Andre Andersen:
Der Keyboarder der königlichen Jagd
Interview
Changing Skin
heißt das Soloalbum des Royal Hunt Keyboarders, und es wird
vor allem in der Metal und Melodic Rock Presse eigentlich
deutlich unter Wert gehandelt. Für den Progger ist die Mischung
aus Melodic Rock und Klassik jedenfalls wesentlich interessanter,
als das so hochgelobte Solowerk seines Ex-Kollegen D.C. Cooper. Auch
dessen Trennung von der Band war eines der Themen dieses Gesprächs.
Andre, du bist ja ein
gebürtiger Russe. Da mußt du doch auch heute noch ein
ganz spezielles Verhältnis zu diesem Land haben.
Ich bin in Moskau aufgewachsen, habe
die ersten Jahre meines Lebens dort verbracht. Alles hat dort
angefangen. Mit fünf Jahren habe ich begonnen Musik zu machen,
meine Wurzeln liegen in erster Linie in Rußland. Natürlich
gab es große Unterscheide, vergleicht man das damalige Leben
dort mit dem im Westen. Leider erlaubt es mein Terminkalender nicht,
allzu häufig dorthin zu fahren, aber ich versuche es so oft es
geht einzurichten. Aber ich habe auch noch Freunde dort, du weißt
wie das läuft, mal rufe ich an, mal sie. Ich bin natürlich
ziemlich traurig, wenn ich die Nachrichten verfolge. Denn es sind ja
fast immer schlechte Neuigkeiten, die man aus Rußland zu hören
kriegt. Die politische Situation ist sehr kompliziert. Meine Freunde
erzählen mir, daß sich natürlich alles verändert
hat. Auf der einen Seite hat man jetzt mehr Freiheit, man kann viel
mehr Dinge selbst entscheiden als früher, aber besonders der
ökonomische Aspekt ist natürlich deprimierend, die
Kriminalität nimmt rapide zu. Ich verfolge das alles,
vielleicht nicht so sehr, wie ich sollte, aber ich kümmere mich
schon.
Ihr habt Royal Hunt damals ja
in einer Zeit gegründet, als eigentlich kein Mensch Interesse
daran hatte, solche Art Musik zu hören.
Es war wirklich eine schwierige
Zeit. Als wie begannen, waren einige der Bands auch den Achtzigern
noch gut im Geschäft, von mir aus Bon Jovi. Aber es war nicht
unbedingt mit uns vergleichbar. Es war mehr amerikanisch orientierte
Rockmusik, so in die Richtung West Coast Rock. Bei uns gab es diese
symphonischen, klassischen und progressiven Elemente, wir paßten
nicht in diese Kategorie. In den Neunzigern - als wir dann soweit
waren, Alben zu veröffentlichen - ging dann der ganze
Achtziger-Jahre-Rock den Bach runter. Plötzlich hieß es,
die klingen ja, wie dieses altmodische Zeug. Dann kam die
Grunge-Welle und gab der Szene den Rest. Und dann hatten wir aber
einfach das Glück, daß in Japan unsere Musik gut ankam.
Mittlerweile kommen wir sozusagen über den Umweg Japan wieder
zurück nach Europa, oder auch nach Südamerika.
Glaubst du eigentlich, Royal
Hunt sind in der Prog-Szene gut aufgehoben?
Für mich ist es sehr schwierig,
Royal Hunt in eine musikalische Schublade zu pressen. Mein
kompletter musikalischer Background kommt aus der Klassik. Als ich
dann begann, Rock zu hören, da waren da natürlich die
klassischen Rockbands - Uriah Heep, Pink Floyd, Deep Purple. Später
kamen dann progressivere Acts wie Yes, Genesis oder Rush dazu. Ich
glaube, das sind auch die drei Hauptkomponenten von Royal Hunt -
progressive Rock , Klassik und melodischer Rock.
Für mich hätte
Changing Skin auch ein neues Royal Hunt Album sein können.
So in Richtung Moving Target, aber mit viel mehr
klassischen Elementen.
Ich schreibe die Songs einfach, wie
sie aus mir herauskommen. Ich denke nicht darüber nach, ob die
Stücke nun für Royal Hunt sind oder für ein
Solo-Album. Es hat vielleicht fünfzehn Jahre gedauert, bis ich
meinen Stil gefunden habe, und in diesem Stil sind meine Songs
geschrieben - unabhängig für wen. Ich mache kein
Soloalbum, weil ich etwas machen wollte, was sich komplett von Royal
Hunt unterscheidet. Nach der Paradox Tour entschieden
wir uns, für einige Monate eine Pause einzulegen und dann mit
der Arbeit für das nächste Album zu beginnen. Ich hatte
aber schon einiges Material, was durchaus auch für Royal Hunt
gedacht war. D.C. hat dann mit seinem Solo-Projekt begonnen, und
dann habe ich gesagt, o.k., es bringt den Songs jetzt nichts, wenn
sie eine Weile auf Eis liegen. Bis wir dann ins Studio gehen, und
sie aufnehmen, sind wahrscheinlich schon wieder zehn neue Tracks
entstanden, und was dann? Also entschied ich mich auch für ein
Solo-Projekt. Es ist eine Sache, die sich einfach so ergeben hat, es
war aber nicht geplant.
Worin siehst du denn die
entscheidenden Unterschiede zwischen dem Produzieren eines
Soloalbums und der Arbeit mit einer Band?
Es hat alles Vor - und Nachteile.
Bei Royal Hunt schreibe ich ja auch die Songs. Ich präsentiere
sie dann der Band, die sagen, was ihnen gefällt und was nicht,
und ich gehe dann nach Hause, überarbeite die Tracks und stelle
sie wieder vor. Das geht solange, bis jeder einigermaßen
zufrieden ist. Dieses Feedback war bei Changing Skin nicht so
deutlich vorhanden, man kann aber auch nicht sagen, daß es gar
nicht da war. Die meisten Leute, die mir bei meinem Solo-Album
geholfen haben, sind ja auch bei Royal Hunt oder waren es mal. Ein
wesentlicher Unterschied war da schon, daß ich wesentlich mehr
Instrumente spiele als üblich. Da entsteht schon ein gewisser
Druck. Du hast auch mehr Verantwortung für die gesamten
technischen Aspekte. Auch das Arbeiten mit einem anderen Sänger
war etwas Ungewohntes. Zum Glück ist Ken auch ein sehr
erfahrener Künstler und setzte die Dinge genau so um, wie ich
sie mir vorstellte. Wir waren ja nach den Aufnahmen auf Promo-Tour,
haben einige Unplugged-Gigs gespielt, und es war schon erstaunlich,
was er geleistet hat. Er hat glücklicherweise die Idee hinter
den Songs verstanden. D.C. ist ein völlig anderer Typ von
Sänger. Er ist sehr theatralisch, liebt die Show. Ken ist da
etwas zurückhaltender, persönlicher. Und das war genau
das, wonach ich suchte. Ein Soloalbum sollte eben in jeder Hinsicht
auch persönlich klingen. Das zeigt sich auch in den Texten. Es
ist nicht so, da jetzt eben Royal Hunt spricht, jetzt spreche ich.
Und ich selbst bin leider kein guter Sänger. Ich habe das, was
man eine Songwriter Voice nennt.
Du setzt zwar sehr viel
klassische Elemente ein, diese sind aber relativ leicht
konsumierbar. Also auch für Leute, die nun nicht unbedingt die
Experten auf diesem Gebiet sind, durchaus erträglich.
Genau das war beabsichtigt. Wenn du
Rockmusik machst, dann mußt du bestimmte Regeln einhalten.
Wenn man klassische Elemente einbringt, dann sollte das immer unter
dem Gesichtspunkt geschehen, daß am Ende immer noch ein
Rocksong übrig bleibt. Sonst überfrachtest du die Songs
und machst sie damit kaputt. Aus meiner Sicht braucht ein Song
zunächst starke, wiedererkennbare Vocals, die klassischen
Elemente müssen dann sehr sorgfältig integriert werden.
Kann man eigentlich von Stil
deines Soloalbums auf den Stil des nächsten Royal Hunt
Albums schließen?
Ich glaube nicht. Ich habe natürlich
weder die Absicht Changing Skin noch Paradox
zu wiederholen. Obwohl natürlich auch die Songs des neuen Royal
Hunt Albums wieder meine Handschrift tragen werden. Der Sound einer
Band wird ja maßgeblich vom Sänger mitbestimmt, und da
gibt es ja bei uns eine Veränderung. (Mittlerweile steht ja
John West als D.C. Cooper Nachfolger fest)
Die Orchesterparts auf
Changing Skin stammen ja von den Keys. Eigentlich wäre
ein richtiges Orchester doch besser wenn auch
teurer...
Leider hat es sich dies Mal nicht so
ergeben, obwohl es Kontakte gab. Aber ich plane so etwas für
die Zukunft, obwohl es im Augenblick nichts Konkretes gibt.
Allerdings arbeite ich lieber mit einer kleineren Gruppe von
klassischen Musikern als mit einem großen Orchester. Es wird
also mehr in Richtung Kammermusik gehen, in Richtung
Streichquartett.
Du wurdest ja in Japan
mehrmals zum besten Rockkeyboarder gewählt. Bist du es
wirklich?
Nein, wahrscheinlich nicht. Aber ist
ein gutes Gefühl, wenn die Fans diese Meinung habe. Es ist ein
Zeichen, daß sie deine Arbeit schätzen. Ich glaube,
keiner kann wirklich ernsthaft von sich behaupten, er sei der beste.
Natürlich muß ich
auch noch einmal auf die Trennung von D.C.Cooper zurückkommen.
Glaubt man der Rockpresse, ist die Sache ja klar. Du bist einfach
nur neidisch, weil sein Album besser ankommt als dein eigenes. Also
hast du ihn gefeuert. Klingt ganz nett, aber irgendwie wohl doch
etwas simpel.
Die ganze Geschichte hat überhaupt
nichts mit der Qualität der Soloalben zu tun. Mit den Arbeiten
an seinem Projekt hat sich D.C. verändert. Ich weiß nicht
warum, vielleicht liegt es daran, daß er auch einige Male in
Japan zum besten Sänger gewählt wurde, vielleicht
unterscheidet sich auch einfach die europäische Mentalität
von der amerikanischen. Jedenfalls begann er plötzlich, in
Interviews über die Band herzuziehen. Wir haben damals noch
nicht reagiert, aber irgendwann hat er mich dann angerufen und hat
gesagt, mein Soloalbum läuft richtig gut, und wenn ich bei
Royal Hunt weitermache, dann aber nicht als normales Bandmitglied.
Das ist doch ziemlich verrückt. Er war dreieinhalb Jahre ein
reguläres Mitglied der Band, und jetzt möchte er sich
sozusagen hundertprozentig seiner Solokarriere widmen, und Royal
Hunt noch als Nebenjob haben, wie ein Projekt. Sorry, aber so
funktioniert Royal Hunt nicht. Wir konnten uns nicht einigen, und
etwas später erhielten wir dann Post von seinem Anwalt. Wenn
ihr nicht diese und jene Forderung erfüllt, ist DC nicht mehr
ein Teil der Band. Und da haben wir gesagt, o.k., dann wars
das eben. Wir sind als Band jetzt schon eine Weile zusammen, und
haben absolut kein Interesse daran, daß jetzt jemand kommt und
als eine Art Freelancer mit uns arbeitet. Wir wollen eine Band sein,
von mir aus sogar eine Art Familie.
O.K. Vielleicht noch einige
Worte zum Abschluß
Ich möchte die Fans von Royal
Hunt bitten, auch weiterhin dieser Musik aufgeschlossen gegenüber
zu stehen. Soloalben sorgen häufig für Gerüchte, dann
ist da der Wechsel des Sängers. Aber es kommt nicht unbedingt
auf die einzelne Person an. Royal Hunt wird auch weiterhin dieser
Musik treu bleiben, dieser Aspekt der Band wird sich nicht ändern.