Die Musik von Artension hatte
mich genauso beeindruckt wie ihre ungewöhnlichen Geschichte.
Tastenvirtuose Vitalij konnte meinen Wissensdurst stillen...
Die Geschichte von Artension ist
ziemlich ungewöhnlich. Ein Keyboarder aus der Ukraine und ein
Gitarrist aus der Schweiz...
Ich wurde 1974 in Kiew geboren.
Von der Ausbildung her bin ich eigentlich klassischer Pianist. Als
ich in die Schweiz kam, traf ich den Gitarristen Roger, und das war
der Anfang von meinem Traum - eine Band gründen und eine CD zu
produzieren. Wir begannen lediglich mit Gitarre und Keyboards, der
Rest der Band kam erst später hinzu. Wir produzierten ein Demo
und schickten es Mike Varney (Label Boss von Shrapnel Records). Es
gefiel ihm und so flogen Roger und ich nach Kalifornien um ihn dort
zu treffen. Dieses Tape war rein instrumental und enthielt zehn
Songs, die ich im Laufe der letzten Jahre geschrieben hatte. Mike
bat uns, einen geeigneten Sänger zu finden oder ein neues Tape
zu produzieren. Wir flogen also wieder zurück in die Schweiz
und ich begann neue Songs zu schreiben, die uns dann schließlich
den Vertrag einbrachten.
Dieses erste Demo ist dann also nie
auf CD erschienen. Schade eigentlich, wo ich doch Instrumental
Stücke so liebe....
Ich bin froh zu hören, dass
du Instrumentalmusik magst. Da freut es dich wahrscheinlich zu
erfahren, dass ich gerade an meinem Soloalbum arbeite, das ebenfalls
rein instrumental sein wird. Ich hoffe im Mai 1997 fertig zu werden.
Gitarre wird übrigens Greg Howe spielen, das Album jedoch mehr
keyboardorientiert sein.
Die restlichen Bandmitglieder hat
dann wohl mehr oder weniger Mike Varney organisiert. Hattet ihr
eigentlich eine Art Mitspracherecht?
Sicher haben wir mit Mike darüber
diskutiert, wie der Rest der Band aussehen sollte, aber letztlich
haben wir uns sehr schnell geeinigt. Ich denke, wir haben die
richtige Entscheidung getroffen und ich mit der Auswahl sehr
zufrieden.
Dafür, dass es sich bei
Artension - der Name steht übrigens für die Verbindung von
Kunst und Spannung und Vitalij ist sich sicher, dass man das auch an
der Musik erkennen kann - sozusagen um eine künstlich
geschaffene Band handelt, klingt der Sound erstaunlich ausgereift.
Viele Prog-Metal-Bands verstehen sich zwar perfekt darauf,
kilometerlange und technisch höchstkomplizierte Soli auf CD zu
löten, aber das Gefühl bleibt gelegentlich schon mal auf
der Strecke, was sich vor allem in ziemlich schlaffen Vocal-Parts
äußert. Das davon bei Artension kaum etwas zu spüren
ist, liegt vor allem an Vitalij, aber wie sich herausstellt, nicht
nur.
Ich habe alle Songs geschrieben,
einschließlich der Gitarrensoli, Bass und Drumparts. John
schrieb die Texte und die Gesangparts. Ich bin mit Johns Arbeit auch
als Texter zufrieden. Er hat seinen Job sehr gut gemacht. Ich denke
die Texte passen gut zu unserer Musik. Zukünftig werde ich mich
noch mehr um das Komponieren kümmern. Ich müsste sonst
alle Ideen ständig in meinem Kopf behalten.
Und wie ist das nun mit technischer
Perfektion und Gefühl?
Das ist meine Lieblingsfrage,
danke, dass du sie gestellt hast! Weisst du, genau das ist es
nämlich, was Artension auszeichnet. Gerade weil unsere Technik
so hoch entwickelt ist, sind wir um so mehr in der Lage unsere
musikalischen Ideen auszudrücken. Die Musiker sind sehr
professionell und wir haben ein eigenes hohes technischen Niveau
erreicht, aber wir haben genauso ein starkes Gespür für
Melodien, das genauso wichtig ist. Wo wir gerade von Emotionen
reden, hör doch mal The Key. Gerade hier wirst du
beides hören, technische Perfektion und tiefe Emotionen.
Mit Mark Robertson von Cairo war ein
in der Prog-Szene recht bekannter Musiker mit an der Produktion
beteiligt. Besagte Band hatte ja mit ihrem Debüt 1994 für
einiges Aufsehen gesorgt, leider ist es seitdem bis auf einige Songs
auf den diversen Magna Carta Tribute-Samplern recht ruhig um sie
geworden.
Die Arbeit mit Mark war wirklich
eine große Zeit für mich und wir hatten eine Menge Spaß.
Ich empfand die Zusammenarbeit als sehr professionell und es war
eine große Freude für mich, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Mark ist übrigens auch ein sehr guter Pianist. Er saß für
die Aufnahmen von I dont care an den Reglern und
war sehr hilfreich. Ich hoffe, zukünftig mehr Zeit in seinem
Studio zu verbringen, für das nächste Artension-Album.
Die meisten Prog-Metal-Bands klingen
mehr oder weniger nach Dream Theater, eher mehr. Ihr hingegen weist
Ähnlichkeiten zu Deep Purple auf...
Ich mag Deep Purple sehr, was
wahrscheinlich der Grund dafür ist, dass sie meine Musik
beeinflussen. Ich denke, besonders bei Smoke and Fire
kann man die Ähnlichkeiten deutlich hören. Allerdings bin
ich auch von Yngwie Malmsteen stark beeinflusst.
Bei den deutlich hörbaren
Klassik-Einflüssen kombiniert mit Deep Purple kommt man
natürlich zwangsläufig auf Jon Lord.
Ich bin ziemlich erfahren, was
die klassische Musik betrifft, aber nicht ausschließlich, weil
ich Jon Lord mag. Ich bin klassischer Musiker genauso wie
Rockmusiker. Ich begann mit sieben Jahren Piano zu spielen und war
immer der Meinung, dass die klassische Ausbildung sehr wichtig für
meine Entwicklung als Musiker war. Gegenwärtig arbeite ich auch
an meiner Karriere als klassischer Pianist, und was die Klassik
betrifft, liebe ich besonders Bach, Brahms und Mozart. Im November
1997 werde ich ein Klavierkonzert von Beethoven in New York geben.
Aber zurück zu Jon Lord. Ich mag ihn und verehre ihn sehr.
Wenn du die CD jetzt hörst,
würdest du irgend etwas ändern wollen?
Diese Frage gebe ich an dich
zurück. Ich habe dein Review gelesen, und mich sehr darüber
gefreut. (War ja auch nett, d. Verf.) Ich kann mich nicht
erinnern, dass du etwas an der Platte ändern wolltest, also
warum sollten wir es tun?
Nun, irgendwas zu meckern hätte
ich schon. An der Musik gibt es nichts zu mäkeln, aber für
vernünftige Cover scheinen bei Shrapnel wohl momentan noch die
entsprechenden Mittel zu fehlen...
Meiner Meinung nach ist die Musik
das wichtigste. Dann kommen die Texte und dann erst das Cover. Ha,
Ha!
Das nenne ich gut
herausgeredet! Auch wenn sich Artension mehr als Projekt denn
als Band verstanden wissen will, man wird vermutlich dennoch
weitermachen.
Wir hoffen auf eine Tour.
Eventuell haben wir die Chance in Belgien, Holland und Deutschland
zu spielen. Und natürlich Japan. Gerade in Japan verkaufen sich
unsere Alben sehr gut und ich werden definitiv versuchen, dort
einige Shows in der Zukunft zu spielen.
Nun ist die Ukraine ja in Sachen
Rock für die Fans hierzulande ein unbeschriebenes Blatt. Zwar
hat man in der DDR gelegentlich Bands aus der ehemaligen Sowjetunion
mehr oder weniger zwangsverordnet bekommen, was aber Kapellen wie
Jalla (aus der Ukraine stammte allerdings auch diese
Band meines Wissens nicht) da so abgeliefert haben, waren wohl nicht
gerade Sternstunden der Rockmusik. Wie sieht es heute aus?
Natürlich ist die Rockszene
in der Ukraine nicht so weit entwickelt ist, wie in der westlichen
Welt. Es gibt einige Bands, die versuchen, etwas auf die Beine zu
stellen, aber Rockmusik als Tradition ist in der Ukraine praktisch
nicht vorhanden. Es gibt einen Pool talentierter junger Musiker
voller Potential, und ich hoffe, dass uns die Zukunft eine positive
Entwicklung in Sachen Rock bescheren wird.
Und was wünscht du dir für
die Zukunft?
Ich mache, was ich im Augenblick
fühle. Ich glaube an diese spontane und unabhängige Form
von Kreativität. Und genau das verstehe ich unter progressiv.
Ich werde versuchen, meinen Platz als Musiker in dieser Welt zu
finden und ich werde versuchen Artension weiter voran zu bringen.
Ich werde den Weg weitergehen, den wir damals in der Schweiz
eingeschlagen haben. Aber der wirkliche Beginn meiner Musik lag in
der Ukraine.