht. Im folgenden Jahr spielte man als Support für Bands wie Pendragon, The Enid und Final Conflict und gab ebenfalls einige Headlinershows. Cyrus und Stewart waren es dann, die der Meinung waren, das weitere Line-Up-Wechsel unumgänglich wären. Dabei war es eine Ironie des Schicksals, daß Bassist Dave Elam bereits einen neuen Gitarristen - Alistair MacGregor - fand, bevor er selbst gehen mußte. Der neue Gitarrist passte perfekt zur Band und brachte den neuen Drummer Nick Arless mit. Schließlich fand man in Andy Gilmour einen neuen Bassisten. In dieser Besetzung gab man nur ein einziges Konzert, begann aber Anfang 1994 mit den Aufnahmen zum zweiten Album “Somewhere But Yesterday”, das dann im Oktober 94 ebenfalls bei SI erschien. Auf beiden Alben waren deutliche Anleihen bei Marillion und Genesis unüberhörbar.


Stewart: Es gab einen offensichtlichen Marillion-Einfluß auf dem ersten Album, was in erster Linier darauf beruht, daß viele der Songs geschrieben wurden, lange bevor ich einer Band beitrat. Ich war ein Teenager und Marillion waren ständig in meinem CD-Player. Ich habe nie damit gerechnet, daß etwas von diesem Material auf CD veröffentlicht wird. Meine erste Genesis Platte habe ich mir erst nach dem Erscheinen von “Serpents in Camoflage” gekauft, was wahrscheinlich das zweite Album beeinflußte, wenngleich viele der Stücke Überbleibsel vom Debüt waren. Als wir begannen “Raising The Stones” zu schreiben, starteten wir ohne all diese alten Ideen im Hinterkopf und mit dem zusätzlichen Einfluß von Xyrus am Bass. Ich glaube, wir haben diese “Generillion”-Phase hinter uns gelassen - obwohl ich die Musik dieser Bands immer noch liebe. Aber wir müssen unseren eigenen Ursprung finden um weitermachen zu können.

Hinzu kommt, daß Xyrus Gesang dem von Peter Gabriel wirklich frappierend ähnelt.


Xyrus: Es wurde eine Menge geredet über die Ähnlichkeiten meines Gesanges mit dem von Peter Gabriel. Wir glauben, daß die beiden ersten Alben auch wirklich diesen Genesis-Sound hatten, es war darum nötig, etwas zu verändern, was immer unser Ziel war. Dennoch denke ich, war diese Ähnlichkeit ein guter Ausgangspunkt, der dem Publikum eine Vorstellung von unserer musikalischen Richtung gab. Jetzt kommt es darauf an fortzuschreiten, sich jenseits des gegenwärtig erreichten zu begeben - was auch für die gesamte Menschheit gilt. “Raising The Stone” ist ein Zeichen dieser Evolution. Einige Leute scheinen aus dem einen oder anderen Grund nicht in der Lage zu sein, Dinge jenseits des Gesanges zu erkennen.

Doch vor “Raising The Stones” galt es zunächst einige Schwierigkeiten zu überwinden. Wie viele Progbands wurden auch Citizen Cain vom Bankrott des holländischen Proglabels SI getroffen, fanden mit Cyclops jedoch recht schnell einen neuen Partner, mit dem man sehr zufrieden ist. Negative Erfahrungen machte man jedoch mit “Ghost Dance”.


Stewart: Ursprünglich gaben wir diese Tracks, die wir in Dreierbesetzung einspielten, an ein Magazin namens “Melodie & Dissonanze”. Aber sie entschieden sich, sie an Mellow Record weiter zu schicken - und dort wurde die CD dann ohne unsere Zustimmung veröffentlicht. Wir warten immer noch darauf, daß sie uns das Artwork zurückschicken und solche Sachen. Aber je weniger wir über diesen “Deal” reden, desto besser. Andererseits möchten wir schon gerne wissen, mit welcher Sorte von Leuten hier Geschäfte gemacht werden.

Da Cyrus schon immer die Absicht hatte, an den Bass zurückzukehren, trennte man sich auch Andy, was allerdings nichts mit seiner Arbeit zu tun hatte, mit der man sehr zufrieden war. Da auch Nick ersetzt werden mußte, war die Band war zum Duo reduziert, doch als nach über einem Jahr der Suche noch immer keine neuen Musiker gefunden waren, entschied man sich, es dabei zu belassen.


Stewart: Das Fehlen von passablen Musikern in unserer Umgebung hat dazu geführt, daß wir das Album alleine fertig stellen mußten. Xyrus hat schon wieder Bass gespielt und ich kümmerte mich um Schlagzeug und Gitarre. (Andie Heatie) Und was die Computer betrifft, natürlich nutzen wir sie. Warum diese Technologie haben und dann nicht davon profitieren? Ich habe seit Jahren kein Schlagzeug mehr gespielt und brauchte jede Unterstützung, die ich kriegen konnte. Mit den Vorzügen der digitalen Aufnahmetechnik sind die Bearbeitungsmöglichkeiten schier unendlich, und wir schämen uns nicht zuzugeben, daß wir so Dinge realisieren können, die es zum Beispiel live sonst gar nicht zu hören gäbe.


Xyrus: Der Einsatz von Computern und Samples ist schließlich nichts neues. Ich kenne keine Band oder kein Studio, die von solchen Werkzeugen nicht auch Gebrauch macht. Ich glaube, was du eigentlich wissen willst ist, ob wir unser Material auch live spielen können. Die Antwort ist: Note für Note.

Mit Prog ist zwar heute auf der ganzen Welt kaum ein Blumentopf zu gewinnen, aber in Schottland scheint es besonders schlecht auszusehen.


Stewart: Normalerweise trommeln die Leute an die Wand und schreien “Aufhören!”, wenn sie unsere Musik hören. Bei den Schotten besteht ein ernsthafter Mangel, wenn es um die Möglichkeit geht, Progressive Rock anzuerkennen. Wir haben mit Bands wie Pendragon und The Enid gespielt, und es waren nicht mehr als dreißig bis vierzig Leute da. Als wir Musiker gesucht haben, riefen uns Leute an und fragten, ob U2 Progressive Rock spielen würden. Irgendwie muß das an der Kälte liegen. Das gilt natürlich nicht für die paar schottischen Progfans, die es gibt.

Ob das neue Album den Durchbruch bringt, wird sich zeigen. Die Zeichen stehen jedenfalls günstig.


Stewart: Du weißt, daß es ein großes Interesse an Prog in Ländern wie Italien, Holland, Kanada, Südamerika und anderswo gibt - nur in unserer Heimat Schottland scheint es das nicht zu geben - warum auch immer. Wir haben eine Menge Interviews gegeben, seit das neue Album draußen ist und hatten ein großes Echo überall in der Welt. Wir haben herausgefunden, daß einige das Album mehrmals hören mußten, um Zugang zu finden, anderen hat es beim ersten Hören die Köpfe weggeblasen. Ich will sagen, man braucht wirklich eine Weile - in den zweiundsiebzig Minuten passiert eine Menge - aber wenn das geschafft ist, hört man ein Meisterwerk aus Kompliziertheit, Komplexität und Melodie von einer abstrakten Schönheit, daß du Monate, vielleicht Jahre mit Freude hören kannst. Und wenn man sich mit den Texten beschäftigt, dann ist das wie eine riesengroße Erleuchtung. Ich hoffe, jeder nimmt mich beim Wort und kauft das Album - jetzt!


Xyrus: Wir befinden uns in einem ständigen Reifeprozess, darum wird sich unser Material auch ständig ändern, aber wir werden auch immer dieses Xitizen Cain - Feeling behalten.

Stewart: Obwohl unsere Musik immer komplexer wird, möchten wir immer im Gleichgewicht mit dem melodischen Aspekt bleiben, den wir schon immer hatten. Wir legen keinen Wert darauf, eine Band zu werden, die nur von anderen Musikern geschätzt wird. Wie du gesagt hast, wir werden immer diesen Genesis-Touch haben - durch den Gesang und teilweise auch durch der ganze Musik, aber wir werden uns in Gebiete wagen, in die Genesis nie vorgedrungen ist. Zum Teil ist das mit dem neuen Album bereits geschehen...




© Renald Mienert
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