Amon Ra:
Warum in die Ferne schweifen, schau, das Glück ist doch so nah
Interview
Das jedenfalls dachte ich
mir, als ich zum erstem Mal das Debüt Precarious Balance
von Amon Ra aus Bamberg hörte, was ja praktisch vor meiner
Haustür liegt. Da ist es nur folgerichtig, daß ich die
Band etwas genauer unter die Lupe nehme.
Die Geschichte von Amon Ra
begann Ende der Achtziger, damals noch in Suhl. Gitarrist Thomas
spielte in einer auf bluesigen Hardrock und Seventies Rock
spezialisierten Band, die einen Keyboarder suchte. Dirk hatte
beruflich dort zu tun, und so lernte man sich kennen. Von
Progressive Rock war zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht die
Rede. Erst später, mittlerweile in Bamberg, wurden durch
Drummer Lothar Bands wie Rush oder Dream Theater ins Gespräch
gebracht, und langsam kamen die Dinge ins Rollen.
Wir haben dann mal ein
Instrumentalstück geschrieben, und haben uns überlegt, ob
man so etwas den Leuten überhaupt anbieten kann. Wir haben das
dann bei einem Gig getestet, und die Reaktionen waren
überraschenderweise so positiv, daß wir damit
weitergemacht haben.
Was man nur begrüßen
kann. Als eines der größten Probleme stellte sich dabei
jedoch die Suche nach einem geeigneten Frontmann dar. Schließlich
wurde man in Gestalt von Scott Balaban fündig, sicher ein
Glücksfall, der Mann kann nämlich nicht nur singen,
sondern als gebürtiger Amerikaner das auch noch völlig
akzentfrei.
In einer Rockkneipe Die
Rampe hing ein Zettel: Band Amon Ra (anspruchsvolle
Rockmusik mit Seventies Touch) sucht Sänger. Ich habe früher
im Chor gesungen und gerade angefangen Gesangsunterricht zu nehmen,
und habe mich daraufhin bei der Band gemeldet. Ich habe dann
vorgesungen, obwohl ich mir den Abend zuvor fast eine Erkältung
weggeholt hätte. Und was den Akzent angeht: Es fällt mir
schon auf, gerade in Progbands, wenn die Sänger mit Akzent
singen. Die meisten Hörer hier merken das natürlich
überhaupt nicht auf, und es ist ja auch völlig normal,
aber wenn ich ehrlich sein soll, mich stört es schon.
Scott lebt seit 1986 in Deutschland,
weil seine Mutter, eine gebürtige Deutsche, wollte, daß
er multikulturell aufwächst. (Was ja jetzt perfekt
sichergestellt ist: amerikanisch, deutsch, ostdeutsch, bayrisch und
fränkisch!) Apropos Osten. Keyboarder Dirk erwähnt in den
Credits Thomas Kurzhals
Seit fast zwanzig Jahren habe ich
per Radio die Rockszene im Osten verfolgt. Und besonders Sachen wie
Stern Meißen haben mir besonders gut gefallen. Besonders eben
die Keyboardarbeit. Zu dieser Zeit wurden im Westen Synthesizer
eigentlich nur sporadisch eingesetzt, bei Space-Pop-Sachen oder so.
Ich habe wirklich im Ostradio zum ersten Mal mitbekommen, daß
man Keyboards vernünftig in die Rockmusik integrieren kann.
Natürlich kannte ich die alten Sachen von ELP, aber ein
Keyboarder wie Thomas Kurzhals hat mich eben wirklich sehr
beeinflußt. Er war ja so eine Art Gallionsfigur für die
DDR-Keyboarder.
Das ist ja dann wirklich sonderbar.
Wo wir doch alle wissen, daß die armen Ossis vierzig Jahre
einfach nur eingesperrt waren, und überhaupt keine Ahnung
hatten, was in der großen freien Welt alles so angesagt war.
Aber zurück zur Musik. Auch das Songwriting funktioniert bei
Amon Ra wohl etwas anders, als bei den meisten anderen Bands. Dirk
und Thomas schreiben das instrumentale Grundgerüst, Scott legt
dann seine Vocal Lines darüber.
Das liegt wohl auch daran, daß
wir wirklich zwei Jahre gebraucht haben, um einen festen Sänger
zu finden. Wir haben viele Leute getestet, nie hat es funktioniert.
Trotzdem sind in dieser Zeit natürlich Songs entstanden, und
diese Instrumentals sind auch immer komplexer geworden. Das war
natürlich für den Scott auch eine sehr anspruchsvolle
Aufgabe, da überhaupt noch Vocal Lines drüber zu
schreiben. Viele Sänger haben gesagt, geile Musik, toll, aber
was soll ich da noch singen. Auch wir haben dann eine Weile
gebraucht, bis wir uns mit der Art von Scotts Gesang anfreunden
konnten, aber irgendwann haben wir dann gemerkt, das ist es einfach.
Ich habe zwar manchmal auch schon Vocal Lines im Hinterkopf, aber
davon sage ich Scott zunächst einmal gar nicht. Wenn ihm
wirklich einmal nichts einfällt, kann man immer noch darüber
reden. Vielleicht wird sich diese Arbeitsweise zukünftig ein
wenig ändern, jetzt wo Scott völlig in die Band integriert
ist, wobei interessant ist, ob man das dann den Kompositionen
anmerken wird.
Nun wo die CD erschienen ist, sucht
man vor allen nach zwei Dingen: einem Plattenvertrag und
Auftrittsmöglichkeiten.
Wir haben
einmal Support für die Inchtaboketablesgespielt.
Das war glaube ich sehr interessant, weil wir vor einem Publikum
standen, das überhaupt nichts mit Progressive Rock zu hat.
Einige Freunde von uns waren dabei und haben uns dann erzählt,
das schließlich sogar die wildesten Punker mit den Füßen
gewippt haben und Zugaben verlangten. Unser CD Release - Gig im
Live-Club in Bamberg war auch sehr gelungen, mit großer
Lightshow. Aber sonst? Die Band hat natürlich seit ihrer
Gründung zahlreiche Gigs absolviert, aber als Prog-Band sind
wir höchstens zehn Mal aufgetreten. Die Reaktionen waren
allerdings sehr positiv. Wir sind nicht ganz so verfrickelt und
achten auch auf einen guten Groove, so daß die Leute richtig
gut mitmachen können.
Wie bei vielen Progbands finden man
auch bei Amon Ra eine Vorliebe für Fantasy-Themen. Hierfür
stehen das instrumentale The Story Of Beren And Luthien
oder auch Dragonwal.
Die Vorliebe für
Fantasy-Motive ist auch oft in den überlangen Stücken
begründet. Wenn du fünfzehn Minuten zur Verfügung
hast, dann solltest du auch ordentlich was zu erzählen haben.
Nur über Sonne und Meer wäre da schon etwas dürftig.
In einem drei Minuten Hit brauchst du nicht mit Tolkien anfangen, da
kommst du gerade mal bis zur Einleitung. Wer Fantasy liest, der kann
sich auch einfach von seiner Phantasie treiben lassen. Der nimmt
sich auch mal die Zeit, Progressive Rock zu hören. So ein
Sommerhit, da ist ja nichts dahinter. Eine schöne Melodie,
nichts dagegen zu sagen, aber wenn du da tiefer reingeht, da kommt
ja nichts mehr. Beim Progressive Rock kann man noch soviel
entdecken.
Der Höhepunkt des Albums ist
sicherlich das elfminütige Illu-Vata. Hier wird die Geschichte
eines Vaters erzählt, der die Vision von einem idealen Land hat
und, da er sehr wortgewandt ist, dies auch allen Leuten kundtut. Den
Mächtigen sind solche Reden natürlich ein Dorn im Auge und
so verschwindet der Mann kurzerhand. Seinem Sohn hinterläßt
er den Auftrag, wenn dieser ein Mann geworden ist, seinerseits
dieses versprochene Land zu suchen. Er bekommt auch eine Landkarte,
doch diese ist leer. Der Sohn erkennt, daß es dieses Land
nicht gibt, und daß wir es hier und jetzt selbst erschaffen
müssen. Tolle Story und genauso tolle musikalische Umsetzung,
die mit herkömmlichen Songstrukturen wie Strophe - Refrain kaum
noch etwas zu tun hat.
Wir haben an dem Song wirklich
über ein Jahr gearbeitet. Ursprünglich waren es zwei
Songs, die dann miteinander verwoben wurden, nicht einfach
aneinander gehängt. Scott kam dann mit seinem textlichen
Konzept. Es ist ja ein sehr langer Song, da hat man Zeit für
eine Story. Zunächst probierten wir es auch nach dem Prinzip
hier eine Strophe, da die nächste, aber wir haben
dann gemerkt, daß das so nicht funktioniert. Es sind ja immer
diesen verschiedenen Parts, immer zeitlich versetzt, die brauchen
gar nicht immer die gleichen Strophen, also gibt es auch da jetzt
verschiedene Melodien.
Mit den bisherigen Reaktionen auf
das Debüt ist man mehr als zufrieden.
Wir würden lügen, wenn
wir nicht auf solche Reaktionen gehofft hätten. Aber das es
dann so losgeht, damit haben wir nicht gerechnet. Unser Album wird
in Bamberg in Kneipen teilweise rauf und runtergespielt, auch
bundesweit bekunden Leute ihr Interesse. Es läßt sich
wirklich gut an. Vor allem, daß es auch positive Reaktionen
gibt, von Leuten, die sonst nichts mit Prog am Hut haben, freut uns.
Daß wir in der Szene ankommen, damit hatten wir eigentlich
schon gerechnet.
Und Gitarrist Thomas hat sogar in
seinem Elternhaus ein dickes Lob geerntet:
Besonders witzig waren bei mir
zumindest die Reaktionen von den Eltern. Die haben bisher immer
gedacht, ich wäre in irgendeiner Krachband, und als ich denen
dann die CD vorgespielt habe, da war mein Vater richtig überrascht.
Da gibt es ja richtige Themen und Melodien!
Davon konnten sich sogar eine Kids
in der Schule überzeugen.
Ein Freund von und hat das Album
im Musikunterricht vorgestellt. In der Sparte Moderne Musik
hat man da ja freie Auswahl. Der hat den Kids dann gezeigt, was wir
wo machen, Taktwechsel uns solche Sachen. Und auch bei den Dreizehn
- und Vierzehnjährigen kam das Album gut an.
Hoffen wir, daß diese
Reaktionen dazu beitragen, daß die Band bei der Stange bleibt
und freuen uns auf weitere gelungen Alben von Amon Ra,