Auch wenn ich mir von der zweiten Cairo-Scheibe Conflict
and Dreams eigentlich mehr versprochen hatte, wirft man einen
Blick zurück auf die Prog-Scheiben, die in diesem Jahr bisher
erschienen sind, so zählt sie dennoch zu denen, die nicht so
schnell in Vergessenheit geraten sollten. Was bietet sich da an,
wenn nicht ein Interview? Ich sprach also mit Keyboarder Mark
Robertson.
Sag mal, wo lebst du eigentlich in Deutschland?
will dieser zunächst wissen, und ich denke schon, daß es
mir ergeht wie den Bullen in den Krimis, die dann immer sagen
müssen: Ich stelle hier die Fragen! Das sage ich
natürlich nicht, sondern erkläre brav, daß es
irgendwo in der Nähe Nürnbergs ein Kaff namens Hemhofen
gibt.
Nürnberg, hmm. Ich habe nämlich als Kind auch
mal in Deutschland gelebt, weißt du. In Stuttgart. Geboren
wurde ich in Colorado, aber als Kind habe ich praktisch überall
gelebt. Das hing mit dem Job meines Vaters zusammen. Immer wenn er
irgendwo anders hin mußte, haben mich meine Eltern in eine
Reisetasche gepackt und ab gings.
Nun, geschadet hat es offensichtlich nicht. Das bei Magna Carta
erschienene Debüt gilt als eine der besten Prog-Platten 1994
und machte selbstredend bei vielen Fans schnell Lust auf mehr. Aber
darauf mußten sie eine Weile warten.
Wir haben auf diesen ersten drei Tribute-Alben von
Magna Carta mitgewirkt und dann an diesem Steinway to Heaven
- Sampler. Dann begann das Songwriting für das neue Album und
außerdem ist ja noch meine Beschäftigung mit der
Klassik.
Mit ist der Name Mark Robertson aber außerdem noch bei den
Credits einer anderen sehr hörenswerten Scheibe aufgefallen,
dem Erstling von Artension.
Du meinst die Band von Vitalij? Ich habe in meinem
Studio ein sehr altes Konzert-Piano Marke Steinbeck aus
Braunschweig. Ich vermiete es gelegentlich an verschiedene Künstler
und so kam auch Vitalij in mein Studio und ich habe dann zwei Stücke
für das Artension-Album aufgenommen. Selbst gespielt habe ich
natürlich nichts. Vitalij ist ein ausgezeichneter Pianist, der
wirklich keine fremde Hilfe braucht.
Die können Cairo aber ganz gut gebrauchen, gerade wenn es um
die Realisierung der anvisierten Live-Pläne geht.
Wir könnten bestimmt nach Europa kommen und wir
denken auch intensiv darüber nach. Es ist eben alles in erster
Linie eine Kostenfrage. Wenn wir für einen Monat nach Europa
kommen, und selbst wenn wir jeden Tag ein Konzert geben würden,
alleine die Hotelkosten würden uns das Genick brechen.
Von progressiven Live-Debakeln kann man ja auch hierzulande ein Lied
singen, und so erzähle ich ihm vom Ersten deutschen
Prog-Festival in Bruchsal im vergangenen Jahr. Sozusagen unterm
Strich mehr Musiker anwesend als zahlendes Publikum. Aber solche
Geschichten sind Mark Robertson nicht neu.
Solche Sachen erleben wir in den Staaten immerzu. Es
ist immer davon abhängig, wie gut du promotest. Ich habe mal in
einer Band gespielt, nicht progressive, sondern eher normaler Metal.
Wir waren oft Support für Bands, die eine total andere Musik
gemacht haben. Das war natürlich nie besonders erfolgreich.
Wenn die Leute Blues erwarten, und dann kommen wir mit unseren
Sachen... Man braucht das richtige Publikum.
Aber zumindest die Verkaufszahlen von Conflict and Dreams
deuten darauf hin, daß Cairo dieses wohl bereits zu haben
scheint. Daß es in Japan besonders gut läuft, ist ja
nicht so verwunderlich, aber wie sieht es mit dem Rest der Welt aus?
Nun, die Reaktionen sind generell wesentlich besser als
beim Debüt. Es gab bereits sehr viele Reviews, wir haben
relative viele Interviews gegeben, man kann schon sagen, es besteht
Interesse in der ganzen Welt. In Norwegen ist Bedarf, in Frankreich
haben wir in der ersten Woche bereits 1200 Exemplare verkauft. Zum
Vergleich haben wir vom Debüt in ganz Europa nur 4000 Einheiten
abgesetzt.
Dabei ist die Musik der Amerikaner gerade im Vergleich zur ersten
Platte eher schwer verdaulich geworden. Ein gewisser Renald Mienert
hat das Teil ja im Empire sogar als hektisch eingestuft.
Ich glaube, es ist immer schwer für einen
Künstler, die nächste Platte herauszubringen. Jeder
Künstler ist auch von sich aus bestrebt, sich weiter zu
entwickeln. Ich denke, uns ist das mit dem zweiten Album gelungen.
Ich habe versucht, auf den Kompositionen des ersten Albums
aufzubauen, sie aber gleichzeitig interessanter und ambitionierter
klingen zu lassen. Und der bisherige Erfolg zeigt, daß es der
richtige Weg war.
Verglichen mit dem Debüt arbeiten Cairo jetzt mit einem neuen
Bassisten, statt Rob Fordyce ist nun Jamie Browne in der Band, aber
nicht so richtig, lasse ich mir erklären.
Ja und Nein. Es ist im Prinzip die gleiche Situation
wie beim Debüt. Als Rob damals zu uns stieß, waren alle
Songs schon fertig. Er war in keiner Weise ins Songwrting
involviert. Jamie stammt aus der Bay Area, er ist ein wirklich guter
Studiomusiker und hat seinen Job bestens erledigt. Sollte es mit der
Tour klappen, wäre er wahrscheinlich mit dabei, aber er ist
nicht wirklich in der Band. Freilich könnte er, aber im
Augenblick besteht kein akuter Handlungsbedarf um hier irgendwelche
Entscheidungen zu treffen.
Wer traf denn eigentlich mal die Entscheidung, sich Cairo zu nennen.
Wie Wüstensöhne sieht man schließlich nicht gerade
aus.
Die Ideen hatte Jeff Brockman, unser Drummer. Der erste
Song auf dem Debüt hat ja auch diese orientalischen Einflüsse.
Zunächst sollte dann auch nur dieses Stück Cairo
heißen, aber wir haben dann doch beschlossen, die Band so zu
nennen. Wir betrachten Cairo auch als eine Art Planeten, einen
fremde Zivilisation. Es gibt da ganz verschieden Aspekte. Diese
Stadt war ja einmal eines der ganz großen Zentren der Welt.
Und dann gibt es dort all diese geheimnisvollen Dinge, die Sphinx,
die Pyramiden - das alles paßt zu unserer Musik.
Von der die Fans wohl auch weiterhin nicht genug kriegen können.
Wieder erst in vier Jahren?
Nun, im Augenblick konzentrieren wir uns eigentlich
mehr darauf, die neue Scheibe Live zu promoten. Wir schon gesagt,
wir denken über eine größere Tournee nach, aber das
Thema hatten wir ja schon. Solche Sachen sind sehr riskant. Es hängt
soviel davon ab, daß du die richtigen Leute hast, die die Gigs
organisieren, davon, daß auch die richtigen Leute im Publikum
sind. Ein Konzert in einer Stadt wie Berlin oder München, zu
dem Leute aus dem ganzen Land kommen, ein Konzert vor mehr als
Tausend, Zweitausend Leuten....Wie gesagt, unser zweites Album
verkauft sich nicht schlecht, aber es würde sich durch eine
Tour wesentlich besser verkaufen. Danach werden wir dann mit den
Arbeiten zum neuen Album beginnen, daß dann irgendwann im
nächsten Jahr erscheinen soll.
Hoffen wir nur, daß dies keine Träume bleiben. Und wovon
träumt der Musiker Mark Robertson?
Eigentlich beschränken sich meine Träume als
Musiker darauf, mit Cairo erfolgreich zu sein. Mit der Musik, die
heute im Radio läuft, kann ich nichts anfangen. Mein
Haupteinfluß ist die Klassik. Als ich an der Highschool war,
höre ich Yes, Gentle Giant, Genesis oder auch Klaus Doldinger
mit Passport. Aber in den Achtzigern und Neunzigern habe ich dann
aufgehört, die damals aktuellen Platten dieser Bands noch zu
hören. Sie haben sich fast alle soweit von dem entfernt, mit
dem sie ursprünglich angefangen hatten. Es ist schön, mit
Cairo zu arbeiten und auch live zu spielen, aber ich habe auch vor,
mich wieder mehr der klassischen Musik zuzuwenden. Früher habe
ich viel Klassik gespielt, das wurde in den vergangenen Jahren immer
weniger, aber jetzt möchte ich wieder dorthin zurück.